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Die Würde des leidenden und sterbenden Menschen
(2007)

Josef Spindelböck

Hinweis/Quelle: Referat bei der 19. Internationalen Theologischen Sommerakademie 2007

Abstract / Kurzbeschreibung

Die Tendenz einer „Wellness-Religion“ spiegelt dem Menschen die Illusion eines perfekten und leidfreien Lebens vor. Kranke, leidende und sterbende Menschen werden dabei gesellschaftlich an den Rand gedrängt. Umso wichtiger ist es für uns Christen, neu zu entdecken, dass dem Menschen als solchen und jedem Menschen ganz konkret von Gott her eine einzigartige Würde zukommt und daher auch seine Rechte zu achten sind von der Empfängnis bis zum Tod. Von daher wird ein „Humanisierungspotential“ auch für Situationen des Leidens und Sterbens freigesetzt.

Dr. theol. habil. Josef Spindelböck, geb. 1964 in Kirchberg in Tirol, ist Priester der Diözese St. Pölten und Mitglied der Gemeinschaft vom heiligen Josef. Er lehrt als Dozent für Ethik an der Philosophisch-Theologischen Hochschule der Diözese St. Pölten sowie als Gastprofessor für Moraltheologie am Internationalen Theologischen Institut (ITI) in Gaming. Er ist Vertreter der Diözese St. Pölten in der NÖ Ethikkommission.

Ziel und Anliegen dieser Überlegungen

Mit dem hier angesprochenen Thema, das die Würde des leidenden und sterbenden Menschen herausstellen will, kann man medial und in der Öffentlichkeit kaum Punkte sammeln: Zu sehr ist allenthalten der Kult der Schönheit, der Jugend und der Gesundheit präsent, als dass noch genügend Raum dafür vorhanden wäre, das Menschsein auch in seinen weniger attraktiven Dimensionen – sprich in Krankheit, Leid und Behinderung, im Alter und im Sterben – als wertvoll anzusehen und entsprechend zu würdigen. Man spricht ja sogar schon von einer „wellness religion“, was zum Ausdruck bringen soll, dass an die Stelle der Werte und Inhalte des Glaubens, ja letztlich an die Stelle Gottes selbst der Mensch in seinem meist nur körperlich definierten Wohlbefinden und in seiner nach außen hin erkennbaren und wahrgenommenen Attraktivität und Jugendlichkeit getreten ist.[1] Diesem Ziel – so scheint es – kann und soll alles Übrige untergeordnet werden; die Auswirkungen einer solchen Sichtweise können wir täglich wahrnehmen.[2]

Welchen Sinn hat es also und kann es haben, im gegenwärtigen sozialen Kontext als Theologe über die Würde des leidenden und sterbenden Menschen zu sprechen?

Ein zweifaches Ziel kann in den Blick kommen:

  • Zuerst geht es um die philosophische Perspektive im vorbehaltlosen und bedingungslosen „Ja“ zum Leben des Menschen, um die Herausstellung der Würde des Menschseins, wie sie durch Vernunft und Erfahrung jedem Menschen prinzipiell zugänglich ist. Dabei wollen wir uns auch daran erinnern, dass wir die „dunklen“ und weniger erfreulichen Seiten des Menschseins nicht ausblenden dürfen, wenn wir unser Leben auf die Wahrheit eben dieses Menschseins beziehen wollen. Man kann dies als die natürliche Ebene unserer Daseinsbetrachtung bezeichnen, d.h. es geht hier um einen durch die menschliche Erfahrung und das menschliche Nachdenken ermöglichten Zugang zur Problematik von Krankheit, Leiden und Tod und der damit verbundenen Frage nach dem darin noch möglichen Sinn bzw. der grundlegenden Würde des Menschseins.

  • Zentral aber ist die Perspektive des christlichen Glaubens, wie ihn uns die Kirche verkündet: Denn das „Ja“ zum menschlichen Leben in all seinen Entfaltungsstufen und Erscheinungsformen ist letztlich nur möglich aufgrund der im Glauben begründeten (und damit auch theologisch zu reflektierenden) Überzeugung von der bedingungslosen Annahme des Menschen durch Gott in der Menschwerdung des göttlichen Wortes sowie in der durch eben dieses Wort Gottes, Jesus Christus, gewirkten Erlösung und Heiligung, welche dem Menschen das übernatürliche Ziel des ewigen Heils vor Augen stellt und ihn zur freien Annahme eben dieser Vollendung in Gottes Liebe einlädt. Leiden und Tod können ihren letzten Sinn – soweit er auf Erden unter den hier gegebenen unvollkommenen Bedingungen überhaupt einsehbar ist – nur im Lichte der vom Glauben erleuchteten Vernunft erhalten.

Bevor wir uns dem Menschen in seinem Leiden und in seinem Sterben zuwenden, wollen wir uns auf das Menschsein als solches beziehen und uns fragen, wer denn der Mensch eigentlich ist. Erst dann, wenn wir hier eine verantwortbare Antwort gefunden haben, fällt auch Licht auf die Frage von Leiden, Krankheit und Sterben des Menschen.

