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Gebt Gott, was Gottes ist!
Das Anliegen der Auerbacher Schulschwestern (Februar 2002)

Andreas Laun

Hinweis/Quelle: Der Beitrag erschien unter dem Titel „Auerbach ist überall“ in der Zeitschrift „Kirche heute“ vom Februar 2002, Seite 4–8. Für die elektronische Publikation auf stjosef.at erteilte WB Laun die freundliche Erlaubnis.

Vorbemerkung

Warum soll sich ein österreichischer Weihbischof mit einem Streit um eine deutsche Ordensschule beschäftigen, die er nicht einmal kennt? Der entscheidende Grund ist der: Das lokale Problem von Auerbach ist nur die Spitze eines internationalen Problem-Eisberges. Auerbach ist überall! Die unseligen Erben der „sexuellen Revolution“ haben nämlich heute an vielen Stellen das Sagen, auch in den Schulen und damit für die Schulbücher. Die Auseinandersetzung über das Wie, das Was und das Wer der richtigen Aufklärung darf die Kirche nicht Einzelpersonen überlassen oder gar Organisationen, die die „katholische sexuelle Revolution“ (die von D. v. Hildebrand angefangen über das Zweite Vatikanum bis Johannes Paul II. hin stattgefunden hat) nicht mitvollzogen haben und deswegen sowohl sprachlich als auch inhaltlich immer noch dem prüden 19. Jahrhundert mehr oder weniger stark verhaftet sind.

Das heißt: Ich nehme nur zu dem eigentlichen „Problem“ von Auerbach Stellung, also zu der Zurückweisung der Biologie-Schulbücher durch die Schwestern bezüglich der „Moral“ dieser Bücher. Zu anderen Vorwürfen (wie pädagogische Fehler, Nähe zum Engelwerk, Schüren von Höllenängsten – oder wirft man ihnen in Wirklichkeit nicht die Ängste, sondern die tatsächlich katholische Lehre von der Hölle vor? –, Mundkommunion oder gar – wie lächerlich! – die Absage eines Tanzkurses als Beleg für Leibfeindlichkeit) kann und will ich nichts sagen außer: Sehen vielleicht auch die Gegner die Schwäche ihrer Argumente bezüglich der Kernfrage ein, so dass sie andere „Argumente“, so schwach sie auch sein mögen, brauchen? Sogar wenn die Schwestern Mitglieder des Engelwerkes wären – auch Engelwerker haben Anspruch auf Gerechtigkeit. Man kann niemand wegen Schnellfahrens bestrafen, weil man ihn beim Falschparken erwischt hat...

I. Der Fall Auerbach

Mit genussvoller Häme sind bestimmte Kreise über die Schwestern von Auerbach hergefallen und haben sie an den Pranger der öffentlichen Meinung gestellt, triumphierend: Wir haben sie „erwischt“, diese finsteren, lebensverneinenden Frauen, selbst verklemmt, wollen sie nun auch noch der Jugend den großen Spaß verderben – aber jetzt, kühn und verantwortungsvoll wie wir eben sind, retten wir unsere Jugend aus ihren Händen. Am besten, wir nehmen ihnen die Schule weg... Das Geschehen „Jagdszenen aus der Oberpfalz“ zu nennen, ist keine Verleumdung!

Was ist geschehen? Schon seit Jahren führen die Schwestern in Auerbach eine anerkannte Schule. Angesichts der ideologisch im Geist der 68er Jahre eingefärbten Biologie-Bücher entschlossen sich die Schwestern zu Beginn des Schuljahres, die anstößigen Seiten aus einem der Biologie-Bücher kurzerhand zu entfernen. Soweit, so schrecklich? So wichtig die inhaltliche Frage ist, die Maßnahme der Schwestern ist, möchte man meinen, ein zwar ungewöhnliches, aber doch ganz unbedeutendes Lokal-Ereignis, das die Schwestern mit den Eltern besprechen und klären sollten.

Aber nein, bestimmte Leute und dann bestimmte Medien haben daraus einen „Fall“ gemacht: Klosterfrauen, die Seiten aus Schulbüchern reißen und andere nicht austeilen – welch ein Skandal! Eine Flut von Vorwürfen, auch solchen, die mit den Biologie-Büchern nicht das Geringste zu tun haben, ist über die Schwestern hinweggegangen.

