Interviews |
"DIE WOLLEN MICH ABSCHIESSEN"
Interview in der
Oberösterreichischen Sonntags-Rundschau, 18.07.2004
Bischof Kurt Krenn nimmt im Interview der Sonntags Rundschau Stellung zum
Sexskandal im Priesterseminar St. Pölten.
Rundschau:
Wie geht es Ihnen?
Krenn: Gut.
Rundschau: Der öffentliche Druck, die Aufforderungen zum Rücktritt lassen
Sie kalt?
Krenn: Diese Zuständigkeiten sind Sache des guten Gewissens, das man hat
oder nicht hat.
Rundschau: Wie stellt sich die ganze Sache eigentlich für Sie dar?
Krenn: Komische Geschichte. Ich weiß bis heute nicht, was eigentlich los
ist. Da wird irgendetwas von Jugendpornographie und von anderen Dingen erzählt,
von allerlei bösartigen, menschlichen Dingen. Ich habe keinen Beweis dafür.
Rundschau: Sie haben doch mit dem Regens und Subregens des
Priesterseminars gesprochen. Was haben die zu Ihnen gesagt?
Krenn: Um die zwei geht es ja gar nicht. Da geht es um eine Sache, dass
in unserem Haus, das eigentlich Tag und Nacht immer offen ist, pornographische
Bilder aufgetaucht sind. Wir haben einen Raum gehabt, der konnte von jedem
Besucher betreten werden.
Rundschau: Die Polizei verdächtigt einen polnischen Priesterkandidaten.
Krenn: Ich bin in keiner Weise dieser Meinung, vielleicht ist die Polizei
der Meinung, aber das muss erst bewiesen werden. Wenn das bewiesen ist, dann
werden wir ganz sicher auch unsere Schlussfolgerung ziehen. Bis jetzt gibt es
keinen Schlussbericht. Auch der Verdacht einer Polizei ist ja noch nicht
rechtskräftig. Wir warten, bis Licht ins Dunkel kommt.
Rundschau: Im Profil sind die Fotos von homosexuellen Handlungen des
Leiters des Priesterseminars veröffentlicht worden.
Krenn: Diese Bilder haben mit der Sache überhaupt nichts zu tun. Der
Polizei geht es rein um die Kinderpornographie.
Rundschau: Was hat der Herr Seminarleiter über die Bilder gesagt?
Krenn: Es war bei einer Feier.
Rundschau: Angeblich hat aber dieser polnische Priesteramtsanwärter diese
Fotos gemacht.
Krenn: Das stimmt nicht. Der war nie dabei. Es wird viel geschrieben,
viel verwechselt. Wir haben noch kein Urteil gefällt. Die Polizei hat sich nur
auf die Kinderpornographie konzentriert und das ist das Einzige, worüber sie
reden. Die anderen Geschichten von Homosexualität gehen nach der neuen
Rechtslage den Staat überhaupt nichts mehr an.
Rundschau: Homosexualität ist von der Kirche verboten.
Krenn: Das ist etwas anderes. Das ist keine Polizeisache.
Rundschau: Sie haben eine Kommission eingesetzt, die all’ diese Vorwürfe
intern prüfen soll.
Krenn: Ja, natürlich. Man muss herausbekommen, was war wirklich. Es ist
so viel Wirbel gemacht worden und viel Dummheit geschrieben worden.
Rundschau: Also, Sie wissen selber nicht so genau, was passiert ist?
Krenn: Das kann man so sagen. Es ist nicht meine Nachlässigkeit. Es ist
irgendwann einmal wer aufgetaucht im Priesterseminar. Wer das da hineingebracht
hat, weiß ich nicht.
Rundschau: Ist die Affäre für Sie eine inszenierte Geschichte, um Sie zu
schädigen?
Krenn: Man will mich ein bisserl kaputt machen. Ich habe viel
Stehvermögen. Die wollen mich abschießen.
Rundschau: Sie fühlen sich dadurch bestärkt?
Krenn: Ich habe mit den Angriffen keine Freude. Auf der anderen Seite
sage ich: Täuscht euch nicht, denn der Krenn ist kein Dummer und hat das beste
Gewissen. Natürlich bin ich jetzt in einer gewissen Verantwortung, weil das
Seminar mir untersteht. Umgekehrt kann ich nicht sagen, ich hätte fahrlässig
gehandelt.
Rundschau: Was ist mit den Homosexuellen-Bildern, die Weihbischof
Fasching vor seiner Tür gefunden hat?
Krenn: Das ist wieder ganz etwas anderes. Ich weiß auch nicht, wo er sie
her hat. Das erinnert mich an das Ereignis, als damals der Kardinal Schönborn
seinem Generalvikar Helmut Schüller den Entlassungsbrief vor die Tür gelegt hat.
Rundschau: Hat sich der Vatikan schon bei Ihnen gemeldet?
Krenn: Nein. Das ist auch nicht üblich. Die Leute haben so eine derartige
Selbstüberschätzung. Für Rom ist die Gewichtigkeit eine andere als für uns. Es
ist ja gar nichts. Vielleicht waren irgendwie, irgendwo ein Homosexueller oder
ein anderer schlimmer Bursche dabei. Mehr ist nicht bekannt. Der Rest ist alles
Mache. Das ist die große Mache der Publizistik.