Antworten auf die Frage nach dem Menschsein gibt es viele; sie sind – sofern sie die Wahrheit wenigstens teilweise erfassen – jedenfalls von Wert, müssen jedoch stets in ihrem Zueinander und Miteinander gesehen werden und dürfen nicht ideologisch eingegrenzt und verabsolutiert werden.

Der Beitrag der Humanwissenschaften

Die auf den Menschen bezogenen empirischen Einzelwissenschaften liefern uns unterschiedliche Zugänge auf die Frage nach dem Menschen: Exemplarisch soll auf einige wichtige fachspezifische Analysen und Beurteilungen verwiesen werden.

Die biologische Sichtweise erkennt im Menschen ein hochkomplexes System von Lebenseinheiten (Zellen) und deren Funktionen, welches wiederum in seinem Bestand und seiner Entfaltung durch erblich gespeicherte Informationen (Gene) getragen und gesteuert wird sowie auch in einem Prozess der Interaktion (Wechselwirkung) mit der außerhalb des Menschen liegenden belebten und unbelebten Welt steht. Eine rein mechanistische Sicht ist zwar offiziell überwunden, dennoch bleiben die Konzepte der biologischen „Erklärung“ des Menschen meist einer reduktionistischen Sichtweise verhaftet, wonach der Mensch nur als „System“, nicht aber als Person wahrgenommen wird. Eine medizinische Wissenschaft, welche sich nur auf dieser zwar wichtigen und grundlegenden, aber eben nicht ausreichenden Ebene bewegt, ist dem Menschen nicht angemessen und wird ihm nicht gerecht. Die Frage der Menschenwürde an sich kommt gar nicht in den Blick; es geht um Funktionen und ihre Defizite und deren mögliche Behebung. Ein Sinn des bis zu einem gewissen Grad unvermeidbaren Leidens oder gar des Sterbens kann hier nicht wahrgenommen werden. Ja, die Frage gilt als verboten, was einerseits – streng wissenschaftlich – eine legitime methodische Reduktion darstellen kann (als Biologe oder Physiologe kann der betreffende Wissenschaftler tatsächlich nicht viel mehr sagen und darf es auch nicht), andererseits das Menschsein um eine wesentliche Dimension verkürzt, ja den Menschen als solchen gar nicht in den Blick bekommt und letztlich zur „Abschaffung des Menschen als Menschen“ führt (immerhin kann auch der Wissenschaftler nicht davon absehen, dass er selber ein Mensch ist und er sich in seiner Wissenschaft dem Menschen als Person zuwendet; blendet er dies grundsätzlich aus, so hat er eine latent inhumane Einstellung, die fast unweigerlich auch zu inhumanen Konsequenzen in seinem Handeln führt).

Auch die Psychologie sucht nach Antworten im Blick auf den Menschen in seinen spezifisch menschlichen Lebensäußerungen und nimmt dabei die Dimension des „Seelischen“ in den Blick. Wir dürfen allerdings nicht dem Missverständnis erliegen, als ob die Psychologie als empirische Wissenschaft die Existenz einer geistigen und unsterblichen Seele des Menschen voraussetzen würde.[3] Teilweise ist ihr dies aufgrund methodischer oder ideologischer Vorentscheidungen verwehrt (siehe den Behaviorismus), und so werden nur sogenannte „seelische“ Phänomene im Bereich des Bewussten und Unbewussten untersucht, welche im Grunde jedoch physiologisch, d.h. auf den Leib und seine Funktionen bezogen, verstanden werden. Der Mensch ist auch in dieser Sicht nicht mehr als ein hochkomplexer Organismus, der sich in gewissem Sinn selber steuert, und die Psychologie nimmt eben Bezug auf die Manifestationen neuronaler Prozesse und deren Gesetzmäßigkeiten. Was nicht in den Blick kommt, ist die Dimension menschlicher Freiheit. Bestenfalls wird diese als Phänomen zwar anerkannt, nicht selten aber zugleich aber in ihrem Wesensbestand geleugnet, indem das Bewusstsein der menschlichen Freiheit als Täuschung und Illusion „entlarvt“ wird.[4] Freilich gibt es – und das sei der Gerechtigkeit halber angemerkt – auch andere Richtungen innerhalb der Psychologie[5], welche keine negativen Vorentscheidungen über die Existenz der unsterblichen Geistseele treffen und den Menschen nicht bloß auf ein biologisches Wesen oder ein „intelligentes System“ reduzieren wollen. Hier sei nur auf Viktor Frankl verwiesen, der mit seiner Logotherapie gerade auch die Dimension eines geistigen Sinnes des menschlichen Lebens neu in den Blick genommen hat, nachdem diese durch bestimmte Richtungen und Schulen der Tiefenpsychologie (z.B. in Freuds Psychoanalyse) weitgehend geleugnet bzw. als irrelevant hingestellt worden war.[6] Viktor Frankl hat in eigener Erfahrung (KZ) und in Beobachtung des psychischen Lebens anderer erkannt, dass der Mensch nicht wirklich leben kann, ohne einen Sinn im Leben anzuerkennen. Ist er dazu in der Lage, kann er auch extreme Situationen bestehen, d.h. auch dem Leiden und dem Tod ins Auge schauen.

