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Die Botschaft von Fatima als Aufruf zur Bekehrung[1]
(2007)

Josef Spindelböck

Hinweis/Quelle: Theologisches 37 (2007) 195–200

Vor 90 Jahren – jeweils am 13. der Monate Mai bis Oktober des Jahres 1917 – erschien im portugiesischen Ort Fatima die heilige Gottesmutter Maria drei Kindern und überbrachte durch sie der ganzen Welt eine Botschaft des Himmels zur Bekehrung und Rettung der Seelen.[2]

Die drei Seherkinder Lúcia dos Santos, Jacinta und Francisco Marto wurden entsprechend ihrer Auffassungsgabe von Gott durch die Erscheinungen der heiligen Jungfrau Maria in den Glauben eingeführt. Auf diese Weise verwirklichten sich die Worte der Gottesmutter im Magnifikat, dass Gott die Niedrigen erhöht (vgl. Lk 1,52) und jene zerstreut, die stolzen Sinnes sind (vgl. Lk 1,51), denn als die Kinder diese einfache und doch so erhabene Botschaft im Auftrag der Gottesmutter an die Menschen weitergaben, da war es für sie nicht leicht, bei den Angesehenen und Gebildeten, bei den Mächtigen und bei den von sich selbst Eingenommenen Glauben zu finden. Es bedurfte der ganzen Serie von Erscheinungen, verbunden mit wunderbaren Ereignissen wie zuletzt dem Sonnenwunder und zahlreichen Gnadenerweisen, sowie schließlich der kirchlichen Anerkennung, dass diese Botschaft von Fatima zur vollen Entfaltung ihrer Wirksamkeit kommen konnte.[3]

90 Jahre danach kann man fragen: Was haben die Menschen von der Botschaft der Jungfrau und Gottesmutter Maria begriffen? Wie sind sie eingegangen auf ihre eindringlichen Bitten nach dem Gebet des Rosenkranzes, nach Umkehr, nach Erneuerung des Lebens aus dem Glauben? Die Antwort muss naturgemäß verschieden ausfallen, denn in der Ordnung der Gnade gibt es keinen Automatismus. Jeder Mensch ist frei und soll in Freiheit sein Ja zu Gottes Plan der Erlösung geben.[4] Und so ist auch die Botschaft von Fatima, die im Wesen nichts anderes sein will als eine Kurzfassung und eine Erinnerung an das Evangelium[5], auf jeweils verschiedenen Boden gefallen und hat auf verschiedene Weise Frucht gebracht (vgl. Mt 13,1–9.18–23). Die eigentliche Frucht der Heiligkeit hat sie zuerst in den Seherkindern selbst hervorgebracht, wenn bewusst gemacht wird, dass Jacinta und Francisco Marto am 13. Mai 2000 von Papst Johannes Paul II. seliggesprochen worden sind.[6] Bei Lúcia dos Santos konnte dies aus zeitlichen Gründen noch nicht geschehen, da sie erst vor zwei Jahren, am 13. Februar 2005, im hohen Alter von 98 Jahren verstorben ist.

