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Predigt:

Der Sonntag als Mitte des christlichen Lebens

25. Sonntag im Jahreskreis C (23.09.2007)

L1: Am 8,4-7; L2: 1 Tim 2,1-8; Ev: Lk 16,1-13


Josef Spindelböck

Liebe Brüder und Schwestern im Herrn!

Unser menschliches Leben ist auf bestimmte Ordnungen und Vorgaben angewiesen. Freilich gibt es auch Dinge, die uns einengen und unserer Freiheit im Wege stehen, wie zum Beispiel jede Form von Unrecht oder Gewalt. Eine echte Ordnung jedoch fördert Frieden und Gerechtigkeit und kann auf freie Weise bejaht werden, da sie sinnvoll ist. Eine solche Ordnungsvorgabe sowohl für das private als auch für das gesellschaftliche Leben, sowohl für den irdisch-sozialen als auch für den religiös-kirchlichen Bereich ist uns im wöchentlichen Ruhetag gegeben, im Sonntag, dem „Tag des Herrn“.

Als man nach der Französischen Revolution kurzzeitig den Sonntag abschaffte und zugleich die Woche von 7 auf 10 Tage ausdehnte, da wurde dieser „Decadi“ keineswegs freudig aufgenommen. Im Menschen ist der 7-Tage-Rhythmus zutiefst eingeprägt, sodass es diesen Tag der Ruhe und des Feierns nicht nur im christlichen Kulturbereich gibt, sondern auch im jüdischen und teilweise im islamischen, dort als Sabbat bzw. als Freitag.

Worum geht es am Sonntag, was ist sein eigentlicher Sinn? Zuallererst ist der arbeitende Mensch froh, dass es wenigstens einen Tag gibt, wo der gewöhnliche Lauf des Alltags unterbrochen wird und er sich erholen kann. In diesem Sinn hat der Sonntag eine unverzichtbare soziale Funktion: Er stellte eine grundlegende Gleichheit her zwischen denen, die vielleicht in sozial untergeordneter Weise irgendeine Arbeit oder Tätigkeit ausüben, und anderen, welche aufgrund ihrer Machtposition oder ihres Reichtum bevorzugt sind, in diesem Sinn gar nicht „arbeiten“ müssen. Im Judentum war es wichtig, dass am Sabbat auch die Sklaven und Unfreien, ja sogar die Tiere von der Last der Arbeit befreit waren. Auf diese Weise wurde zum Ausdruck gebracht, dass der Mensch den Sinn seines Lebens nicht allein in der Arbeit findet, sondern dass zum Menschsein mehr gehört: ein erfülltes Dasein, das in Dankbarkeit zurück blicken darf auf Erreichtes und sich in gleichsam „zweckloser“, aber keineswegs sinnloser Weise auch der Erholung und Muße und entsprechender kultureller Betätigung widmen darf und soll.

Gerade auch in der oft so zerrissenen Welt von heute, wo die einen Mitglieder einer Familie diese Aufgabe haben, die andere jene und man sich während der Woche oft kaum noch zum Essen sieht, ist der Sonntag ein unverzichtbarer Tag neuer Gemeinsamkeit. Es sollte Zeit geben füreinander, was durchaus nicht heißt, dass dieser Tag ein „langweiliger Tag“ sein soll, an dem niemandem etwas einfällt, alle faul herumliegen oder fixiert vor dem Bildschirm sitzen und im übrigen jede Initiative gelähmt ist. Auch gemeinsame sportliche oder kulturelle Aktivitäten können den Wert des Sonntag hervorheben.

Aber wo liegt die eigentliche Mitte dieses Tages? Woher bezieht er seinen eigentlichen Sinn? Der Sonntag ist vor allem der „Tag des Herrn“. Als Christen gedenken wir an diesem Tag der Auferstehung Jesu Christi von den Toten. Diese geschah am Tag nach dem jüdischen Sabbat, welcher dem 7. Schöpfungstag entsprach. In diesem Sinn ist der Sonntag als erster Schöpfungstag zum 8. Tag geworden, dem Vorausbild ewiger Vollendung. Gottes Werke haben ein Ziel, sie sind nicht sinnlos, sondern wohlgeordnet. Auch der Mensch ist in seinem Leben und in seinen sozialen Bezügen auf ein letztes Ziel hingeordnet: auf die Gemeinschaft mit Gott, dem er die Ehre geben soll. Nur wenn dies geschieht, und zwar gleichsam „zweckfrei“, d.h. nicht mit der Nebenabsicht, dies oder das zu erreichen, sondern um seiner selbst willen, weil es in sich sinnvoll ist, dann gelangt der Mensch zu seiner eigentlichen Würde, dann findet er auch zu sich selbst.

Das „Herz“ des Sonntags ist im religiösen Sinn die Teilnahme an der Eucharistiefeier, die Mitfeier der heiligen Messe. Warum gehen wir am Sonntag zur heiligen Messe? Könnten wir nicht ebenso gut daheim beten oder in der Natur Gott begegnen? Hier ist es wichtig zu sehen, dass die heilige Messe ihrem Wesen nach nicht nur ein Ausdruck der Gemeinschaft mit anderen glaubenden und betenden Menschen ist und auch nicht einfach eine religiöse Veranstaltung, zu der der Priester gleichsam aus eigenem Namen einlädt, sondern ein Geschenk und Geheimnis von Gott her: Gott ist es, der uns zu sich ruft, der seine Kirche als Gemeinde vor Ort zusammenruft.

Der eigentliche Anlass dieser Zusammenkunft ist die Feier des Todes und der Auferstehung Christi: Sein Opfer am Kreuz, wo er aus Liebe zu uns Menschen den Tod auf sich genommen hat und alles Böse besiegt hat, wird im sakramentalen Vollzug gegenwärtig. Wir sind verbunden mit dem Leiden und Sterben Christi, des Opferlammes für unsere Sünden, und mit seiner Auferstehung und dürfen so hoffnungsvoll auch unsere eigene Vollendung durch Gottes Liebe erwarten. In der heiligen Kommunion lädt uns Jesus Christus ein, unter den Gestalten von Brot und Wein seinen heiligen Leib und sein Blut zu empfangen. Wir werden aufs Tiefste mit ihm verbunden, seinem geheimnisvollen Leib, der die Kirche ist, eingegliedert und im Guten bestärkt. Nicht Gott braucht uns, sondern wir brauchen ihn und seine Liebe.

Sollte das alles nicht ein Anlass sein, den Wert und die Würde des Sonntag wieder neu zu entdecken? Benedikt XVI. sagte in seiner Predigt bei der Feier der heiligen Messe im Stephansdom in Wien am 9. September 2007: „Die freie Zeit braucht eine Mitte – die Begegnung mit dem, der unser Ursprung und Ziel ist.“ Außerdem führte der Papst aus: „Die Begegnung mit dem Herrn schreibt sich in die Zeit ein mit einem bestimmten Tag. Und so schreibt sie sich in unser konkretes, leibhaftiges und gemeinschaftliches Dasein ein, das Zeitlichkeit ist. Sie gibt unserer Zeit und so unserem Leben als ganzem eine Mitte, eine innere Ordnung. Für diese Christen war die sonntägliche Eucharistiefeier nicht ein Gebot, sondern eine innere Notwendigkeit. Ohne den, der unser Leben trägt, ist das Leben selbst leer. Diese Mitte auszulassen oder zu verraten, würde dem Leben selbst seinen Grund nehmen, seine innere Würde und seine Schönheit.“

Amen.