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Predigt:

„Ich möchte wieder sehen können!“

30. Sonntag im Jahreskreis B (25.10.2015)

L1: Jer 31,7-9; L2: Hebr 5,1-6; Ev: Mk 10,46-52


Josef Spindelböck

Liebe Brüder und Schwestern im Herrn!

Ist es nicht ergreifend, ja geradezu erschütternd, wie sich der blinde Mann am Wegesrand – er heißt Bartimäus – an Jesus wendet, der eben mit seinen Jüngern aus Jericho kommt und vorübergeht? Offenbar hat er viel über Jesus und sein Wirken gehört und ergreift die Chance, Jesus direkt auf sich selber aufmerksam zu machen.

Seine Worte: „Sohn Davids, erbarme dich meiner!“ bringt er lautstark zur Geltung. Trotz der abwehrenden Reaktion vieler Menschen, die Jesus begleiten, macht er noch lauter auf sich aufmerksam und wiederholt diesen ins Herz dringenden Ruf nach Erbarmen. Wie wird Jesus reagieren? Bartimäus jedenfalls kann sich nicht vorstellen, dass er abgewiesen wird. Denn er hat vernommen, dass schon so viele Menschen das Erbarmen Jesu erfahren durften!

Tatsächlich lässt ihn Jesus zu sich rufen und fordert ihn auf, sein Anliegen vorzubringen. „Was soll ich für dich tun?“ Die Antwort ist klar: „Ich möchte wieder sehen können.“ Sehen! – Das bedeutet für den blinden Bartimäus etwas ganz Entscheidendes. Der Zugang zur Wirklichkeit wird neu hergestellt. Bisher verborgene Dimensionen öffnen sich. Der blinde Mann bittet Jesus zwar vordergründig um die Heilung der Blindheit seiner Augen. Doch darüber hinaus will er auch wirklich „sehen“, was lebensentscheidend ist und mit Gott zu tun hat. Mit seinen Worten bringt der Blinde nicht nur die Sehnsucht nach dem äußeren Sehen zum Ausdruck, sondern noch mehr die Sehnsucht seines Herzens, die Wahrheit zu erkennen, die uns Gott offenbart. Es ist der Glaube, der wahrhaft sehend macht!

Eben dies erfährt Bartimäus ganz unmittelbar. Jesus spricht zu ihm die Worte: „Dein Glaube hat dir geholfen.“ Im selben Augenblick kehrt sein Sehvermögen zurück, und – wie es heißt – er folgte Jesus nach. Nicht nur das äußere Sehen wurde Bartimäus geschenkt, sondern vor allem das innere Sehen. Er erkennt Jesus, den Sohn Davids, im Glauben und folgt ihm als Jünger nach, um sich von ihm über die Wahrheiten des Himmelreiches belehren zu lassen. Ausdrücklich hatte Bartimäus den Herrn in seiner Bitte um das Sehen als „Lehrer“ angesprochen.

Schon in der Lesung aus dem Buch Jeremia hatte der Prophet im Auftrag Gottes die Heilung und Wiederherstellung für das Gottesvolk verheißen. Ausdrücklich werden „Blinde und Lahme“ genannt (vgl. Jer 31,8), die von Gott in seinem Volk versammelt werden. Genau dies erfüllt sich auf beispielhafte Weise an Bartimäus!

Wer Jesus wirklich ist, muss er noch besser erkennen. Denn der „Sohn Davids“ ist zugleich der Sohn des Allerhöchsten. In der Lesung aus dem Hebräerbrief spricht Gott der Vater eben diese Worte zu Christus, dem ewigen Hohenpriester: „Mein Sohn bist du. Heute habe ich dich gezeugt.“ (Hebr 5,5)

Haben wir Jesus Christus schon im Glauben erkannt? Ist er uns bereits begegnet auf unserem Lebensweg? Sitzen vielleicht auch wir irgendwo am Rand des Weges und werden von der Blindheit unseres Herzens abgehalten, das wirklich Wesentliche und Wichtige zu sehen?

Rufen wir machtvoll in unserem Herzen zu Gott: er hört und erhört uns! Der Ruf „Jesus Christus, hab Erbarmen mit mir!“ wird in ähnlicher Weise bei jeder heiligen Messe an Gott gerichtet, wenn wir nach dem Schuldbekenntnis im Kyrie-Ruf das Erbarmen des Herrn auf uns herabrufen. „Herr, erbarme dich unser.“ – „Christus, erbarme dich unser.“ Dies ist zugleich eine Huldigung an Gott, unseren König und Herrn, aber ebenso eine vertrauensvolle Bitte, uns seine Barmherzigkeit zu erweisen.

Wir dürfen Maria, die Mutter der Barmherzigkeit, im Gebet des Rosenkranzes um ihre Fürbitte anrufen: Gott schenke uns und allen Menschen das Heil in Fülle, wie es dem einstmals blinden, nun aber sehenden Bartimäus zuteilgeworden ist!

Amen.