Vielleicht überraschen die Strenge und die Konsequenz, mit der sich die drei „Fatima-Kinder“ den Aufruf der Gottesmutter Maria zu Gebet und stellvertretender Buße für die Bekehrung der Sünder und für den Frieden in der Welt zu Eigen gemacht haben. Dies ist nicht mit natürlichen Gründen zu erklären, und auch die schockierende Höllenvision des Juli 1917 vermag nicht den ausreichenden Grund dafür abzugeben. Der eigentliche Grund für ein solches Übermaß an Opfer und Hingabe des Gebetes, das diese Kinder auf sich genommen haben, war die Macht der Liebe, welche sie in ihrem Herzen ergriffen hatte und sie zu jedem von Gott gewollten Opfer befähigte.[7] Gott selbst hatte ihnen durch seine heilige Mutter Maria gezeigt, wie gut er ist und wie groß er den Menschen erschaffen hat und zu welch hohem Ziel er den Menschen erwählt hat. Von daher wurde den Kindern die Unheilsmacht der Sünde in besonderer Weise aufgezeigt und bewusst gemacht, was die Menschen von Gott trennt. Was war dann naheliegender, als dass sich die Kinder zu jedem Opfer bereit erklärten, um in geheimnisvoller Solidarität der Liebe mitzuwirken an der Rettung der Seelen? Soweit es von ihnen abhängen würde, sollte kein Mensch für ewig verloren gehen! Sie hatten den Wert der Ewigkeit begriffen und erkannt, dass es letztlich nur darauf ankommt, in der Liebe Gottes zu leben und zu sterben. Wenn dies garantiert ist, findet der Mensch sein letztes Glück, seine Seligkeit. Wenn Gottes Gebote befolgt werden, welche stets Gebote der Liebe sind, dann wird auch Frieden werden auf Erden.

Diese heilsgeschichtlichen Zusammenhänge, welche sich im Leben der drei Seherkinder exemplarisch verwirklicht haben, werden auch im Lauf der Welt- und Kirchengeschichte der vergangen 90 Jahre sichtbar: Zwei Weltkriege haben unsägliches Unheil bewirkt; der Kommunismus hat seine Irrtümer tatsächlich über die Welt verbreitet, bevor er überraschend in vielen Ländern zusammengebrochen ist und doch noch nicht endgültig überwunden scheint. Materialismus und Gottlosigkeit sind auch im Westen für viele prägend geworden, und der offene und auch schleichend-verborgene Abfall vieler Menschen von Gott haben noch kein Ende gefunden. Die Kirche wurde verfolgt, der jeweilige Heilige Vater musste viel leiden und hat auch jetzt große Sorgen zu tragen. Angesichts dieser Negativbilanz, die nur schlagwortartig so manche Entwicklung benennen kann, könnte man – rein menschlich gesprochen – aufgeben und in Mutlosigkeit und Verzweiflung zurücksinken. Genau dies aber ist nicht der Sinn der Botschaft von Fatima!

Fatima ist vielmehr ein Aufruf zur Bekehrung und zum Gebet, um all das viele Unheil, welches die Menschen als Folge der Sünden heimsucht, abzuwenden und Gott anzurufen, dass er sich seines Volkes erbarmen möge. Und Gott, der die Herzen kennt, weiß, wie viel Gutes tatsächlich durch so viele stille Beter und opferbereite Menschen in den letzten Jahren und Jahrzehnten geschehen ist und in der Zukunft noch weiter geschehen wird. Jesus Christus wirkt machtvoll auch in unserer Zeit, und der Arm des Herrn ist nicht verkürzt, sondern Gott schenkt Gnade in reichem Maß in den Herzen der Menschen. Erst in der Ewigkeit wird gleichsam die Frucht alles Betens und Opferns offenbar werden: Wie viele Menschen sich zu Gott bekehrt haben, wie viele Menschen neu zum Glauben gefunden haben und auf diese Weise ihr Heil erlangt haben, weil andere für sie gebetet und geopfert haben![8]

Letztlich ist es aber nie menschliche Kraft, welche die Rettung und das Heil bewirken kann: Vielmehr ist es das Erlösungsopfer des Herrn, welches er am Kreuz dargebracht hat und das auf den Altären vergegenwärtigt wird, wenn der Priester in der Person Christi das heilige Messopfer feiern darf.[9] Die Kirche verkündet den Tod des Herrn und seine Auferstehung und erwartet die ewige Vollendung bei der Wiederkunft des Herrn.