Eine Objektivierung der Sinnfrage kann freilich auch die Psychologie Frankls (sofern sie Psychologie bleibt) nicht vornehmen[7]; die Sinn- und Wahrheitsfrage wird zwar angestoßen, bleibt aber vonseiten der Psychologie als Wissenschaft letztlich unbeantwortet. Wir müssen uns deshalb der eigentlichen philosophischen Überlegung zuwenden und schließlich der theologischen Perspektive.

Der philosophische Zugang zur Ganzheit des Menschen und der Welt:
die Antwort der Vernunft

Die Enzyklika „Fides et ratio“ gibt uns eine Antwort im Hinblick darauf, was denn die Vernunft (und damit die Philosophie) eigentlich leisten kann und soll. Johannes Paul II. schrieb dort:

„Der Mensch besitzt vielfältige Möglichkeiten, um den Fortschritt in der Wahrheitserkenntnis voranzutreiben und so sein Dasein immer menschlicher zu machen. Unter diesen ragt die Philosophie hervor, die unmittelbar dazu beiträgt, die Frage nach dem Sinn des Lebens zu stellen und die Antwort darauf zu entwerfen: sie stellt sich daher als eine der vornehmsten Aufgaben der Menschheit dar. Seiner etymologischen Herkunft aus dem Griechischen entsprechend bedeutet das Wort Philosophie ‚Liebe zur Weisheit’. Die Entstehung und Entfaltung der Philosophie fällt tatsächlich genau in die Zeit, als der Mensch begonnen hat, sich nach dem Grund der Dinge und nach ihrem Ziel zu fragen. Sie zeigt in verschiedenen Arten und Formen, dass das Streben nach Wahrheit zur Natur des Menschen gehört. Es ist eine seiner Vernunft angeborene Eigenschaft, sich nach dem Ursprung der Dinge zu fragen, auch wenn sich die nach und nach gegebenen Antworten in einen Horizont einfügen, der die Komplementarität der verschiedenen Kulturen, in denen der Mensch lebt, deutlich macht.“[8]

Der Philosophie geht es also um die Wahrheits- und Sinnfrage als solcher. Sie lenkt den Blick auf das Ganze des menschlichen Lebens und geht von der menschlichen Erfahrung aus, wie sie durch die Vernunft gedeutet und dem tieferen Verständnis erschlossen wird. Entgegen einer in sich selbst widersprüchlichen Haltung des Skeptizismus und des Relativismus kann die Philosophie gültige und wahre Antworten auf wichtige Fragen des Menschen geben. Einige wesentliche Einsichten können und sollen hier skizziert werden:

Aristoteles und andere große Philosophen der Antike haben den Menschen als Vernunft- und Sozialwesen verstanden (als „animal rationale“ und „ens sociale“).[9] Thomas von Aquin hat diese Einsichten in besonderer Weise übernommen und vertieft.[10]

Im Begriff des „vernünftigen Lebewesens“ (des „animal rationale“) ist sowohl die Gemeinsamkeit des Menschen mit den anderen sinnlichen Lebewesen (den Tieren) wie auch sein artbedingter Unterschied (die „differentia specifica“) ausgewiesen: Der Mensch ist einerseits „animal“, d.h. ein Lebewesen, das aufgrund seines Leibes als Organismus in dieser Welt lebt und die entsprechenden sinnenbezogenen Lebensfunktionen vollzieht. Der Mensch ist jedoch zugleich und untrennbar stets „rational“, d.h. mit Vernunft und Freiheit begabt und ausgestattet. Diese Prägung ist so grundlegend, dass sie auch dann zutrifft und als wesentlich gegeben vorauszusetzen ist, wenn der Mensch nicht in der Lage ist, die Tätigkeiten der Vernunft zu aktualisieren (z.B. als Schlafender, Komatöser oder auch als Embryo).[11] Die ihm kraft des Menschseins in einer prinzipiellen Weise zukommende Vernunftfähigkeit hebt den Menschen heraus aus der Gruppe der übrigen Lebewesen (und seien sie noch so hoch entwickelt und differenziert). Die Rationalität als Anlage und in ihrem Vollzug stellt den Menschen wirklich als Krone der sichtbaren Schöpfung heraus und weist ihm damit zugleich eine besondere Verantwortung zu. Denn mit der Vernunftfähigkeit ist dem Menschen auch die Fähigkeit gegeben, in Freiheit sein Schicksal zu bestimmen und zu sich selbst, zu den Mitmenschen und zu Gott in eine bewusst gestaltete, verantwortete Beziehung zu treten.

