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Predigt:

Mensch unter den Menschen

14. Sonntag im Jahreskreis B (08.07.2012)

L1: Ez 1,28-2,5; L2: 2 Kor 12,7-10; Ev: Mk 6,1b-6


Josef Spindelböck

Liebe Brüder und Schwestern im Herrn!

Der christliche Glaube bekennt einen menschenfreundlichen Gott: Gott hat die Menschen nach seinem Bild und Gleichnis erschaffen, und er möchte uns Menschen Anteil geben an seinem göttlichen Leben.

So hat Gott sich nicht unerkannt und verborgen gehalten, sondern in der Heilsgeschichte geoffenbart: angefangen schon im Paradies und bei den Patriarchen, dann gegenüber dem Volk, das er in besonderer Weise erwählt und mit dem er einen Bund geschlossen hat. Trotz der wiederholten Untreue der Menschen, die sich gegen Gott auflehnten, gegen ihn sündigten oder ihn schlichtweg im praktischen Leben ignorierten, sandte Gott immer wieder seine Propheten, die den Menschen Worte des Heiles und der Umkehr verkündeten. So heißt es auch in der Lesung dieses Sonntags aus dem Buch Ezechiel, dass Gott seinen Propheten – hier als „Menschensohn“ bezeichnet – „zu den abtrünnigen Söhnen Israels“ sendet.

Die Nähe Gottes zu uns Menschen hat sich vollendet und bleibt schlechthin unüberbietbar, seit Gott selber einer von uns geworden ist: Er wird Mensch in Jesus Christus und lebt ein ganz gewöhnliches Leben unter uns Menschen. Bis zu seinem dreißigsten Lebensjahr deutet fast nichts darauf hin, dass er anders ist als seine Verwandten und Bekannten. Sie kennen ihn als den Zimmermann, den Sohn der Maria (vgl. Mk 6,3). Weil aber Jesus ganz und gar Mensch ist, wird dies für manche zum Problem, als er seine Verkündigungstätigkeit beginnt. Gerade in seiner Heimatstadt Nazareth, wo ihn alle kennen, regt sich Widerspruch: Was will der uns schon sagen? Den kennen wir ja, das ist der und der! Hier bewahrheiten sich die Worte des Herrn: „Nirgends hat ein Prophet so wenig Ansehen wie in seiner Heimat, bei seinen Verwandten und in seiner Familie.“

Von daher begreifen wir, wie wichtig der Glaube ist, um Jesu Person und Sendung annehmen zu können. Im Glauben erkennen wir ihn als den von Gott gesandten Erlöser und Heiland, als den Messias, auf den die Hoffnung des Alten Bundes ausgerichtet war. Im Glauben bejahen wir seine wahre Menschheit und seine wahre Gottheit.

Wäre er nicht wahrer Gott, so hätte er uns nicht erlösen können; wäre er nicht wahrer Mensch, so würde er uns nicht verstehen und dann hätte Gott unser Menschsein nicht wahrhaft angenommen und geheiligt. Aber Jesus Christus ist beides in einer Person: wahrer Gott und wahrer Mensch.

Unsere Aufgabe als Christen ist es, auch im Alltag diese Menschenfreundlichkeit Gottes zu bezeugen. Die Liebe, mit der Gott uns geliebt hat, sollen wir einander erweisen. Wir setzen uns ein für die Mitmenschen, jeder nach seinen Fähigkeiten und seinen Aufgaben, in Familie und Beruf, in der Arbeit und in der Freizeit. Auf allen Wegen begleitet uns Gottes Schutz und Segen!

Wo also wollen wir stehen? Bejahen wir Gott im Glauben und im christlichen Leben – oder ziehen wir es vor, abseits zu stehen und die Rolle des distanzierten Beobachters einzunehmen? Dies mag fürs erste einfacher sein; wenn wir uns aber nicht einbringen mit unseren Fähigkeiten und Gaben, wenn wir nicht gleichsam zum Weizenkorn werden, das sich verzehrt für andere, werden wir keine Frucht bringen können. Dann ginge das wahre Leben wie ein Schatten an uns vorüber!

Verbunden mit Jesus Christus, dem Sohn Gottes und dem Sohn Mariens, finden wir das Leben in Fülle! Er ist der gute Hirt, der uns bewahrt und beschützt bis ins ewige Leben. Möge uns Gott einst aufnehmen in seinem himmlischen Vaterhaus, wo Freude und Jubel herrschen ohne Ende! Amen