Die Gottesmutter Maria ruft also durch die Seherkinder mit der ganzen Kraft und Innigkeit ihrer mütterlichen Liebe die Menschen dazu auf, ihr Leben in Dankbarkeit als Geschenk Gottes anzunehmen und zu einer Gabe der Liebe für viele zu machen. So wie Maria als Jungfrau und Gottesmutter auf Erden dem Heilsplan Gottes treu gedient hat, indem sie geglaubt, gebetet, geopfert und im Herzen gelitten hat, sollen auch die einzelnen Christen in Einheit mit ihr ihre Herzen Gott in Liebe darbringen, damit möglichst viele Menschen gerettet werden.

Weil die heilige Gottesmutter Maria in einzigartiger Weise mit Gott verbunden ist, erträgt es ihr mütterliches Herz nicht, dass Gott so sehr und so viel von den Sünden der Menschen beleidigt wird. Sie erträgt es nicht, dass Seelen verlorengehen, für die ihr Sohn Jesus Christus sein kostbares Blut vergossen hat. Sie erträgt es nicht, wenn die Guten gleichgültig sind und lau, und fleht darum von Herzen alle an, umzukehren und endlich zu beginnen, mit Gottes Gnade nach Heiligkeit zu streben. Die Liebe Christi drängt die himmlische Mutter, in Fatima und an vielen anderen kirchlich anerkannten Erscheinungsorten die Botschaft der Umkehr und der Hinwendung zu Gott zu verkünden. Wer ein Herz hat, wird wir die Bitte der Gottesmutter nicht überhören, sondern sich bemühen, ihr nach Kräften zu entsprechen. Dann wird Gott – wie es in Fatima verheißen ist – die Tage der Menschen segnen und ihnen seinen Frieden und seine Liebe in Fülle schenken.

 


[1] Die folgenden Überlegungen gehen zurück auf eine Fatimapredigt, welche der Verfasser am 5. Mai 2007 in der Peterskirche in Wien anlässlich des „62. Marianischen Sturmgebetes“ gehalten hat.

[2] Zur Dokumentation der Ereignisse in Fatima vgl. L. Gonzaga da Fonseca, Maria spricht zur Welt, Freiburg 198218; Adolf Fugel / Georges Inglin, Fatima in Wort und Bild. 90 Jahre Weg einer Botschaft des Himmels (1917–2007), Aadorf 2007.

[3] Vgl. als vorläufig abschließendes lehrmäßiges Dokument der kirchlichen Anerkennung im Hinblick auf die Veröffentlichung des sog. „Dritten Geheimnisses von Fatima“: Kongregation für die Glaubenslehre, Die Botschaft von Fatima, 13. Mai 2000 (Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls, hg. vom Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz, Nr. 147).

[4] „Er hat am Anfang den Menschen erschaffen und ihn der Macht der eigenen Entscheidung überlassen.“ – Sir 15,14. Der Mensch soll „seinen Schöpfer aus eigenem Entscheid suche(n) und frei zur vollen und seligen Vollendung in Einheit mit Gott gelange(n) [ita ut Creatorem suum sponte quaerat et libere ad plenam et beatam perfectionem ei inhaerendo perveniat].“ – 2. Vatikanisches Konzil, Pastorales Konstitution über die Kirche in der Welt von heute „Gaudium et spes“, Nr. 17, lat. in: AAS 58 (1966) 1037.

[5] Zum theologischen Stellenwert von sog. Privatoffenbarungen vgl. Leo Scheffczyk, Privatoffenbarungen, in: Remigius Bäumer / Leo Scheffczyk (Hg.), Marienlexikon, Bd 5, St. Ottilien 1993, Sp. 318–320. Dort heißt es, dass Privatoffenbarungen „nicht zum depositum fidei gehören und auch nicht als dessen Ergänzung oder Ausweitung verstanden werden können“ (319); mit der kirchlichen Anerkennung „übernimmt die Kirche nicht die Bürgschaft für den göttlichen Ursprung der Privatoffenbarungen. Die Anerkennung oder Approbation durch die Kirche besagt nur, dass solche Kundgaben nichts gegen den Glauben und die Sitten Gerichtetes enthalten und ohne Gefahr genutzt werden können“ (ebd.). Bereits Karl Rahner hatte angemerkt: „Privatoffenbarungen sind in ihrem Wesen ein Imperativ, wie in einer bestimmten geschichtlichen Situation von der Christenheit gehandelt werden soll.“ Sie seien in ihrem Wesen „keine neuen Behauptungen, sondern ein Befehl.“ – Karl Rahner, Visionen und Prophezeiungen (Quaestiones Disputatae 4), Freiburg im Breisgau, 19582, 27.