Damit ist auch die soziale Dimension des Menschseins angesprochen: Er ist ein Gemeinschaftswesen (ein „ens sociale“ oder „zoon politikon“). Der Mensch existiert nie nur als Einzelwesen, sondern immer in einer Relation, d.h. in einem Bezug zu anderen und natürlich zu Gott. Dies heißt nicht, dass der Einzelmensch keinen Wert hätte; der einzelnen menschlichen Person als solcher kommt vielmehr der grundlegende Wert zu. Aber um überhaupt als Persönlichkeit heranreifen zu können und sich im Leben zu bewähren, ist der Mensch auf andere angewiesen. Dies weist uns hin auf den unersetzbaren Wert der Familie. Auch diese seine soziale Prägung und Ausrichtung zeigt die Einzigartigkeit des Menschseins auf.[12]

Der Mensch ist also – so können wir diese knappen philosophischen Überlegungen zusammenfassen – ein Wesen von besonderer Qualität des Seins und Wirkens, er ist „Person“ mit einzigartiger Würde und grundlegenden Rechten und Pflichten.[13] Diese Würde verbindet sich zutiefst mit seiner ontologischen Beschreibung als „animal rationale“, als geistiges Lebewesen, das mit Vernunft und Freiheit ausgestattet ist und sich kraft seines Gewissens befähigt weiß, das sittlich Gute zu erkennen und sich für dessen Erfüllung auch zu verantworten. Jeder Mensch ist als Person aufgerufen, gleichsam sein besseres Selbst in sich zu verwirklichen und so zur Erfüllung und Vollendung seiner Persönlichkeit zu gelangen.[14] Dass dies dem Menschen ohne Gottes Gnade freilich letztlich nicht möglich ist, ist eine Einsicht, die dem natürlichen Denken und damit der Philosophie als solcher verschlossen bleibt.

Die Frage nach der Würde des Menschen und seiner möglichen Selbstvollendung stellt sich gerade in Situationen des Leides und der Bedrängnis, ja des für jeden Menschen unabwendbaren Todes mit unabweisbarer Dringlichkeit. Angesichts dieser Grenzerfahrungen sieht sich jeder Mensch im Hinblick auf die Sinnfrage zutiefst herausgefordert: „Warum muss gerade ich leiden? Warum geht es mir so schlecht? Bin ich schlechter als andere? Habe ich Böses getan? Haben andere Böses getan, die leiden müssen? Warum müssen auch Unschuldige leiden? Warum endet dieses so wunderbare Leben mit dem Tod? Ist der Tod das Ende von allem und damit die grundlegende Infragestellung des Sinnes des Lebens oder kann er als Durchgang zu einem neuen Leben und zur Vollendung gesehen werden?“[15]

Diese Fragen liegen im Grenzbereich von Philosophie und Religion. Letztlich kann nur der Glaube eine wirkliche Antwort geben. Doch auch das philosophische Nachdenken kann so weit kommen, dass der suchende und fragende Mensch die begründete und hoffnungsvolle Überzeugung gewinnt: „Mein Leben geht auch nach dem Tod weiter. Ich werde nicht einfach ausgelöscht und falle ins Nichts zurück.“ Man kann nämlich argumentieren: So wie alle anderen Lebewesen grundsätzlich ihre artgemäße Vollendung finden, so muss auch der Mensch in seiner Einzigartigkeit und in seiner Sehnsucht nach Leben über den Tod hinaus Erfüllung finden können. Ansonsten wäre er nur ein „Torso“, ein Bruchstück und damit zugleich die Krone der sichtbaren Schöpfung, aber auch ihr größtes Missgeschick, da sich bei ihm eine höchste Hoffnung regt, die nicht erfüllt werden kann.

Schon Immanuel Kant hat aufgrund von natürlichen Überlegungen aus der Tatsache der menschlichen Freiheit und des mit ihr verbundenen Sittengesetzes gefolgert, es müsse einen guten und gerechten Gott geben, der die freien und daher verantwortlichen Taten der Menschen als Richter bewertet, d.h. das Gute belohnt und das Böse bestraft. Damit verbunden ist die Überzeugung von der Unsterblichkeit der Seele.[16]

Theologischer Zugang: das Geheimnis des fleischgewordenen Wortes

Der Mensch hat nicht nur viele Fragen, die er sich selbst und anderen stellt, er ist sich selbst auch eine große Frage. Wo findet er Antwort? Er kann diese letztlich nur in Jesus Christus, d.h. im Geheimnis des fleischgewordenen Wortes Gottes finden. Denn nur in ihm, dem „Erstgeborenen der ganzen Schöpfung“ (Kol 1,15), der zugleich der „Erstgeborene von den Toten“ (Kol 1,18) ist, klärt sich das Geheimnis des Menschen voll auf und erhält der Mensch auf alle seine Fragen und auf die Frage des Menschseins überhaupt die letzte und umfassende Antwort.[17]

