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Predigt:

2. Sonntag der Osterzeit B (27.04.2003)

L1: Apg 4,32-35; L2: 1 Joh 5,1-6; Ev: Joh 20,19-31


Josef Spindelböck

Liebe Brüder und Schwestern im Herrn!

Der heutige „Weiße Sonntag“ hat auch den Namen „Barmherzigkeitssonntag“. Diese Bezeichnung steht dem 2. Sonntag der Osterzeit ganz offiziell zu, seitdem die Gottesdienstkongregation in ihrem Dekret vom 5. Mai 2000 dies so festgelegt hat. In der Erscheinung des Auferstandenen vor dem „ungläubigen Thomas“ und der Einsetzung des Sakraments der Buße offenbart sich das Wunder der göttlichen Barmherzigkeit. Außerdem besteht hier auch ein Zusammenhang mit der heiligen Schwester Maria Faustyna Kowalska, die von Papst Johannes Paul II. am 30. April 2000 heiliggesprochen worden ist. Diese Schwester wurde von Gott besonderer Offenbarungen gewürdigt, in denen sie den Stellenwert der göttlichen Barmherzigkeit wieder neu erkennen durfte. Der Herr trug ihr auf, ein Bild malen zu lassen, das als die Darstellung des „Barmherzigen Jesus“ weltweit bekannt geworden ist.

Wenn nun diese Frömmigkeitsform in einen allgemeinen kirchlichen Rahmen gestellt wurde, so geht es dabei um die Entdeckung einer wichtigen Dimension in unserem Gottesbild: um das rechte Verständnis der Barmherzigkeit Gottes. Ebenso sind wir aufgefordert, eine angemessene Antwort darauf zu geben: nämlich in Liebe, Vertrauen und Erbarmen.

Gott, der über alle Maßen groß und erhaben ist, entzieht sich jedem menschlichen Begreifen. In der Erkenntnis Gottes können wir uns nur tastend vorwärtsbewegen, und alle Bilder, die wir uns im Geiste von ihm machen, sind immer wieder zu übersteigen auf das je Größere seiner Existenz, seines Wesens und seines Wirkens. Wer Gott wirklich ist, das kann uns letztlich nur Gott selber mitteilen. Eben dies hat er tatsächlich getan in seinem Sohn Jesus Christus.

Gerade zu Ostern wird uns bewußt, was Gottes Liebe für uns getan hat. Wenn wir wirklich an die endgültige Offenbarung Gottes des Vaters in seinem Sohn Jesus Christus glauben, dann geht uns hier eine Ahnung davon auf, wie maßlos Gottes Liebe zu uns ist. Um den Knecht zu retten, gab der Vater den Sohn dahin. Um uns Sünder zu erlösen, nahm Jesus Christus, der Gerechte, alle Schuld auf sich. Stellvertretend für die Vielen erlitt er den Tod am Kreuz, um uns das neue Leben mit Gott zu schenken. In der heiligen Taufe und den übrigen Sakramenten erhalten wir daran Anteil. Sollten wir angesichts dieser Großtaten der Liebe noch zweifeln an der Güte und Barmherzigkeit Gottes?

Leider leben viele Menschen so, als ob es Gottes Barmherzigkeit nicht gäbe. Oder – was vielleicht noch schlimmer ist – man beruft sich auf die Barmherzigkeit Gottes und ändert doch nicht sein Leben. Man rechtfertigt damit vielleicht sogar die eigene Sündhaftigkeit und meint damit nicht nur Schwachheit, sondern direkte Bosheit! Welch ein Frevel! Denn man kann ja nicht einfach auf Vorsatz hin sündigen, etwa in dem Sinn: „Gott vergibt mir ohnehin, also kann ich machen, was ich will.“ Das wäre ein entsetzlicher Mißbrauch seiner Barmherzigkeit, die man auf diese Weise gerade nicht mehr ernst nimmt.

