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Die Stunde des „Barmherzigen Jesus“ in Kirchen und Kathedralen
(25. April 2003)

Thomas Maria Fink/Erich Rimmel

Hinweis/Quelle: www.kirche-heute.de (2003); Votivmesse von der Barmherzigkeit Gottes (PDF / Word – Format)

Papst Johannes Paul II. hat angesichts der dramatischen Ereignisse unserer Tage zur Barmherzigkeit Gottes seine Zuflucht genommen. Ist nicht das Bild des „Barmherzigen Jesus“ ein Zeichen der Hoffnung für die Vielen, die unter der Bedrohung durch Gewalt und Terror leiden? Die Botschaften an die hl. Schwester Maria Faustyna Kowalska scheinen eine ganz neue Aktualität zu erlangen, wenn es um den Schutz von Familien und ganzen Städten geht.

Der Barmherzigkeitssonntag

Seit dem Heiligen Jahr 2000 begeht die Kirche den Weißen Sonntag weltweit als „Sonntag der göttlichen Barmherzigkeit“. Bei der jüngsten Überarbeitung des Messbuchs wurde zu diesem Titel auch ein eigenes Messformular aufgenommen: Missa votiva „De Dei Misericordia“ – Votivmesse „Von der Barmherzigkeit Gottes“.[1] Papst Johannes Paul II. kam mit dieser Entscheidung einem Wunsch nach, den Jesus am 22. Februar 1931, dem Fest „Kathedra Petri“, der hl. Ordensschwester Maria Faustyna Kowalska (1905–1938) übermittelt hatte.[2]

Friedensgebet für das Heilige Land

Dieses Jahr nun rief Johannes Paul II. den Sonntag der göttlichen Barmherzigkeit als Gebetstag für den Frieden im Heiligen Land aus. In einer einzigartigen Aktion forderte er über seinen Kardinalstaatssekretär Angelo Sodano alle Pfarreien und Gemeinschaften der Weltkirche auf, sich an diesem Gebet zu beteiligen und im gemeinsamen Anliegen an die Barmherzigkeit Gottes zu appellieren. Der Papst brachte damit das Gnadenangebot des „Barmherzigen Jesus“ auf höchster kirchlicher Ebene mit einem der drängendsten politischen Anliegen unserer Tage in Verbindung.

Letzter Rettungsanker für die Menschheit

Jesus hatte in seiner Botschaft an die ebenfalls im Jahr 2000 heiliggesprochene Schwester Maria Faustyna Kowalska angekündigt, dass sich die Welt durch Hass, Ungerechtigkeit und Unterdrückung mehr und mehr einem Abgrund nähere. Sie werde sich in so gewaltige Schwierigkeiten verstricken, dass es nach menschlichem Ermessen keinen Ausweg mehr gebe. Nur die barmherzige Liebe Gottes könne diese aussichtslose Lage zum Guten wenden. Das werde der Augenblick sein, in dem er sich als König der Barmherzigkeit offenbare. Wie es im Tagebuch der hl. Schwester Faustyna festgehalten ist, bezeichnete Jesus die Zuflucht zu seiner Barmherzigkeit wiederholt als „letzten Rettungsanker für die Menschheit“.

Der dramatische Appell des Papstes

An diesen Grundzug der Botschaft des barmherzigen Jesus erinnert der Aufruf des Papstes zum Friedensgebet für das Heilige Land. Er spricht einerseits von „einer für die Menschheit so schwierigen Stunde“ angesichts „der halsstarrigen Entschlossenheit, mit der man auf der einen wie auf der anderen Seite auf dem Weg der Vergeltung und Rache vorangeht“, ja von „einem unaufhaltsamen Abgleiten in unmenschliche Grausamkeit“, andererseits aber auch von der „Perspektive des vertrauensvollen Gebetes zu Gott, der allein die Herzen der Menschen, auch der verstocktesten unter ihnen, verwandeln kann“. Und er stellt die Frage: „Welcher Tag könnte geeigneter sein, zum Himmel einen vielstimmigen Ruf um Vergebung und Barmherzigkeit zu erheben, der von Gott ein besonderes Wirken bei jenen erfleht, die die Verantwortung und Macht haben, die notwendige, wenn auch mit Kosten verbundenen Maßnahmen zu ergreifen, damit die kämpfenden Parteien zu gerechten und würdevollen Vereinbarungen für alle Beteiligten gelangen?“

Der Papst baut auf den „Barmherzigen Jesus“

Ohne Scheu setzt der Papst ein Mittel zur Lösung weltpolitischer Probleme ein, das seine Wurzeln in einer mystischen Frömmigkeit hat. Ein solcher Schritt erfordert ein kindliches Vertrauen in die Worte Jesu, die er durch eine einfache Ordensschwester an die ganze Welt gerichtet hat. Es darf dabei als Fügung betrachtet werden, dass Johannes Paul II. vor seiner Wahl zum Papst den Fall der übernatürlichen Erlebnisse von Schwester Faustyna geprüft und nach jahrzehntelanger intensiver Beschäftigung mit der Materie zur kirchlichen Anerkennung geführt hat. So erklärte er auch bei seinem Amtsantritt, sein Pontifikat solle ein großer Lobpreis auf die Barmherzigkeit Gottes werden. Dieses Programm unterstrich er durch die Enzyklika „Dives in misericordia Deus“ – „Reich ist Gott an Barmherzigkeit“.