[6] Johannes Paul II., Predigt zur Seligsprechung von Jacinta und Francisco Marto am 13. Mai 2000, in: L’Osservatore Romano. Wochenausgabe in deutscher Sprache, 19. Mai 2000, S.1 und 6.

[7] Die Jungfrau Maria fragte die Kinder bei der ersten Erscheinung am 13. Mai 1917 ausdrücklich: „Wollt ihr euch Gott darbieten, um alle Leiden zu ertragen, die Er euch schicken wird, zur Sühne für die Sünden, durch die Er beleidigt wird und als Bitte um die Bekehrung der Sünder?“ Die Antwort der Kinder war ein freudiges: „Ja, wir wollen es!“, worauf die Gottesmutter sagte: „Ihr werdet also viel leiden müssen, aber die Gnade Gottes wird eure Stärke sein!“ Vgl. Fugel / Inglin, a.a.O., 108.

[8] Pius XII. hatte diese heilsdramatische Sichtweise in der Enzyklika „Mystici Corporis“ vom 29. Juni 1943 so formuliert: „Während Er nämlich am Kreuze starb, hat Er den unermesslichen Schatz der Erlösung seiner Kirche vermacht, ohne dass sie ihrerseits dazu beitrug. Wo es sich aber darum handelt, den Schatz auszuteilen, lässt Er seine unbefleckte Braut an diesem Werke der Heiligung nicht nur teilnehmen, sondern will, dass dies sogar in gewissem Sinne durch ihre Tätigkeit bewirkt werde. Ein wahrhaft schaudererregendes Mysterium [Tremendum sane mysterium], das man niemals genug betrachten kann: dass nämlich das Heil vieler abhängig ist von den Gebeten und freiwilligen Bußübungen der Glieder des geheimnisvollen Leibes Jesu Christi, die sie zu diesem Zweck auf sich nehmen; und von der Mitwirkung, die die Hirten und Gläubigen, besonders die Familienväter und -mütter, unserem göttlichen Erlöser zu leisten haben.“ Dt. zitiert nach: W. Jussen (Hg.), Gerechtigkeit schafft Frieden. Reden und Enzykliken des Heiligen Vaters Papst Pius XII., Hamburg 1946, Nr. 453, S.301; lat. in: AAS 35 (1943) 213.

[9] Bei dieser Gelegenheit darf an folgende lehramtliche Aussage im feierlichen Glaubensbekenntnis Pauls VI. erinnert werden: „Wir glauben, dass die Messe, die vom Priester kraft der durch das Weihesakrament empfangenen Gewalt in der Person Christi gefeiert und von ihm im Namen Christi und der Glieder seines mystischen Leibes dargebracht wird, in Wahrheit das Opfer von Kalvaria ist, das auf unseren Altären sakramental gegenwärtig wird. [Nos credimus Missam, quae a sacerdote in persona Christi, vi potestatis per sacramentum Ordinis receptae, celebratur, quaeque ab eo Christi et membrorum eius mystici Corporis nomine offertur, revera esse Calvariae Sacrificium, quod nostris in altaribus sacramentaliter praesens efficitur.]“ – Paul VI., Sollemnis professio fidei, 30. Juni 1968, in: AAS 60 (1968) 437–445, hier 442, dt. in: Ferdinand Holböck, Credimus. Kommentar zum Credo Pauls VI., Salzburg 19702, 37.