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Predigt:

Die Gerechtigkeit vor Gott

30. Sonntag im Jahreskreis C (27.10.2013)

L1: Sir 35,15b-17.20-22a; L2: 2 Tim 4,6-8.16-18; Ev: Lk 18,9-14


Josef Spindelböck

Liebe Brüder und Schwestern im Herrn!

Wir alle freuen uns, wenn wir von anderen Menschen geachtet und anerkannt werden. Wir erwarten uns auch eine möglichst gerechte Einschätzung unserer Person durch andere: Werden wir ungerecht beschuldigt oder verdächtigt, kränken wir uns; wir sind in unserer Ehre verletzt. Werden wir über die Maßen gelobt, ist uns das auch nicht recht: Denn auch so fühlen wir uns nicht wirklich ernst genommen!

Die Lesungen und das Evangelium dieses Sonntags zeigen uns, wie wir mit diesen Erfahrungen umgehen sollen und worauf es wirklich ankommt. Denn was im letzten zählt ist nicht, wie wir in den Augen unserer Mitmenschen dastehen, sondern wie wir vor Gott – dem Gerechten und zugleich Barmherzigen – bestehen können.

Die Lesung aus dem Buch Jesus Sirach sagt es ganz klar: „Der Herr ist der Gott des Rechts, bei ihm gibt es keine Begünstigung.“ Niemand kann Gott etwas vormachen; er weiß und durchschaut alles. Vor Gott gilt der Mensch so, wie er wirklich ist. So nimmt sich der Herr besonders jener an, die auf Erden benachteiligt und in Not sind, denen hier keine oder zu wenig Gerechtigkeit widerfährt. Gott schafft dem Bedrängten und Armen sein Recht.

Die Lesung aus dem zweiten Brief des Apostels Paulus an Timotheus spricht ebenfalls von der Hoffnung auf Gott den Herrn. Der Apostel hat „den guten Kampf gekämpft, den Lauf vollendet, die Treue gehalten.“ Paulus sieht seinen Tod voraus; die Zeit seines Aufbruchs zu Gott ist nahe. Er ist voll Zuversicht, denn: „Der Herr wird mich allem Bösen entreißen, er wird mich retten und in sein himmlisches Reich führen.“ Auf die Hilfe Gottes also kommt es an; auf ihn dürfen auch wir bauen und vertrauen!

Im Evangelium schließlich geht es um die Situation zweier Menschen, die je auf ihre Weise im Gebet vor Gott hintreten. Der Pharisäer fühlt sich so erhaben und heilig, dass er wohl meint, nicht er schulde Gott etwas, sondern Gott ihm. Er kann sich nicht vorstellen, von Gott verworfen zu werden. Im Gegenteil: er rechnet fest damit, bei Gott Anerkennung zu finden – und dies nicht der Haltung des demütigen Vertrauens, sondern in stolzer Überheblichkeit. Der Zöllner hingegen, der als öffentlicher Sünder gilt, weiß in seinem Herzen: Ich bin nicht würdig, mich dem Herrn zu nahen! Er betet sogar: „Gott, sei mir Sünder gnädig!“ Er hat – wie es scheint – nichts Eigenes, auf das er bauen und das er gegenüber Gott vorweisen könnte. Dennoch vertraut er auf Gottes Liebe und Barmherzigkeit, aber nicht indem er andere herabsetzt, wie dies der Pharisäer tut, sondern indem er seine eigene Unwürdigkeit bekennt. Wie es dann heißt, ging der Zöllner als Gerechter nach Hause, der Pharisäer hingegen nicht.

In der heutigen Gesellschaft ist es populär, stark zu sein und etwas zu leisten. Menschen, die schwach sind und dies auch zugeben, gelten wenig; sie werden verlacht und an den Rand gedrängt. Könnte es nicht doch sein, dass bei Gott andere Maßstäbe gelten? Und fragen wir uns selber ganz ehrlich: Was haben und besitzen wir denn, das wir nicht letztlich empfangen hätten? So soll uns Dankbarkeit erfüllen, wenn uns etwas gelingt, denn wir können nur mit jenen Kräften wirken, die uns geschenkt sind. Dank sei Gott dem Herrn für alles Gute, was er uns gibt, und auch für all das, was wir an Gutem wirken dürfen! Zugleich wollen wir nicht ausschließen, dass wir so wie der Zöllner auch manchmal Grund haben, vor Gott hinzutreten und zu sagen: „Gott sei, mir Sünder gnädig!“ Wenn wir ehrlichen Herzens die Schuld bekennen und bereuen, dann wird Gott sich in seinem unendlichen Erbarmen an Großzügigkeit gegenüber uns nicht übertreffen lassen. Amen