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Widerstand

Karl Hörmann: LChM 1976, Sp. 1720-1722

I. Bittere Erfahrungen mit Unrechtsregimen haben zur Frage nach dem Recht des Widerstandes geführt. Wohl ist der Staatsbürger um des Gemeinwohles willen verpflichtet, zu einer Regierung zu stehen (Treue, Gehorsam), wenn sie auf dem von der rechtmäßigen Verfassung vorgesehenen Weg zur Macht gelangt ist und ihre Macht in gerechter Weise gebraucht. Wenn es jedoch an einer dieser beiden Voraussetzungen fehlt, kann der Bürger zum Widerstand berechtigt (vgl. 2. Vat. Konz., GS 74) oder sogar verpflichtet sein. Das Recht auf Widerstand wurde nach 1945 von einigen deutschen Ländern (Berlin, Bremen, Hessen) in der Verfassung ausdrückl. anerkannt.

II. Der Machthaber, der nur durch Gewalt, nicht auf rechtl. Weg die Herrschaft an sich gebracht hat (Usurpator), kann als nicht rechtmäßige Obrigkeit durch Anordnungen die Bürger nicht im Gewissen binden. Diese haben ihm gegenüber das sittl. Recht des passiven Widerstandes, d.h. der Gehorsamsverweigerung, es sei denn, daß das, was er anordnet, sachl. einwandfrei ist und um des Gemeinwohles willen, auf das jeder verpflichtet ist, eingehalten werden muß.

III. Auch der Machthaber, der auf rechtmäßigem Weg zur Herrschaft gelangt ist, kann seine Macht zum Unrecht mißbrauchen (Tyrann; vgl. GS 75). Er handelt damit gegen die beim Amtsantritt versprochene oder stillschweigend übernommene Verpflichtung, unter Wahrung der Verfassung auf das Gemeinwohl hin tätig sein zu wollen.

1. Der Bürger hat das Recht des passiven Widerstandes gegenüber jenen Anordnungen, die ihm Unrecht antun (vgl. GS 74; Johannes XXIII., PT 49 f 61), und die Pflicht dazu gegenüber solchen Anordnungen, durch die er selbst zu sittl. unerlaubtem Tun genötigt werden soll (D 3132; Pius XII., UG 3488 f; Johannes XXIII., PT 48 f 51 61; GS 75). Wenn die Übergriffe der tyrannischen Regierung nicht an den Grundfesten des Staates rütteln, kann sich der Bürger mit passivem Widerstand und mit aktivem Einsatz aller verfassungsmäßigen Mittel (Massenmedien, Versammlungs- und Vereinstätigkeit, Gesetzesanträge, Wahl von Volksvertretern) zur Abwehr des Unrechtes begnügen. Anwendung von Gewalt gegen die Regierung erscheint in solcher Lage noch nicht als angebracht, da durch sie für das Volk größeres Unheil heraufbeschworen werden kann (D 3132). Natürl. ist es dem Volk nicht verwehrt, mit gesetzl. Mitteln nach der Beseitigung einer ungerecht wirkenden Regierung und nach Änderung der Verfassung zu streben (D 3253).

2. Wenn jedoch die unheilvolle Tätigkeit der Regierung derartige Ausmaße annimmt, daß sie das Volk dem Untergang zutreibt, hören solche Regierende auf, rechtmäßige Inhaber der Regierungsgewalt zu sein, da sie das Wirken auf das Gemeinwohl hin ins Gegenteil verkehren und damit nicht mehr die Voraussetzung erfüllen, unter der ihnen die Gewalt übertragen wurde.

a) Wenn sich das Volk vor ihrer verderbl. Tätigkeit nicht anders retten kann, darf es gegen sie durch aktiven Widerstand unter Anwendung von Gewalt Notwehr üben (D 3775 f; Paul VI., PP 31). Harmlosere Mittel (gesetzl. Möglichkeiten der Verteidigung wie Anrufung von Höchstgerichten oder Mobilisierung der öffentl. Meinung; Organisierung systematischen passiven Widerstandes in Form eines Generalstreikes) werden von selbstherrl. Regierungen für gewöhnl. vorsorgl. beseitigt.

b) Das gewaltsame Wehren des Volkes gegen eine tyrannische Regierung ist sittl. zulässig, Ò) wenn die Regierung vom höchstbedrohl. Mißbrauch der Staatsgewalt auf andere Art nicht abgebracht werden kann, ß) wenn dieses Wehren begründete Aussicht auf Erfolg hat (es wäre unverantwortl., die Leiden des Volkes durch ein aussichtsloses Unternehmen noch zu vergrößern; vgl. PP 31). Solchen Widerstand zu organisieren kann nicht Sache jedes beliebigen Staatsbürgers sein, sondern nur jener, die über Einsicht und Einfluß genug verfügen. Diese können sogar dazu verpflichtet sein. Die tatsächl. Gegebenheiten lassen sich freil. oft nicht genau ermitteln, wesh. auch gewissenhafte Leute in derselben Situation zu verschiedenen Ergebnissen kommen können.

c) Aus dem aktiven Widerstand muß nicht auf jeden Fall die Tötung des Tyrannen ausgeschlossen sein. Falls keine anderen Mittel zur Rettung des Volkes ausfindig gemacht werden können, läßt die Notwehr auch ein solches Unternehmen zu. Allerdings besteht dabei in hohem Maß die Gefahr, daß nicht nüchterne Überlegungen, sondern unbeherrschte Leidenschaften entscheiden. Darum hat das Konz. von Konstanz gegen die Tötung von Tyrannen Stellung genommen, jedoch mit so vielen Klauseln, daß in dieser Äußerung nicht mehr als eine Warnung vor unterschiedsloser Gutheißung der Tyrannentötung erblickt werden muß (D 1235).


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