Nun, die Schwestern haben offenbar gelernt, kritisch zu denken und kritisch zu lesen. Mit dieser – heute doch allgemein gerühmten? – und gerade nicht „fundamentalistischen“ Haltung haben sie die Schulbücher zur Hand genommen und angesichts des Befundes mutig gehandelt. Man stelle sich vor, die Schwestern hätten irgendwie rassistische Texte zensuriert – sie hätten sich des Lobes von allen Seiten sicher sein können. Oder: Ein liberaler Lehrer hätte „zu katholische“ Passagen entfernt – er hätte die Seiten vor laufender Kamera verbrennen dürfen. Aber umgekehrt – ein Skandal, sagen „alle“!

Darüber, ob die Gangart dieser Zensur politisch und pädagogisch klug oder nicht klug war, lässt sich trefflich streiten. Nur ist das die falsche Diskussion. Die Frage ist nicht, wie sich die Schwestern gewehrt haben, sondern wogegen, gegen welche Inhalte! Über sie, über diese Inhalte muss man reden, nicht über das objektiv unbedeutende Herausreißen der Blätter!

Man stelle sich die Eltern vor: Sie sehen, wie schwierig es ist, dem Druck all der anderen, mächtigen, neuheidnischen Einflüsse standzuhalten. Darum melden sie ihr Kind bei den Schwestern an, weil der gute Ruf der Schwestern zu ihnen gelangt ist, weil sie Vertrauen in sie haben und vor allem weil sie eine Erziehung im Koordinatensystem katholischer Werte wünschen. Nun aber tun die Schwestern genau das, was die Eltern von ihnen erwarten: Sie bemühen sich um einen Unterricht im Einklang mit der katholischen Lehre. Folgerichtig wehren sie sich gegen die vorgestrige und gescheiterte Ideologie der sexuellen Revolution und weigern sich, diese an die Kinder heranzutragen. Aber dafür werden sie von allen möglichen Seiten her kritisiert, bedroht, bekämpft. Sieht man vom Stil dieser Angriffe ab, so wären sie berechtigt unter einer Bedingung, die geprüft werden muss: Stimmen die Bücher mit der katholischen Lehre überein oder widersprechen sie ihr wenigstens nicht? Oder besteht, wie die Schwestern behaupten, zwischen den Lehren der Bücher und der Lehre der katholischen Kirche ein Widerspruch, ja oder nein? Wenn nicht, wäre Kritik höchst angebracht, die Bücher sollten bleiben und die Schwestern umdenken oder gehen. Wenn der Widerspruch hingegen besteht, dann sollten die Bücher „gegangen werden“, die Schwestern sollten eine Auszeichnung für mündige Wachsamkeit, Zivilcourage und Verantwortungsbewusstsein erhalten. Vor allem sollten sie bleiben! Es geht also nicht um „für oder gegen Aufklärung“, sondern um die Frage, wes Inhaltes die – von allen anerkannte – Aufklärung sein soll und wer dazu die Kompetenz besitzt.

Bei den Kritikern sind zwei Arten von Angriff denkbar:

  • Die einen, die behaupten, die Bücher seien ohnehin in Einklang mit kirchlicher Lehre,

  • die anderen, die den Widerspruch nicht bestreiten, aber die katholische Vision von der ehelichen, fruchtbaren Liebe verachten und den jungen Menschen statt dessen die Sex-ist-Spass-Ideologie beigebracht wissen wollen.

Was also steht in den Büchern wirklich?

II. Der Inhalt der Bücher

Für die „goldene Regel“ des Sexualverhaltens berufen sich die Autoren auf A. Comfort, einen bekannten Ideologen der „sexuellen Revolution“ mit den (an sich richtigen) Sätzen: „Du sollst die Gefühle eines Menschen nicht rücksichtslos ausnützen und ihn mutwillig enttäuschenden Erfahrungen aussetzen.“ Und: „Du sollst unter keinen Umständen fahrlässig die Zeugung eines unerwünschten Kindes riskieren.“[1] Nicht diese Regel ist schlimm, sondern das, was trotz ihr als moralisch gelten soll:

Sexuelle Kontakte vor und unabhängig von der Ehe, Verhütung, Selbstbefriedigung, Homosexualität werden „wertfrei“ genannt und beschrieben, die Begriffe „Ehe“ und „Familie“ kommen nur einmal vor[2]. Interessant auch der Vergleich der Sexualität bei Tier und Mensch: Bei höheren Tieren wird, sagen uns die Verfasser, das Sexualverhalten „vielfältiger“. Denn „Formen der Befriedigung des Geschlechtstriebes beim Menschen findet man bereits bei Menschenaffen: homosexuelle Kontakte, Selbstbefriedigung, Petting, das bedeutet sexuelles Spiel, Geschlechtsverkehr außerhalb der Fortpflanzungszeit.“[3] Das ist es also: Wenn Tiere sich menschenähnlich verhalten, benehmen sie sich homosexuell und befriedigen sich selbst – wie menschlich! Dass das auch „zoologisch“ falsch ist, sei nur am Rande angemerkt.

