Predigt:
Heranwachsen zum Vollalter Jesu Christi
11. Sonntag im Jahreskreis B (14.06.2015)
L1: Ez 17,22-24; L2: 2 Kor 5,6-10; Ev: Mk 4,26-34
Josef Spindelböck
Liebe Brüder und Schwestern im Herrn!
Die Geduld ist eine Tugend, die nicht ein jeder hat. Manche Menschen tun sich schwer damit, auf etwas zu warten. Sie wollen alles sofort erreichen. Wenn sich jemand oder etwas in den Weg stellt, dann werden sie ungeduldig und greifen womöglich zu unüberlegten Maßnahmen. So zerstören sie oft mehr als sie durch ihr Verhalten erreichen!
Im Reich Gottes, zu dem wir berufen sind, gelten die Gesetze des Wachstums. Ein Blick in die Natur zeigt uns, dass es eine gewisse Zeit und günstige Bedingungen braucht, damit die Früchte der Erde heranwachsen und reifen können. Ein kleines Samenkorn wird nicht über Nacht zu einem großen Baum. Wohl aber geschieht dies, wenn Tage, Monate und Jahre vergehen und diese Pflanze Licht und Wärme, ausreichend Wasser und die grundlegenden Nährstoffe erhält.
Ist nicht auch unser eigenes Leben ein Heranwachsen und Reifen? Wir gelangen von der Kindheit in die Jugend, dann erreichen wir die Reife des Erwachsenen, und auch dieser Mensch formt sich weiter aus in seiner Persönlichkeit. Ja, eigentlich sind wir nie „fertig“, solange wir auf Erden leben! Denn wir strecken uns aus nach dem, was kommt, und lassen das hinter uns, was vergangen ist. Zugleich aber tragen wir das Erbe unserer Entscheidungen und Erfahrungen mit uns, und wir werden davon geprägt und beeinflusst, sowohl im Guten als auch im Schlechten.
Da vermag uns der Blick auf den menschgewordenen Sohn Gottes Jesus Christus Trost und Zuversicht zu geben: Gott selber ist ein Mensch geworden wie wir, und er scheute sich nicht, als Mensch heranzuwachsen und zu reifen, auch wenn er stets ohne Sünde blieb. Schließlich trat er nach dreißig Jahren des verborgenen Lebens im Kreis seiner Herkunftsfamilie, also bei seiner Mutter Maria und bei Josef, seinem väterlichen Beschützer, an die Öffentlichkeit. Dann verkündete Jesus Christus machtvoll das Kommen des Reiches Gottes.
Damit unser Menschsein sich gut entwickeln und entfalten kann, brauchen wir andere Menschen, die für uns da sind. Das sind zuerst einmal die Eltern, und am heutigen Vatertag wollen wir besonders den Männern danken, wenn sie zu ihrer Verantwortung gegenüber der Frau und den Kindern stehen und für die Familie sorgen. Mutter und Vater sollen zusammenwirken zum Wohl ihrer Kinder; ihre gegenseitige Liebe gibt ihnen die Kraft dazu. Auch Jesus ließ sich als Kind und junger Mensch formen und leiten von seiner Mutter Maria und seinem gesetzmäßigen Vater Josef.
In der Vater- und Mutterschaft spiegelt sich die liebevolle Sorge Gottes um uns Menschen wider. In Gott selbst finden wir das Urbild jeder Vater- und Mutterschaft. Gott ist Liebe, und als Zeichen dieser Liebe hat uns der menschgewordene Sohn Gottes, Jesus Christus, sein Herz geöffnet. Daran dürfen wir heute am Herz-Jesu-Sonntag in besonderer Weise denken!
In diesem Heiligsten Herzen Jesu und auch im Unbefleckten Herzen Mariens wollen wir uns bergen. Dann können uns die Stürme des Lebens nichts anhaben, und wir werden den guten Weg gehen, dem ewigen Ziel entgegen. So reifen wir mit Hilfe der Gnade Gottes heran. Ja, so wächst und reift insgesamt das Reich Gottes, bis es sich einst in der ewigen Herrlichkeit des Himmels vollendet!
Amen.