Rundschau: Aber einen Imageschaden haben Sie natürlich schon.
Krenn: Ja, natürlich. Deswegen wird es ja auch gemacht, dass es so
ausschaut, als könnte ich meine Diözese nicht in Ordnung halten.
Rundschau: Der Pastoraltheologe Paul Zulehner hat Ihnen vorgeworfen, Sie
seien Alkoholiker.
Krenn: Das ist doch eine glatte Lüge. Schauen Sie mich an, bin ich
Alkoholiker?
Rundschau: Ich habe nicht den Eindruck.
Krenn: Das ist eben genau diese Durchtriebenheit und auch Bosheit der
Leute. Das sind die unschönen Dinge, aber wissen Sie, daran sterbe ich nicht.
Rundschau: Wie gehen Sie mit Ihrer Sexualität um?
Krenn: Wie es der liebe Gott will.
Rundschau: Was heißt das?
Krenn: Ich halte die Gebote. Für mich gilt die sogenannte Keuschheit. Die
muss jeder halten. Sie auch.
Rundschau: Keuschheit schließt aber Sexualität nicht aus.
Krenn: Sie schließt sie nicht aus. Aber die Keuschheit des Priesters ist
eine andere Form von Liebe, der Liebe zu Gott. Alles, was da diskutiert wird,
ist ja uralt. Es ist überhaupt nichts Neues aufgetaucht. Es tauchen auch immer
wieder die alten Sünder auf.
Rundschau: Wer sind die?
Krenn: Ja, der Feichtlbauer und der Herr Dr. Prof. Zulehner.
Rundschau: Nur weil sie in der Zölibatsfrage eine andere Meinung
vertreten, sind sie Sünder?
Krenn: Es gibt dieses Wort vom alten Sünder, oder die Katze lässt das
Mausen nicht.
Rundschau: Was meinen Sie damit?
Krenn: Der Feichtlbauer kommt immer wieder auf dieselben Dinge. Wir sind
keine bösen Feinde, aber er ist halt ein Ungustl. Er kommt immer wieder auf den
Zölibat, das sind so seine ungustiösen Vorstellungen von Kirche.
Rundschau: Was machen Sie, wenn Ihnen eine schöne Frau gefällt?
Krenn: Das ist ja keine Sünde. Das Begehren wäre eine Sünde. Sie muss
sich eh anstrengen, dass sie in Schuss bleibt.
Rundschau: Ihnen wird ja auch ab und zu eine Frau gefallen?
Krenn: Ab und zu denke ich mir, die ist schiach.
Rundschau: Sie waren heuer längere Zeit im Krankenhaus. Es tauchte das
Gerücht auf, dass Sie Parkinson hätten.
Krenn: Nein, das ist falsch. Das kann ich mit der Autorität aller Ärzte,
die sich um mich bemüht haben, sagen. Ich hatte eine Vergiftung. Aber ich bin
jetzt wieder ganz gesund. Ich hätte auch tot sein können.
Rundschau: Von den Kollegen in der Bischofskonferenz haben Sie, etwas
salopp formuliert, ziemlich Beton bekommen, von Bischof Kapellari, von
Leitenberger.
Krenn: Kapellari ertrage ich, aber Leitenberger ertrag' ich nicht, den
geht das nämlich nichts an. Er ist auch nicht Sprecher der Bischofskonferenz.
Rundschau: Aber Ihre bischöflichen Mitbrüder distanzieren sich von Ihnen.
Krenn: Weil sie sich nicht auskennen und das muss natürlich verziehen
werden. Kapellari kennt sich nicht aus. Ich würde mir das nie zutrauen, über
Linz öffentlich zu diskutieren. Erstens einmal ist dort der Bischof Aichern
zuständig, und hier ist der Krenn zuständig. Alle Einmischungen dieser Art sind
wirklich nicht gut.
Rundschau: Wie sind eigentlich Ihre Kontakte nach Rom? Wann waren Sie das
letzte Mal zum Frühstück beim Papst?
Krenn: Vor ein paar Monaten. Ich fahr' ungefähr drei- bis viermal im Jahr
nach Rom.
Rundschau: Treffen Sie da jedes Mal den Heiligen Vater?
Krenn: Nicht immer, aber fast jedes Mal.
Rundschau: Ihre Kontakte sind ungebrochen gut?
Krenn: Das kann man nicht sagen, ob sie gut sind. Für mich ist es eine
Freude, wenn der Papst sagt "Komm". Was er dann von mir hält, das ist seine
Sache.
Rundschau: So schlecht wird er nicht denken, wenn er Sie immer wieder
einlädt.
Krenn: Das denke ich auch. Aber ich will es nicht zu Schlussfolgerungen
erheben.
Rundschau: Sie werden also nicht zurücktreten und Ihre Amtszeit bis zum
75. Lebensjahr, wie es üblich ist, ausführen.
Krenn: Ja sicher, ich möchte sogar darüber.
Rundschau: Es gibt manche, die würden gern einen Koadjutor an Ihrer Seite
sehen.
Krenn: Wofür? Wenn der Papst meint, ich brauche einen, dann nehm’ ich
einen, selbstverständlich. Aber wenn der Papst meint, ich brauche keinen, dann
hab’ ich keinen. Das sind alles Sorgen von Leuten, die im Grunde doch nicht am
Ball sind.
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