Ein anderer „Höhepunkt“ dieser „Aufklärung“ betrifft AIDS: Es ist die „bedrohlichste Krankheit“ viel „gefährlicher“ als andere Geschlechtskrankheiten – „aber sie ist kein Grund, Zärtlichkeit und Sexualität aus dem Weg zu gehen.“ Es genügt zu wissen, wie man sich „schützen“ kann und dass man „sorgsam“ mit dem Leben umgeht. Was das bedeutet, führt der Text nicht näher aus, dafür wird betont: Die Infektion kann „bei allen Formen des Geschlechtsverkehrs“ passieren.[4] Der ideologische Drang ist so stark, dass das Biologiebuch in diesem Fall sogar biologische Fakten verschweigt: Unerwähnt bleibt die deutlich erhöhte Gefahr bei homosexuellen Kontakten, die – angesichts der Todesgefahr! – unverantwortliche Mangelhaftigkeit aller „Schutzmittel“ und auch, dass der einzig wirklich wirksame Schutz vor AIDS Enthaltsamkeit und Treue sind.

Mit einem Wort: Alle Formen sexuellen Verhaltens sind in Ordnung, als „schwere Form der Störung“[5] ausgeschlossen werden lediglich sexuelle Gewalt in jeder Form, insbesondere Vergewaltigung und Kindesmissbrauch.

Kein Wort von Werten und Normen? Doch, aber das, was die Autoren unter „Normen“ verstehen, ist durch Welten getrennt von dem, was die jüdisch-christliche Tradition als „Gebote Gottes“ kennt: Normen, heißt es in den Büchern, sind „Spielregeln“, „die menschliches Leben und Zusammenleben überhaupt erst ermöglichen“, indem sie zur „Verhaltenssicherheit“ beitragen. Woher kommen die Normen? Aus der Gesellschaft, von der Familie, von einer „Clique“ oder von „Religionsgemeinschaften“, antwortet das Buch. Aber dabei rät es zur Vorsicht. Denn „in einer Gesellschaft, die sich fortwährend ändert, sind Normen, die heute sinnvoll sind, möglicherweise morgen schon wieder unsinnig. Normen müssen daher fortwährend daraufhin überprüft werden, ob sie dem Wohl des Menschen tatsächlich dienlich sind oder eher als überholte angst- und schulderzeugende ´Gesetze´ in Erscheinung treten.“[6] Es ist klar, wer diese Prüfung vorzunehmen hat, denn „der Mensch ist biologisch so ausgestattet, dass er seinen Sexualtrieb weitgehend eigenverantwortlich gestalten und sich dabei an persönlichen und gesellschaftlichen Wertvorstellungen ausrichten kann.“[7]

Man wird zugeben müssen: Auch noch das unbedeutendste staatliche Gesetz ist weit beeindruckender und verpflichtender als die in ihrer Verpflichtungskraft radikal kastrierten „Normen“, die von diesen Büchern den Jugendlichen zur „Orientierung“ geboten werden.

Was ist das Ergebnis dieser Untersuchung? Dass der von den Schwestern behauptete, radikale Widerspruch zwischen den Biologie-Büchern und der katholischen Lehre tatsächlich besteht. Daran ändert auch das Urteil des Bamberger Moraltheologen V. Eids (in der Kirchenzeitung von Bamberg) nichts, der einem dem beanstandeten Bücher (Band 10 – den anderen Band hat er offenbar nicht eingesehen) ein hervorragendes Zeugnis ausstellt. Es gibt nur drei Möglichkeiten der Erklärung: Entweder hat er das Buch nicht wirklich genau und kritisch gelesen, oder er sieht sehr wohl, wes Geistes Kind die Bücher bezüglich der Moral sind, traut sich aber nicht, sich der Wut der Kirchenfeinde auszusetzen, oder, und das wäre der traurigste Fall, er selbst hält die Ideologie der sexuellen Revolution für richtig. Schmeichelhaft ist keine der drei Möglichkeiten. Auch die Feststellung des emeritierten Theologen W. Beinert, dass eine leibfeindliche Einstellung zur Sexualität „nicht christlich“ sei, ist zwar richtig, aber in Verbindung mit Auerbach wird sie zur Unterstellung und zur Lüge, weil dem Hörer suggeriert wird: Die Schwestern sind leibfeindlich, die Bücher sind es nicht.[8]

