www. St Josef.at
Die katholische Informationsseite der Gemeinschaft v. hl. Josef
Navigation
Word-Dokument

Predigt:

Das erste und wichtigste Gebot

31. Sonntag im Jahreskreis B (04.11.2012)

L1: Dtn 6,2-6; L2: Hebr 7,23-28; Ev: Mk 12,28b-34


Josef Spindelböck

Liebe Brüder und Schwestern im Herrn!

Nicht oft werden wir so direkt ins Zentrum des christlichen Lebens geführt wie im Evangelium dieses Sonntags.

Jesus spricht auf die Frage eines Schriftgelehrten ohne Umschweife vom ersten, d.h. dem wichtigsten Gebot, das da lautet: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen und ganzer Seele, mit all deinen Gedanken und all deiner Kraft.“ In der Einleitung dazu bezieht er sich auf das berühmte „Sch‘ma Jisrael“ – „Höre Israel“ im Buch Deuteronomium (6,4–9). Der dem Gebot vorausgestellte Satz lautet: „Höre, Israel, der Herr, unser Gott, ist der einzige Herr.“

Dem gläubigen Juden war dieses „Höre Israel“ wohl vertraut aus dem täglichen Morgen- und Abendgebet. Der Angehörige des Volkes Israel sollte durch diese oftmalige Wiederholung jener heiligen Worte all das verinnerlichen, was hier ausgesagt und gefordert war: Ja, unser Gott ist wirklich der einzige – es gibt keinen anderen außer ihm! Eben diesem Gott soll der Mensch dienen, aus ganzem Herzen und aus ganzer Seele, mit all seinen Gedanken und seiner Kraft. Denn dies ist die einzig angemessene Antwort auf die Erhabenheit und Einzigartigkeit Gottes. Die Gottesliebe steht darum als erstes Gebot am Anfang; sie ist unbestritten das wichtigste aller Gebote.

Jesus aber ist noch nicht zu Ende mit seiner Antwort an den Schriftgelehrten. Er nennt noch ein zweites Gebot und sagt dann: „Kein anderes Gebot ist größer als diese beiden.“ Wie aber lautet dieses zweite Gebot, das ganz und gar mit dem ersten verbunden ist? Es ist leicht wiederzugeben, wenngleich es eine Herausforderung bedeutet, es im Leben zu verwirklichen. Das zweite Gebot lautet: „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“

Hatte der jüdische Schriftgelehrte mit dieser Antwort Jesu gerechnet? Wohl nicht! Und doch akzeptiert er sie in ihrer Genialität und Logik der Zusammenschau. Eben deshalb wird er von Jesus auch gelobt: „Du bist nicht fern vom Reich Gottes.“

Mit dem Kommen Jesu Christi wird die Trennung der auf Gott und den Menschen bezogenen Gebote überwunden. Gott selbst ist Mensch geworden, und so ist die Verwirklichung der Nächstenliebe auch ein Akt der Gottesverehrung, denn in jedem Mitmenschen begegnet uns eine Schwester oder ein Bruder des Erlösers. Umgekehrt kann es keine wahre und echte Gottesliebe geben, wenn sich der betreffende Mensch nicht auch um die angemessene Form einer praktizierten Nächstenliebe bemüht.

Im jüdischen Verständnis war der „Nächste“ vor allem der Angehörige des eigenen Volkes. Jesus weitet den Umfang dieses Gebotes aus auf alle Menschen, die konkret unserer Hilfe und Zuwendung bedürfen. Ja, es gilt sogar, dass wir die „Feinde“ lieben sollen!

Wenn wir nach einem Beispiel dieser bedingungslosen Liebe zu den Menschen suchen, dann finden wir es in Jesus Christus: Er gab sein Leben hin für seine Freunde; ja, er versöhnte uns mit Gott und machte uns aus „Feinden“ zu „Freunden“, weil seine Liebe stärker war als aller Hass und alle Ungerechtigkeit, als Sünde und Tod.

Wir müssen zugeben, dass wir hinter den Ansprüchen Jesu weit zurückbleiben. Und doch weisen uns seine Worte den Weg! In aller Demut und Schwachheit bitten wir den Herrn, uns die Kraft zu geben zu selbstloser Liebe. Wenn wir im Dienste Gottes und unseres Nächsten zu einer Gabe der Liebe werden, dann empfangen wir von Gott dem Herrn das „Leben in Fülle“. Dazu helfe uns die Fürbitte der Jungfrau und Gottesmutter Maria! Amen