Das Bild des „Barmherzigen Jesus“

Dem Wunsch nach einem eigenen Fest der göttlichen Barmherzigkeit ging eigentlich ein anderer voraus: „Male ein Bild, nach dem, das du siehst, mit der Unterschrift: ,Jesus, ich vertraue auf Dich.’ Ich wünsche, dass dieses Bild verehrt wird, zuerst in eurer Kapelle, dann auf der ganzen Welt. Ich verspreche, dass jene Seele, die dieses Bild verehrt, nicht verloren geht. Ich verspreche auch, hier schon auf Erden, den Sieg über Feinde, besonders in der Stunde des Todes. Ich selbst werde sie verteidigen, wie meine Ehre.“[3] Wie die Botschaften der göttlichen Barmherzigkeit von Schwester Faustyna auf der Herz-Jesu-Verehrung der hl. Margaretha Maria Alacoque (1647–1690) aufbauen, so steht auch das Bild des „Barmherzigen Jesus“ in dieser Tradition. Die neunte der bekannten „Zwölf Verheißungen des Herzens Jesu“ lautet dort: „Ich werde selbst die Häuser segnen, in denen ein Bild meines heiligsten Herzens aufgestellt und verehrt wird.“[4]

Die Verschonung von Wilna

Immer wieder hörte die hl. Schwester Faustyna die Worte: „Ich wünsche, dass dieses Bild öffentlich verehrt wird.“ Zum Weißen Sonntag 1935 wurde das Bild in der Ostra Brama, dem berühmten Marienheiligtum von Wilna, ausgestellt. Dazu lesen wir im Tagebuch: „Als das Bild ausgestellt worden war, sah ich eine lebendige Bewegung der Hand Jesu; er machte ein großes Kreuzzeichen. Am gleichen Abend, als ich mich zur Ruhe gelegt hatte, sah ich, wie das Bild über der Stadt ging. Die Stadt war mit Schlingen und Fangnetzen bestückt. Als Jesus vorüberging, durchschnitt Er alle Schlingen und zeichnete am Ende ein großes Kreuz und entschwand. Ich sah mich inmitten vieler boshafter Gestalten, die mir großen Hass entgegensprühten. Aus ihrem Mund kamen verschiedene Drohungen, doch keine von ihnen berührte mich.“[5] Tatsächlich blieb die Stadt Wilna im Zweiten Weltkrieg verschont, ebenso Krakau. Das waren die einzigen Städte, in denen damals das Bild des „Barmherzigen Jesus“ zur öffentlichen Verehrung ausgestellt war.

Reaktion der polnischen Bischöfe

Als die polnischen Bischöfe nach dem Zweiten Weltkrieg die Zerstörungen ihres Landes betrachteten, gelangten sie zu der Überzeugung, dass die wunderbare Verschonung der beiden Städte Krakau und Wilna mit der öffentlichen Verehrung des Bildes vom „Barmherzigen Jesus“ zusammenhängt. Sie erkannten, dass das Versprechen Jesu für ganze Städte in Erfüllung gegangen ist. Jesus hatte sie verteidigt wie seine eigene Ehre. Überwältigt von dieser Erfahrung ordneten die Bischöfe an, das Bild in allen Kapellen und Kirchen des Landes anzubringen. Zwar musste diese Anordnung aufgrund eines Konflikts mit der Glaubenskongregation in Rom Anfang der 60er Jahre wieder rückgängig gemacht werden, doch als die entstandenen Missverständnisse 1978 ausgeräumt waren und das Verbot sogar einer römischen Empfehlung wich, trat das Bild seinen Siegeszug über die Grenzen Polens hinaus auf der ganzen Welt an.

Weltweite Bedrohung durch den Terror

Uns beschäftigt im Augenblick neben dem Konflikt im Heiligen Land die weltweite Bedrohung durch Terroranschläge. Im Zug des 11. Septembers sind ganze Städte wie New York regelrecht traumatisiert und leben in der Angst vor noch viel schlimmeren Anschlägen, die beispielsweise ganz Manhattan auslöschen könnten. Ähnliches hat der Versuch deutlich gemacht, das Öllager bei Tel Aviv in Brand zu stecken. Wie schnell hätte es Zehntausende von Opfern gegeben? Oder denken wir an den schwelenden Kaschmirkonflikt, der sich zu einem Atomkrieg ausweiten und zudem vom internationalen Netz islamischer Fundamentalisten für ihre Zwecke missbraucht werden könnte. Die Menschheit spürt, dass wir nirgends mehr auf der Welt vor der Bedrohung durch Terror und Gewalt sicher sind.