Nun gilt es aber zu fragen, worin denn die Barmherzigkeit Gottes richtig verstanden besteht! Gott ist ja in seinem tiefsten Wesen nichts als Liebe (vgl. 1 Joh 4,8.16). Von daher ist die Barmherzigkeit Gottes jene Form der Liebe, die sich der leidenden und schuldbeladenen Menschheit in endgültig bejahender und erlösender Form zuwendet. Gott ist da „für uns“, Jesus hat sein Leben hingegeben „für uns“. Barmherzigkeit Gottes bedeutet personale Zuwendung zu einem jeden einzelnen von uns. Gott ruft uns mit unserem ganz persönlichen Namen, so wie der Auferstandene Maria Magdalena mit ihrem Namen angesprochen hat und sie ihn daraufhin erkannt hat, so wie er sich dem Thomas in ganz persönlicher Weise offenbart hat und durch das Zeigen seiner Wunden den Unglauben des Apostels geheilt hat.

Gottes Barmherzigkeit will uns nur Gutes. Gott will uns nicht strafen und richten. Wenn es dennoch zu Strafe und Gericht kommt, so ist es allein der Mensch, der es von Gott gleichsam erzwingt, daß sich seine Liebe ihm gegenüber in dieser Gestalt zeigt. Wer hingegen seine Schuld bereut und sich in die Arme der göttlichen Barmherzigkeit wirft, kann nur Annahme und Vergebung erfahren. Gott ist der barmherzige Vater, der nichts nachträgt und den heimgekehrten, ehemals verlorenen Sohn mit dem Festgewand seiner Liebe neu bekleidet! Keine Schuld ist zu groß für ihn, daß er sie nicht vergeben würde, wenn der Sünder nur aufrichtig umkehrt und ein neues Leben beginnen will. Die Liebe deckt viele Sünden zu.

Angesichts der Kriege und Krisen in der Welt, angesichts der vielen Gefährdungen des Lebens, unter anderem auch im „Krieg gegen das ungeborene Leben“, ruft der Heilige Vater die Menschen dazu auf, sich noch mehr an die göttliche Barmherzigkeit zu wenden. Er schlägt vor, daß wir die „Stunde der Barmherzigkeit“ halten. Hier handelt es sich um die Todesstunde Christi, in der er sein Leben hingegeben hat für uns alle. Es genügt ein kurzes Innehalten, ein dankbares Aufblicken zu dem für uns am Kreuz Durchbohrten, dem jetzt Auferstandenen und Verklärten, um Gottes Erbarmen zu preisen! Es ist dies ein stellvertretendes Gebet, in dem wir Gott die Nöte und Anliegen der ganzen Menschheit darbieten, damit er sie mit seinem Erbarmen umschließe. Nicht nur am Freitag um 15 Uhr, sondern öfter können und sollen wir ein sogenanntes „Stoßgebet“ verrichten und uns kurz mit Gott, dem barmherzigen Vater, verbinden. Ein kurzer Gedanke genügt, wo immer wir sind und was immer wir tun! Auf diese Weise heiligen wir unseren Alltag und bewahren wir uns davor, gedankenlos dahin zu leben.

Möge die heilige Jungfrau und Gottesmutter Maria, die Mutter der Barmherzigkeit, uns beistehen und uns trösten! Ihr Herz ist offen für uns. Wenn wir es nicht wagen, uns direkt an ihren Sohn zu wenden, so nimmt sie unsere Bitten und Anliegen wahr und bringt sie vor Gott. Im bald beginnenden Marienmonat Mai dürfen wir uns ihrer Fürsprache noch inniger als bisher anvertrauen! Gott blickt in Gnaden herab auf uns, aufgrund der Verdienste seines Sohnes Jesus Christus. Im Heiligen Geist haben wir daran Anteil durch den Empfang der heiligen Sakramente und das Gebet. Leben wir aus der Barmherzigkeit Gottes und erweisen wir einander jenes Erbarmen, das Gott auch uns geschenkt hat! Amen