Predigt:
6. Sonntag der Osterzeit C (16.05.2004)
L1: Apg 15,1-2.22-29; L2: Offb 21,10-14.22-23; Ev: Joh 14,23-29
Josef Spindelböck
Liebe Brüder und Schwestern im Herrn!
Die gegenwärtige Zeitsituation ist geprägt und gekennzeichnet von einer Vielfalt von Meinungen, Überzeugungen und unterschiedlichen Verhaltensweisen. Dies gilt im Kleinen wie im Großen. Oft läuft dies in geordneten Bahnen ab; vielfach aber kommt es auch zu Konflikten und Spannungen, ja zu gewaltsamen Auseinandersetzungen und Kriegen.
Viele wissen nicht recht, was denn nun wahr ist und was wirklich gilt. Es besteht eine große Orientierungslosigkeit, vor allem in Fragen des sittlichen Lebens und auch des Glaubens. Auf dem Markt der Beliebigkeiten kann sich jeder seine Weise des Lebens zusammenstellen, gleichsam seinen eigenen religiösen Cocktail brauen und seinen eigenen Mix bereiten. So denken viele und meinen damit gut zu fahren. Die postmoderne Beliebigkeit führt aber auch zur Erfahrung der inneren Leere und der Sinnkrise, weil man das Gefühl hat, es gäbe nichts, woran wir uns noch anhalten und orientieren könnten.
Uns, liebe Brüder und Schwestern, ist der Glaube an Gott geschenkt! Hier ist tatsächlich ein Leuchtturm errichtet, der unserem Leben die Richtung weist, ihm Sinn und Ziel gibt. Der Glaube an Gott, an seine Liebe, Allmacht und Gerechtigkeit, an seine Gnadenführung und Vorsehung ist so kostbar und wertvoll, dass wir ihn um nichts in der Welt verlieren dürfen. Er muss uns mehr bedeuten als jedes materielle Gut, mehr sogar als Ansehen, Macht und Einfluss in dieser Welt. Der Glaube gibt uns Halt und Orientierung, er schenkt uns Kraft. Wenn das Haus unseres Lebens auf diesen Felsen des Glaubens gebaut ist, dann werden wir nicht zugrunde gehen!
Unser Herr Jesus Christus hat trostvolle Worte gefunden, als er seine Apostel auf den Abschied vorbereitet hat. Er sagte, dass sie nicht allein gelassen sein werden, denn: „Der Beistand aber, der Heilige Geist, den der Vater in meinem Namen senden wird, der wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe.“ Nur mehr zwei Wochen trennen uns von Pfingsten, dem Fest des Heiligen Geistes.
Wir glauben daran, und die Kirche hat es in fast 2000 Jahren vielfach erfahren, dass der auferstandene Herr durch seinen Heiligen Geist bei uns geblieben ist. In der Kirche Gottes gab es schon viele Stürme und Verwirrungen. All das vermochte das Licht des Glaubens nicht auszulöschen. Der Heilige Geist hält die Erinnerung an die Worte des Herrn in seiner Kirche wach. Er gibt den Hirten und Gläubigen das rechte Verständnis und führt sie in alle Wahrheit ein. So geht die Kirche ihren Weg durch die Zeit. Wie ein Schiff auf dem Ozean, so wird sie gut durch den Lauf der Zeiten geleitet, der ewigen Heimat entgegen!
Eine besondere Art und Weise, Verbindlichkeiten des Glaubens zu klären und festzustellen, wird auf einem allgemeinen Konzil verwirklicht. Das Konzil ist die Versammlung der Bischöfe unter der Leitung des Papstes, der ein Konzil einberuft, ihm vorsteht und seine Beschlüsse bestätigt, damit sie Rechtskraft erlangen. Wenn die Konzilsväter über Fragen des Glaubens und der Sitten beraten und dabei endgültige Entscheidungen treffen, so ist ihnen auf unfehlbare Weise der Beistand des Heiligen Geistes geschenkt. Dieser lässt es nicht zu, dass seine Kirche in den Fragen des Glaubens und des sittlichen Lebens in die Irre geht.
Das erste Konzil war das Apostelkonzil in Jerusalem, von dem die heutige Lesung berichtet. Es war damals eine Streitfrage und ein Grund für Auseinandersetzungen, ob man die neu bekehrten Menschen aus dem Heidentum auf das jüdische Gesetz verpflichten solle. Insbesondere ging es darum, ob die Beschneidung nötig sei. Hier entschieden die Apostel, erleuchtet durch den Geist Gottes, dass man ihnen „keine weitere Last“ auferlegen wolle „als diese notwendigen Dinge: Götzenopferfleisch, Blut, Ersticktes und Unzucht zu meiden.“ (Apg 15,28–29)
Dies war im damaligen historischen Kontext der beginnenden Abgrenzung der christlichen Glaubensgemeinschaft vom Judentum die einzig richtige Antwort. Entscheidend und rettend ist der Glaube an Jesus Christus. Das alttestamentliche Heilszeichen der Beschneidung hat ausgedient; es war eine Vorbereitung und ein Hinweis auf das Bad der Wiedergeburt im Heiligen Geist, auf die Taufe. Götzenopferfleisch, Blut und Ersticktes sollten deshalb nicht zu sich genommen werden, um unnötiges Ärgernis zu vermeiden. An sich gibt es vor Gott keine Speisen, die unrein sind. Unzucht ist auch unter Christen jedenfalls zu meiden. Darunter versteht man jede sexuelle Betätigung außerhalb der rechtmäßigen Ehe von Mann und Frau – also Ehebruch, vor- und außereheliche sexuelle Gemeinschaft, homosexuelle Akte, Blutschande und Prostitution – sowie jede Art von sexueller Zügellosigkeit. In besonderer Weise waren damals auch bestimmte eheliche Verbindungen zwischen Verwandten gemeint, die gemäß jüdischem Gesetz ausgeschlossen waren, woran sich die Christen deshalb halten sollten, um kein Ärgernis zu geben und die Tischgemeinschaft mit Judenchristen möglich zu machen.
Seitdem hat es in der Kirche insgesamt 21 Ökumenische Konzilien gegeben, deren letztes das 2. Vatikanische Konzil (1962–1965) war. Als so genanntes „Pastoralkonzil“ setzte es sich die Aufgabe, die Glaubenslehre auf die besonderen Erfordernisse unserer Zeit anzuwenden. Den Schatz der göttlichen Offenbarung hat auch dieses Konzil bewahrt und ausgelegt. Wir dürfen darauf vertrauen, dass uns Gott allezeit auf den Wegen der Wahrheit und des Lebens leitet, wenn wir mit seiner Kirche verbunden bleiben.
Bitten wir die heilige Jungfrau und Gottesmutter Maria darum, dass wir offen sind für die Einsprechungen und Anregungen des Heiligen Geistes. Er möchte unser Herz mit der Liebe zu Gott und zu den Menschen entflammen und auf guten Wegen geleiten – der ewigen Heimat bei Gott entgegen. Amen