Ebenso unbegreiflich ist die Stellungnahme von Schwester Maria Engl von den Armen Schulschwestern, Vorstandsmitglied (!) des Katholischen Schulwerkes in Bayern: Im Widerspruch zu den Fakten wirft sie den Auerbacher Schwestern vor, nicht der gesunden Lehre der Kirche zu entsprechen, und verweist zudem auf die „verpflichtenden“ Lehrpläne. Auch sie muss sich fragen lassen, ob sie die Bücher gelesen hat und ob sie eigentlich die Lehre der Kirche kennt. Weiß sie nicht, dass man im Konfliktfall Gott mehr gehorchen muss als Lehrplänen (und auch mehr als manchen Angestellten der Kirche, die, wie zu hören war, die Schwestern zwingen wollten, ihre Räume zur Verfügung zu stellen: damit die staatlich verordneten falschen, widerchristlichen Lehrstoff-Inhalte verbreitet werden können...).

Sind die Schwestern also verklemmt, weil sie sich weigern, diese Bücher zu benützen? Natürlich, in den Augen der Spaß-Gesellschaft, die den Sex für den schönsten aller Späße hält und mit ihrer Einstellung auf Seiten der Autoren jener Bücher steht, sind sie verklemmt. Aber dann sollte man dies auch den Bischöfen und dem Papst sagen, man sollte den Katechismus der Kirche verbieten und am besten die katholische Kirche als Ganze.

Denkende Gegner und denkende Vertreter der Kirche können in diesem Punkt nicht anders als einig sein: Der Inhalt der Bücher und die Lehre der Kirche in Fragen der Sexualmoral stehen in krassem Widerspruch, jedes Kind kann, schaut man sich die Textstellen nur wirklich an, das feststellen! Ein Atheist mag die Lehre der Kirche zur Sexualität für falsch halten, aber er müsste, aus logisch-ethischen Gründen, zugeben: Da der genannte Widerspruch besteht, sind die Schwestern vom katholischen Standpunkt aus betrachtet in ihrem Gewissen verpflichtet, zivilen Ungehorsam zu leisten.

III. Was ist Aufgabe des Staates?

Staatliche Gesetze sind wie Mauern, innerhalb derer die Freiheit der Bürger gedeihen soll. Die Freiheit braucht sie, aber es bedarf auch hoher geistiger Wachsamkeit, damit sie sich nicht unversehens in Gefängnismauern verwandeln! Diese Verwandlung ereignet sich immer dann, wenn man die gesetzgebende Vollmacht des Staates totalitär zu deuten anfängt: als ob der Staat das Recht hätte, alles und jedes zu bestimmen, bis hinein in die Gewissen und religiösen Überzeugungen seiner Bürger! Nein, der Staat soll tun, was des Staates ist, damit die Eltern die Freiheit haben zu tun, was Sache der Eltern ist! Aufgabe der Politiker ist es nicht nur, die Macht auszuüben, sondern ebenso ist es ihre Pflicht, die „eigene“ politische Macht zu beschränken – um der Freiheit der Menschen willen, denen der Staat zu dienen hat. Politiker sind diesbezüglich wie Hundeführer: Sie sollen ihren Hund trainieren, Verbrecher zu fassen, aber ebenso darauf achten, dass er friedliche Bürger nicht beißt.

Niemand soll sich täuschen lassen und glauben, bei der Freiheits-Beraubung der „Anderen“ ruhig zuschauen zu können! Wer heute meinem ungeliebten Nachbar die Freiheit nimmt, kann sie morgen auch mir rauben und – wie die Erfahrung zeigt – wird das früher oder später auch wirklich tun!

Niemand bezweifelt, dass der Staat das Recht hat, den Schulbesuch vorzuschreiben und auch die Inhalte, die gelehrt werden, festzulegen – aber auf der Grundlage jener Werte, auf denen der Staat unvermeidlich aufbaut und auf die er sich selbst durch das Grundgesetz verpflichtet hat.