Wer daher wissen will, wer der Mensch wirklich ist, kann nicht an Gott und seiner Offenbarung vorbeigehen. Der Mensch ist nach dem Bilde Gottes geschaffen.[18] Als er in Sünde gefallen war, hat ihn Jesus Christus durch sein Kostbares Blut erlöst. Und so konnte der selige Johannes XXIII. in seiner Enzyklika „Pacem in terris“ festhalten:

„Wenn wir die Würde der menschlichen Person nach den Offenbarungswahrheiten betrachten, müssen wir sie noch viel höher einschätzen. Denn die Menschen sind ja durch das Blut Jesu Christi erlöst, durch die himmlische Gnade Kinder und Freunde Gottes geworden und zu Erben der ewigen Herrlichkeit eingesetzt.“[19]

Auf ähnliche Weise betonte Johannes Paul II. in der Antrittsenzyklika „Redemptor hominis“ die Würde und Berufung des Menschen:

„Die Kirche, die nicht aufhört, das Geheimnis Christi in seiner Gesamtheit zu betrachten, weiß mit voller Glaubensgewissheit, dass die Erlösung, die durch das Kreuz erfolgt ist, dem Menschen endgültig seine Würde und den Sinn seiner Existenz in der Welt zurückgegeben hat, den Sinn, den er in beachtlichem Maße durch die Sünde verloren hatte. Deshalb hat die Erlösung sich im Ostergeheimnis vollendet, das durch das Kreuz und den Tod zur Auferstehung führt.“[20]

Für uns Christen versteht es sich von selbst, dass die gottgeschenkte Würde des Menschen gerade auch den Kranken, Leidenden und Sterbenden zukommt. Weil der Sohn Gottes am Kreuz Leiden und Tod mit uns teilen wollte, ist er darin dem leidenden und sterbenden Menschen besonders nahe geworden. Mag auch das Antlitz des leidenden, kranken und sterbenden Menschen mitunter sehr entstellt sein – so sehr, dass sich Außenstehende fragen, ob denn all das noch „menschenwürdig“ sei oder ob dieses Leben noch „lebenswert“ sein könne: Der Blick auf das Kreuz Christi, an dem der Sohn Gottes hängt, der keine Gestalt mehr hatte[21], zeigt uns, dass Gottes Liebe den Menschen im Leiden und im Tod nicht verlässt, sondern ihn in Verbundenheit mit Christus zur Herrlichkeit des ewigen und seligen Lebens führen will. Johannes Paul II. hat festgestellt: „Wenngleich die Existenz eines jeden von uns so begrenzt und zerbrechlich ist, tröstet uns doch der Gedanke, dass wir kraft der Geistseele über den Tod hinaus leben. Der Glaube eröffnet uns darüber hinaus eine ‚Hoffnung, die nicht zugrunde gehen lässt’ (Röm 5, 5): Er eröffnet uns die Aussicht auf die Auferstehung am Ende der Zeiten.“[22]

Die Würde des Menschen in Krankheit, Leiden und Tod

Bei so manchem Leid tut man sich scheinbar leicht, dies demjenigen ursächlich zuzuschreiben, der in einem konkreten Fall schuldig geworden ist oder versagt hat. Doch wenn wir konkret auf das Leiden so vieler Unschuldiger blicken, so könnte man fragen: Wo ist Gott?[23] Warum lässt uns Gottes Liebe leiden?[24]

Das menschliche Leiden, das zwar grundsätzlich eine Straffolge der Sünde[25] und eine Möglichkeit der Bewährung im Guten sowie der Läuterung und Reifung ist[26], bleibt dennoch stets ein Geheimnis. Tröstend bleibt die Überzeugung des Glaubens: Gott lässt in seiner Liebe kein Übel zu, ohne dass nicht für jene, die ihn lieben, daraus Gutes entsteht.[27]

Leiden und Krankheit können ganz verschiedene Dimensionen haben: Nicht jedes Leiden ist mit Krankheit gleichzusetzen. Es gibt z.B. seelisches Leid, das nichts mit Krankheit zu tun hat, ja sogar Leid aus Liebe. Wenn jemand mit einem anderen Menschen in Freundschaft und Liebe verbunden ist, und er sieht, wie es diesem Menschen schlecht geht oder er in Gefahr gerät, dann nimmt er daran Anteil und leidet womöglich mit. Wollte man diese Art von Leid aus dem Menschenleben hier auf Erden verbannen, dann wäre auch echte Nächstenliebe nicht mehr möglich. Oder denken wir an das Leid und den inneren seelischen Schmerz, den der Mensch in der Reue darüber empfindet, dass er Böses getan und Gott „beleidigt“ hat: auch hier handelt es sich um eine wesentliche Dimension des religiösen Lebens, welche nicht verdrängt werden darf. Eine gewisse Tendenz der Gesellschaft, eine absolute „Leidlosigkeit“ zu erreichen, ist darum zutiefst inhuman, weil sie den Menschen um die Chance tiefster Anteilnahme und des menschlichen Reifens bringt.