Hoffnung für alle Menschen

Hat uns nicht der Papst mit seinem Aufruf zum Friedensgebet bewusst am Barmherzigkeitssonntag ein Beispiel gegeben? Dürfen wir uns nicht ebenso mit kindlichem Vertrauen auch an die Verheißungen halten, die mit dem Bild des „Barmherzigen Jesus“ verbunden sind? Ist es zu banal, die Menschen in ihrer Angst auf das Versprechen des „Barmherzigen Jesus“ zu verweisen? Ist es nicht vielmehr angezeigt, den vom Himmel angebotenen Rettungsanker für die Menschheit zu ergreifen? Der Rettungsanker ist nicht das Bild selbst. Das wäre eine verhängnisvolle, ja sogar magische Vereinseitigung. Der Rettungsanker ist allein die Barmherzigkeit Gottes. Und nur durch ein echtes Vertrauen ebnen wir der barmherzigen Liebe den Weg. In diesem Sinn ist auch die von Jesus selbst gewünschte Bildunterschrift zu verstehen: „Jesus, ich vertraue auf Dich!“ So ist das Bild mit dem gütigen Blick Jesu und seinem geöffneten Herzen zunächst eine Hilfe, seine Aufmerksamkeit auf die Barmherzigkeit Gottes zu richten und sein Vertrauen auf sie zu setzen. Darüber hinaus will Gott, dass wir Menschen eindeutig erkennen, woher unsere Rettung kommt. Nur so können wir ihm anschließend für seine barmherzige Liebe entsprechend danken. Deshalb gibt er uns die äußeren Zeichen und verbindet deren Annahme mit göttlichen Verheißungen. Wer sich darauf einlässt und die versprochenen Gnaden empfängt, wird dadurch die Macht seiner Barmherzigkeit entdecken und tiefer in das Geheimnis seiner Liebe eindringen.

Die Stunde des „Barmherzigen Jesus“ in Kirchen und Kathedralen

Ein sichtbares Zeichen war der gemeinsame Gebetstag am Sonntag der göttlichen Barmherzigkeit. Dieses Zeichen könnte eine Fortführung in der häufigen Feier der „Votivmesse von der Barmherzigkeit Gottes“ finden. Aufs Engste damit verbunden ist eben das Bild des „Barmherzigen Jesus“. Das Bild soll nicht nur unter die Gläubigen verteilt werden und in die private Frömmigkeit Eingang finden. Ausdrücklich fordert Jesus dazu auf, dass es zur öffentlichen Verehrung ausgestellt wird. Durch den Öffentlichkeitscharakter kann sich Jesus auf ganz besondere Weise als König der Barmherzigkeit kundtun und den Vater in seiner barmherzigen Liebe verherrlichen. So hat es eine tiefe Bedeutung, wenn beispielsweise ein Bischof das Bild in seine Bischofskirche aufnimmt. Er handelt damit gleichsam im Namen seiner Stadt und seiner ganzen Diözese. Dasselbe gilt für Pfarreien mit ihren Verantwortungsträgern und im Sinn einer „Kirche im Kleinen“ für Wohnungen und Häuser. Wenn sich die Verantwortlichen dafür entscheiden und dem Bild des „Barmherzigen Jesus“ Einlass in ihre Häuser, Kirchen und Kathedralen gewähren, dann wird der Herr sein Versprechen wahr machen und die vertretenen Gemeinschaften „wie seine eigene Ehre gegen ihre Feinde verteidigen“.

Dürfen wir uns der Brisanz dieser Zusage in der Zeit des wachsenden Terrors einfach entziehen? Einmal unterstrich Jesus der hl. Schwester Faustyna gegenüber die Bedeutung des Bildes mit folgenden Worten: „Sei dir bewusst, wenn du die Sache mit dem Malen des Bildes vernachlässigst und das ganze Werk der Barmherzigkeit, wirst du am Tage des Gerichts für eine große Zahl von Seelen Rechenschaft ablegen müssen.“

 

 


 

[1] Vgl. notitiae – Congregatio de Cultu Divino et Disciplina Sacramentorum, Nr. 339, Oktober 1994, S. 529ff.

[2] Vgl. „Tagebuch der Schwester Maria Faustyna Kowalska“, Parvis-Verlag 2. Auflage 1991.

[3] Vgl. Tagebuch, S. 26, Nr. 47f.

[4] Vgl. Paul Haider, Herz-Jesu- und Marien-Büchlein, Verlag Steiger 2000, S. 90.

[5] S. 157, Nr. 416.