Was Auerbach betrifft, braucht man das rechts-philosophische Rad nicht neu zu erfinden, es gibt es nämlich schon. Was hier zu sagen ist, steht im Gesetz: Das Grundgesetz der Bundesrepublik hat nämlich in Artikel 6 „das natürliche Recht der Eltern“ auf „Pflege und Erziehung der Kinder“ festgeschrieben. Artikel 2 des Ersten Zusatzprotokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention (MRK) präzisiert: „Der Staat hat bei Ausübung der von ihm auf dem Gebiete der Erziehung und des Unterrichts übernommenen Aufgaben das Recht der Eltern zu achten, die Erziehung und den Unterricht entsprechend ihren eigenen religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen sicherzustellen.“ Und weiter: Der „Ordensgestellungsvertrag zwischen dem Zweckverband Realschule Auerbach und dem Provinzialat der Kongregation der Schulschwestern von Unsere Liebe Frau“ vom 1. September 1998 legt in Paragraph 2 fest: „Die Vertragspartner sorgen dafür, daß der christliche Geist der Schule, welcher schon von der Kongregation an der klösterlichen Mädchenschule vermittelt wurde, erhalten bleibt.... Die Vertragsparteien werden Einflüsse, Bestrebungen oder ähnliches abwehren, die darauf abzielen, den christlichen Charakter der Schule zu beeinträchtigen.“ In Paragraph 1, Absatz 4 des Ordensgestellungsvertrages heißt es: „Die kirchenrechtlichen Bestimmungen jedweder Art bleiben von dieser Vereinbarung unberührt und sind von beiden Vertragsparteien zu beachten.“ Was sagt die kirchliche Lehre zum strittigen Punkt? „Familiaris consortio“ (Nr. 37) antwortet: „Die Geschlechtserziehung, Grundrecht und -pflicht der Eltern, muß immer unter ihrer sorgsamen Leitung erfolgen, sei es zu Hause, sei es in den von ihnen für ihre Kinder gewählten Bildungsstätten, deren Kontrolle ihnen zusteht. In diesem Sinne betont die Kirche das Prinzip der Subsidiarität, das die Schule beachten muß, wenn sie sich an der Geschlechtserziehung beteiligt; sie hat sich dabei vom gleichen Geist leiten zu lassen wie die Eltern... Deshalb wendet sich die Kirche entschieden gegen eine gewisse, vielfach verbreitete Art sexueller Information; losgelöst von sittlichen Grundsätzen, ist sie nichts anderes als eine Einführung in die Erfahrung des Vergnügens und ein Anreiz, der den Kindern – schon in den Jahren der Unschuld – ihre Unbefangenheit nimmt und den Weg des Lasters öffnet.“[9]

Aber sind es nicht gerade auch Eltern, die sich gegen den Unterricht der Schwestern stellen? Laut kirchlicher Lehre haben sie doch in diesen Fragen die erste Verantwortung, nicht die Schwestern in der Schule? Ja, die Eltern haben das Recht, ihre Kinder nicht-katholisch zu erziehen, aber sie haben nicht das Recht, katholische Schulträger zu zwingen, nicht-katholisch, also gegen ihre eigene Überzeugung, zu unterrichten. Zur Wahrung des Elternrechtes gibt es in diesem Fall nur ein Mittel: Die Kinder nicht in eine katholische Schule zu schicken.

Aus all dem folgt: Nicht nur das moralische Gesetz, auch das staatliche Recht steht auf Seiten der Schwestern. Strafbar und angreifbar wären sie nur dann, wenn sie das täten, was man von ihnen verlangt, das heißt also, wenn sie die in den Schulbüchern enthaltene, widerchristliche Unmoral lehren würden – nicht angreifbar sind sie aber, wenn sie tun, was ihre Pflicht ist: sich wehren und sich an die katholische Lehre halten.