Wie sieht es nun mit der Krankheit aus? Die Kirche betont den Wert der Gesundheit und setzt sich – überall wo es möglich ist – für die Heilung der Kranken ein bzw. ermutigt alle Verantwortlichen zum Einsatz dafür. Und doch kann es Grenzen geben: Bestimmte Krankheiten können nicht oder noch nicht geheilt werden. Dies tritt insbesondere angesichts der Grenze des Todes verstärkt ins Bewusstsein. Der ältere Mensch (und grundsätzlich auch der jüngere) sollte irgendwann akzeptieren können, dass der unausweichliche körperliche Verfall bzw. die damit verbundenen Krankheiten und Leiden einfach zum Menschsein in dieser Welt dazugehören und nicht notwendigerweise mit einem Verlust des Eigentlichen im Leben einhergehen müssen, sondern gerade zu seiner Gewinnung und Entdeckung betragen können.[28]

Beim Besuch des „Hauses der Barmherzigkeit“ würdigte Johannes Paul II. am 11. September 1983 in seiner Ansprache das geduldig ertragene Leiden als „Predigt“, die durch keine Kanzel, keine Schule und keine Vorlesung zu ersetzen sei: „Die Krankenzimmer dienen einem Volk nicht weniger als die Klassenzimmer und die Hörsäle.“[29] Weder alte noch kranke Menschen dürften als Außenseiter der Gesellschaft angesehen werden.[30] Vielmehr gehörten sie wesentlich dazu. Johannes Paul II. bedankte sich bei den Leidenden, die ihr Gebet und Opfer in den vielen Nöten und Anliegen der Menschheit darbringen. Auf Erden könne der Mensch Gott nicht wahrhaftiger loben und anbeten als mit einem Herzen, das auch im Leiden an seine Weisheit und Liebe glaubt. Ein geduldig ertragenes Leid werde gewissermaßen selbst zum Gebet und zum reichen Quell der Gnade: „Über Gesunden und Kranken, Frischen und Müden, Beweglichen und Behinderten, geistig Wachen und geistig Schlafenden steht Gottes väterliches Ja und macht jeden ihrer Tage zu einem Stück Weg in die Vollendung — und damit lebenswert.“[31] Krankheit und Leid könnten eine schwere Prüfung für die Betroffenen sein: „Aber eine Welt ohne Kranke, so widersprüchlich dies auch klingen mag, würde ärmer sein. Denn sie wäre ärmer an gelebter Mitmenschlichkeit, ärmer an selbstloser, ja mitunter heroischer Liebe.“[32]

Johannes Paul II. hat am 1. Oktober 1999 auch einen „Brief an die alten Menschen“ vorgelegt, worin er auf diese Probleme ausführlich eingegangen ist. Durch das Beispiel seines Lebens als alter und kranker Mann hat er in den letzten Lebensjahren vor seinem Tod gezeigt, wie groß die christliche Hoffnung, Zuversicht und Geduld ist und sein kann und wie wertvoll das Zeugnis der Annahme eines solchen Lebens auch für andere ist.

Alte Menschen können aufgrund ihrer Lebenserfahrung vieles besser einordnen. Nicht allein die Zunahme von Wissen zählt (welche im Alter aufgrund physischer Faktoren auch wieder verloren gehen kann oder stark beeinträchtigt sein kann, siehe die „Altersvergesslichkeit“ etc.), sondern der Erwerb echter Weisheit: In ihr erhält der Mensch einen Blick für das Ganze und Wesentliche seines Lebens.[33] Ältere Menschen sind gleichsam „Hüter des kollektiven Gedächtnisses der Menschheit“.[34]

Die wahre Weisheit schließt die Furcht Gottes mit ein und lenkt den Blick auf das Bleibende und Ewige. Ein alter Mensch hat wenigstens teilweise die Möglichkeit, die Früchte seines Wirkens auf Erden zu sehen: Wohl dem, der nicht nur auf Materielles gesetzt hat, das sehr schnell wieder zerstört werden kann, sondern der auf bleibende Werte gebaut hat, wie Liebe, Freundschaft, Zuwendung zu den Armen und Kranken, Verbundenheit mit Gott, Einsatz für Kirche und Gesellschaft etc. Es geht für den alten und insbesondere den kranken und sterbenden Menschen um ein Einüben in die Haltung des Loslassens, um auf diese Weise das Wesentliche zu gewinnen.

Der Glaube vermag die Kraft zu geben, auch Dinge zuzulassen, die für einen bloß auf sich fixierten Menschen zu Ärgernis und Verbitterung führen. Wer mit Christus verbunden ist, erlebt das eigene Absterben nicht als letzten Verlust, sondern als Weg und Durchgang zum bleibenden und ewigen Leben bei Gott.[35] So soll gerade der alte, kranke und sterbende Mensch zu einer letzten Güte und Hingabe heranreifen, die ihn dann wirklich willkommen macht im Reich des Himmels.[36]

Praktische Anwendungen

Einige praktische Überlegungen mögen als Abschluss dieser Ausführungen dienen.

