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Nachfolge Christi

Karl Hörmann: LChM 1969, Sp. 849-852

Nach den Absichten Gottes soll der Mensch in Christus seine Bestimmung erfüllen oder sein Heil gewinnen. Im neutestamentl. Gesetz spielt daher die Nachfolge Christi eine wichtige Rolle. Jesus ruft verschiedene Menschen auf, ihm nachzufolgen (Mk 1,17; 2,14; 3,13 f; 10,21; Lk 9,59; Joh 1,43). Wörtl. bedeutet „Nachfolgen“ das „Gehen hinter einem andern, der vorausgeht“ (im griech. Text „Auf, hinter mich!“ – Mk 1,17). Jesus meint mit seiner Aufforderung über das Annehmen und Anwenden seiner Lehre („Lernt von mir“, Mt 11,29; vgl. 7,24.26; Lk 11,28; Joh 5,24; 8,31 f; 14,21.23) hinaus den Lebensanschluß, das Eintreten in seine Lebensbedingungen („Der Jünger ist nicht über dem Meister und der Knecht nicht über seinem Herrn. Es ist genug für den Jünger, wenn er wie sein Meister, und für den Knecht, wenn er wie sein Herr wird“, Mt 10,24 f), und die beständige Gemeinschaft mit ihm („Und er bestellte Zwölf, daß sie mit ihm zusammen seien“, Mk 3,14). Jesus nachfolgen heißt, ihm zuliebe alles verlassen (Mk 10,28 f; Lk 5,11; 10,26.33), mit aller Entschiedenheit sein hartes Leben mit ihm teilen (Lk 9,57–62), sich selbst verleugnen und das Kreuz mit dem Herrn tragen (Mt 10,24 f; Mk 8,34; Lk 10,27; Joh 15,19 f; 16,1–4). Mit diesem Aufruf zur Kreuzesnachfolge wendet sich Jesus an den Jüngerkreis (Mt 16,24), darüber hinaus an alle (Lk 9,23). „Dann rief er das Volk samt seinen Jüngern herzu und sprach zu ihnen: Wenn einer mir nachfolgen will, so verleugne er sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach“ (Mk 8,34). Als Jünger werden im NT an vielen Stellen übrigens nicht nur die herausgerufenen Jünger, sondern alle Anhänger Jesu bezeichnet (Lk 6,17; 19,37; Joh 4,1; 6,60 f.66; 7,3; 8,31; 9,27 f; 19,38; Apg 6,1 unda.). Das Leben mit Christus, das für jeden Christen wesentl. ist (und jeder Mens ch ist zum Christsein berufen), erhält seine innere Kraft aus dem Leben in Christus (Röm 6,11; 8,9–11). „Ich bin der Weinstock, ihr die Rebzweige. Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viele Frucht. Denn ohne mich könnt ihr nichts tun“ (Joh 15,5; vgl. 6,56; das Bild von der Gliedschaft im Leib Christi, Kol 1,18; Eph 1,22; 4,15 f; 5,23). Er ist das Leben (Joh 14,6); in der inneren Gnadengemeinschaft mit ihm hat der Mensch schon auf Erden jenes Leben , das seine ewige Bestimmung ausmacht (Joh 4,14; 11,25 f; 1 Joh 5,20; Röm 6,23). Der christl. Osten betont mehr diese Lebensgrundlage der Nachfolge Christi („Leben in Christus“ des spätbyzantinischen Theologen Nikolaus Kabasilas), der Westen mehr deren ethische Ausformung („Nachfolge Christi“ des Thomas von Kempen). Zweifellos kann die echte Nachfolge Christi nicht ohne Pflege des Gnadenlebens aus den Sakramenten verwirklicht werden (vgl. Mk 16,16; Joh 3,5; 6,53–58).

Die Nachfolge Christi, das Leben mit und in Christus, findet eine notwendige Teilverwirklichung in der Nachahmung Christi. „Wer behauptet, er bleibe in ihm, muß so, wie jener gewandelt ist, auch selbst wandeln“ (1 Joh 2,6; vgl. 3,16; 4,17). Der Mensch ist ja berufen, nach der Gottebenbildlichkeit (Verähnlichung mit dem liebenden Gott) zu streben. Was Gottebenbildlichkeit heißt, wird am leuchtendsten im Gottessohn, dem „Bild des unsichtbaren Gottes“ (Kol 1,15; vgl. 2 Kor 4,4), offenbar. „Er, der da Abglanz seiner Herrlichkeit und Ausprägung seines Wesens ist“ (Hebr 1,3). So versichert Jesus: „Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen“ (Joh 14,9; vgl. 12,45). In der von Gott gefügten Heilsordnung wird Christus der „neue Mensch“ (Eph 2,15), das Bild, dem wir gleichgestaltet werden sollen (Röm 8,29; vgl. 2 Kor 3,18). Wenn das Christentum ein Weg ist, den wir gehen sollen, dann ist der Herr selbst dieser unser Weg (Joh 14,6). „Denn ich habe euch ein Beispiel gegeben, damit auch ihr tut, wie ich euch getan habe“ (Joh 13,15: vgl. Mk 10,42–45; Lk 22,25–27). Daran schließt sich die Mahnung der Apostel: „Solche Gesinnung habet untereinander, wie sie auch in Christus Jesus war“ (Phil 2,6). „Zieht vielmehr den Herrn Jesus Christus an“ (Röm 13,14: vgl. 15,1–3.5.7). „Werdet meine Nachahmer, so wie ich Christi (Nachahmer bin)“ (1 Kor 11,1). „Christus hat für euch gelitten und euch ein Vorbild hinterlassen, damit ihr in seine Fußstapfen tretet“ (1 Petr 2,21). In der Tradition steht Ignatius von Antiochia (Eph. 10,3; Philad. 7,2) an der Spitze einer langen Reihe von Zeugen, die von der Notwendigkeit der Christusnachahmung sprechen.

Zur Nachfolge Christi gehört innerhalb des Lebens mit und in Christus also auch die Nachahmung seines Beispiels. Nachahmung ist Gleichtun, kann sich auf einzelnes beschränken; Nachfolge ist Anschluß des ganzen Lebens an Christus, ist mehr als Nachahmung. Wahre Nachfolge kann sich nicht in Nachahmung erschöpfen, muß sie doch berücksichtigen, daß in der konkreten Ausprägung des sittl. Wertes in einer vorbildhaften Persönlichkeit immer auch deren einmalige Eigenheiten beteiligt sind. Schablonenhafte Nachahmung würde daher in vielen Fällen gar nicht die sittl. Aufgabe des Nachahmers erfüllen. Dieser muß vielmehr den sittl. Wert, den er im Vorbild erblickt, nach seinen eigenen Gegebenheiten neu gestalten. Mit besonderem Nachdruck ist dies für die Nachfolge Christi zu betonen. Im Herrn sehen wir zwar den sittl. Wert in seiner höchsten Vollkommenheit, können aber wegen der erhabenen Einmaligkeit Christi nicht einfach alles nachahmen, was er tut. Daß der Christ den Herrn nachzuahmen hat, steht fest; das Wie hat er gemäß seiner Situation jeweils zu erforschen.

Die Moraltheologie der Gegenwart ist sich der Wichtigkeit der bibl. Forderung der Nachfolge Christi für ihre Arbeit vollauf bewußt.


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