IV. Gebote Gottes – Gesetze des Lebens

Ein Gesichtspunkt wurde noch nicht angesprochen: Es geht nicht nur um formale Rechte und darum, wer was bestimmt. Es geht um Kinder, es geht um junge Menschen, es geht um das Gelingen ihrer Liebe und damit ihres Lebens. Sexualaufklärung darf keine Spielwiese für ebenso unreife wie krankhaft auf „den Sex“ fixierte Ideologen sein. In der Tierzucht weiß man: Nicht artgerechte Haltung führt zu Krankheit und Tod des Tieres, auch wenn sie „gut gemeint“ sein sollte. Die Gebote Gottes und die Lehre der Kirche über Liebe, Ehe, Sexualität sind nichts anderes als eine Anleitung, mit unserer Geschlechtlichkeit richtig umzugehen: damit sie gelingt, menschengerecht. Leben gegen die Gebote Gottes führt ins Unglück, das sagt uns schon die jüdische Weisheit der Psalmen in allen Tonarten. Die Vergewaltigung unseres Mann- und Frauseins durch die 68er-Ideologen hat die Zahl derer, die zu ehelicher Liebe und zur Zurückstellung sexueller Wünsche unfähig sind, erschreckend ansteigen lassen. Der Kampf um eine katholische Aufklärung ist identisch mit dem Kampf um die Befähigung der jungen Generation zur Liebe.

V. Gewissensfreiheit für „Bücher-Verweigerer“

Würden die Schwestern irgendeine abstruse Einstellung vertreten, hätten die Eltern und auch der Staat ein Recht einzugreifen. Nun aber vertreten die Schwestern nichts anderes als das, was die Kirche, was die abendländische Tradition und viele andere Kulturen über Jahrhunderte hinweg für wahr und heilig gehalten haben – und das darf man im freien christlichen Bayern nicht mehr sagen? Wie steht es in Bayern mit der Gewissensfreiheit, hat der Salzburger Erzbischof G. Eder mit Recht gefragt. Während man die Berufung auf das Gewissen Wehrdienstverweigerern gestattet und sogar Abtreibern (was freilich pervers ist: Sich auf das Gewissen berufen, können sie ebenso wenig wie Terroristen auf Gott!), wird es den Schwestern verwehrt? Hat nicht neulich ein bayrisches Gericht jenem Lehrer recht gegeben, der das Kreuz unbedingt aus dem Klassenzimmer entfernt wissen wollte? Man vergleiche damit den zivilen Ungehorsam der Schwestern!

Meine Damen und Herrn in Staat und Kirche, gebt wenigstens Gewissensfreiheit und seid stolz darauf, dass es in Bayern mutige Schwestern gibt, die ihr Gewissen höher stellen als eure Vorschriften, gleichgültig, ob sie staatlicher oder kirchlicher Herkunft sind. Sogar wenn sich die Schwestern in dem oder jenen Punkt ungeschickt verhalten haben sollten: Schädlich für die Kinder und skandalös ist die Ideologie dieser Biologie-Bücher und die Entmündigung der Eltern durch den Staat, nicht das Verhalten der Schwestern. Wenn die Schwestern Verbündete der Talibans wären, müsste man sie für Taliban-Unterstützung zur Rechenschaft ziehen, ihnen aber gleichzeitig zubilligen, in der Schulbuchfrage richtig gehandelt zu haben. Thomas Morus hat einmal gesagt: Wenn mein Vater und der Teufel vor meinem Richterstuhl stünden und der Teufel hätte recht, ich würde sogar dem Teufel sein Recht geben – also erst recht den Schwestern.

Wir haben allen Grund, die mutige Treue der Schwestern zu Gott, zur Kirche und zu ihrem Gewissen zu bewundern. Hätten wir nur mehr Frauen und Männer, Laien, Bischöfe, Priester und Ordensleute von dieser Sorte, katholisch und mutig! Vielleicht sollten die Schwestern von Auerbach manches dazulernen, vielleicht gibt es Punkte, die sie korrigieren sollten: In dem Streit um die Schulbücher sind sie ohne den geringsten Zweifel im Recht.

 

 


 

 

[1] 10,7 (= Biologie 10. Reihe Realschule Bayern. Cornelsen Redaktionsgemeinschaft. Berlin 2000). Ähnlich auch 8,65.)

[2] 8,65 (= Biologie 8. Reihe Realschule Bayern. Cornelsen Redaktionsgemeinschaft. 1. Aufl. Berlin 1994)

[3] 10,8.

[4] 10,10.

[5] 8,66.

[6] 8,65.

[7] 10,9.

[8] Vgl. Kathpress-Info-Dienst 16.12.2001,11.

[9] Die Texte verdanke ich dem Leserbrief von W. Waldstein in der Tagespost vom 1.12.2001.