Wir können uns zuerst fragen: Wie sind wir selber angesichts von Krankheit, Leiden und Tod herausgefordert? Wie sollen wir reagieren?

Als gläubige Menschen, die wir sein wollen, sind wir auf die Liebe Christi verwiesen, wie sie uns die Kirche verkündet und sakramental gegenwärtig hält und vermittelt. Im Wort Gottes und in den Gnadenmitteln der Sakramente erschließen sich unerschöpfliche Kraftquellen auch für die Annahme all dessen, was in unserem eigenen Leben dunkel und schwer ist und als Zulassung Gottes oder vielleicht gar als Zumutung empfunden werden mag. Wer sich im Gebet, im Hören auf das Wort Gottes und in der Feier der heiligen Messe sowie der Sakramente insgesamt für das Wirken der Gnade Gottes öffnet, wird spüren: Wir sind nicht allein. Gottes Liebe stärkt uns und hilft uns, unser Schicksal als Gottes gütiges Handeln an uns zu begreifen und anzunehmen. Die Frucht dessen wird dann große Geduld und Gelassenheit sein sowie Ergebenheit in Gottes Willen. Zugleich darf der Christ in eigenem und fremdem Leid natürlich nach Auswegen suchen: nach Heilung und Abhilfe, soweit möglich, nach Linderung, Tröstung und Beistand.

Mitunter werden jedoch für Extremsituationen des menschlichen Lebens falsche Lösungen angeboten:

Unter Euthanasie wird direkte Sterbehilfe verstanden, sei sie aktiv oder passiv. Euthanasie als eine Handlung oder Unterlassung, die ihrer Natur nach und aus bewusster Absicht den Tod herbeiführt, um auf diese Weise den Schmerz zu beenden, ist ein schweres Vergehen gegen das Gesetz Gottes. Wenn hingegen Sterbenden schmerzlindernde Medikamente gegeben werden, die als unbeabsichtigte Nebenfolge den Todeseintritt beschleunigen, ist diese Handlung (indirekte Sterbehilfe) in Abwägung der ärztlichen Doppelpflicht (nämlich Leben erhalten und Schmerzen lindern) in bestimmten Fällen sittlich zulässig. Auch ein Therapieverzicht auf außerordentliche Mittel, welche das Leben eines Sterbenden nur künstlich hinauszögern, scheint verantwortlich bzw. unter Umständen sogar von einem christlichen Standpunkt aus geboten. Mit direkter Sterbehilfe hat dies nichts zu tun, sondern es geht hier um ein „Sterben-Lassen“.[37]

Zur Veranschaulichung wollen wir auf einen konkreten Fall an der Grenze ärztlichen Könnens und Vermögens eingehen, wie er in der Praxis vorkommen kann:

Womöglich ist jemand bereits „austherapiert“ und es gibt keine menschliche Hoffnung mehr auf Heilung. Die Ärzte und das medizinische Personal sind zur Auffassung gekommen, dass der betreffende Mensch zwar noch das bekommen soll, was zur nötigen Grundversorgung und Grundpflege gehört bzw. was der Linderung seiner Schmerzen dient, aber nicht „Mehr“, weil eben dieses scheinbare medizinische „Mehr“ in Wirklichkeit eine zusätzliche und angesichts der Gesamtprognose auch unnötige Belastung wäre. Vielleicht gibt es außerordentliche Mittel und Maßnahmen mit einer gewissen Chance auf Erfolg auch bei irreversibel scheinenden Krankheiten; weil dies aber vielfach ungewiss und mit großen Risiken verbunden ist, wird man dies nicht einfordern dürfen und nicht einmal generell empfehlen können.[38] Es gibt eben objektiv Grenzen, die uns als schwache und hinfällige Menschen gesetzt sind und die wir auch akzeptieren und annehmen müssen. Als Christen leitet uns die aus dem Glauben kommende hoffnungsvolle Gewissheit, dass wir die Vollendung des Lebens in Gottes ewiger Herrlichkeit finden, wenn wir uns ganz seiner Liebe anvertrauen.

Eine immer wieder angesprochene Problematik ist die Frage der Nahrungs- und Flüssigkeitszufuhr für Schwerkranke, unter Umständen auch auf künstliche Art und Weise (z.B. durch eine Magensonde). Hier gilt es eine wichtige Unterscheidung zu treffen: Grundsätzlich hat jeder Mensch, ob gesund oder krank, ein Recht auf Nahrung und Flüssigkeit. Wird dies jemandem grundsätzlich verweigert, so handelt es sich um Mitwirkung bei einer Tötung durch Unterlassung. Trifft umgekehrt jemand die Entscheidung, nichts mehr zu essen oder zu trinken, dann ist er selber verantwortlich dafür, dass er sich auf diese Weise das Leben nimmt.

Wie sieht es aber in einer medizinischen Extremsituation aus, in der jemand nur mehr auf künstliche Weise ernährt bzw. mit Flüssigkeit versorgt werden kann? Auch hier handelt es sich bei der Ernährung und Flüssigkeitsaufnahme um ein natürliches Grundbedürfnis, das nicht einfach deshalb außer Kraft tritt, weil ihm nur mehr mit gewissen Hilfsmitteln entsprochen werden kann. Handelt es sich also nicht um eine aufgrund der spezifischen Umstände ganz außergewöhnliche Belastung des Patienten, wenn ihm künstliche Ernährung und Flüssigkeitszufuhr ermöglicht wird, so ist ihm diese auch zu gewähren. Es besteht ja im Hinblick auf Nahrungszufuhr und Flüssigkeitsaufnahme ein zweifaches Ziel: das der Lebenserhaltung und das der Linderung von Schmerzen. Solange diesem Ziel entsprochen werden kann, ist es ethisch nicht vertretbar, die Nahrungs- und Flüssigkeitszufuhr abzusetzen, weil man auf diese Weise durch gewollte Unterlassung den Tod herbeiführen würde.

Kann hingegen der Patient aufgrund der fortgeschrittenen Situation seiner Krankheit Nahrung und Flüssigkeit gar nicht mehr aufnehmen oder würde dies keine Verbesserung der Lebensqualität mehr bewirken, weil er bereits im Sterben liegt, dann wäre es sinnlos und eine unnötige Belastung, den Patienten weiterhin mit Nahrung und Flüssigkeit zu versorgen. Nicht selten gibt der Patient dies in jener letzten Phase seines Lebens auch selber zu verstehen, soweit er sich noch artikulieren kann, und man sollte diese Willensäußerung ernst nehmen und respektieren.

Kann und darf jemand durch eine Patientenverfügung gleichsam im Voraus anordnen, dass ihm z.B. keine Magensonde eingepflanzt werden soll? Da es sich hier um einen Grenzbereich zwischen ärztlich-therapeutischem Handeln und pflegerischer Maßnahme handelt, ist es umstritten, inwieweit eine solche Erklärung überhaupt eine rechtlich bindende Wirkung haben kann. Die österreichische Rechtslage schließt ja aus, dass es Maßnahmen der Euthanasie geben darf: Insofern die Nichtermöglichung einer medizinisch induzierten künstlichen Ernährung bzw. Flüssigkeitszufuhr eine Mitwirkung an einer Tötung durch Unterlassung darstellen könnte, wird sich der verantwortliche Arzt sowohl aus rechtlichen als auch aus ethischen Motiven davor hüten, diese Wünsche umzusetzen. Natürlich kann es Situationen geben, wo ein Patient aufgrund verschiedener Krankheitsfaktoren dem sicheren Tod entgegen geht und er das berechtigte Anliegen hat, ihm möge Weiteres erspart werden, sodass er meint, es wäre besser für ihn, in Frieden sterben zu können als noch unnötig gequält zu werden. In diesem Fall wird das behutsam aufklärende Gespräch hilfreich sein, sofern der Patient dazu noch in der Lage ist (bzw. auch im Vorfeld, wenn jemand daran denkt, eine Patientenverfügung zu verfassen). Doch selbst in diesem Fall darf die Absetzung der Nahrungs- und Flüssigkeitszufuhr nicht die Ursache dafür sein, dass ein Patient sterben muss: Es müsste sich also um eine palliative Maßnahme handeln, welche allein das Ziel hat, dem Patienten sein Sterben zu erleichtern, nicht aber dieses ursächlich herbeizuführen. Die Kongregation für die Glaubenslehre hat in diesem Sinn eine hilfreiche Klarstellung veröffentlicht, welche sich auf den besonderen Fall von Patienten bezieht, die sich im sog. Wachkoma befinden. Da es sich hier nicht um einen Zustand handelt, welcher dem Sterbeprozess gleichzusetzen ist, ist die Lebenserhaltung auch durch künstliche Ernährung und Flüssigkeitszufuhr weiterhin geboten.[39]

Die Kirche ermutigt alle, sich in christlicher Nächstenliebe verstärkt dem kranken, leidenden und sterbenden Menschen zuzuwenden.[40] Oft ist der Wunsch unheilbar Kranker, „freiwillig“ aus dem Leben zu scheiden, nur ein Symptom dafür, dass sie sich in ihrer Situation alleingelassen fühlen. In dem Maß, wie die persönliche Betreuung und die liebevolle Anteilnahme von Menschen gegeben sind, nehmen solche Wünsche radikal ab. Im Grunde weiß doch jeder Mensch, dass er nicht selber über den Wert oder Unwert seines Lebens bestimmen und verfügen kann. Der christliche Glaube gibt uns auch dort noch Hoffnung, wo andere längst keinen Sinn mehr zu sehen vermögen.

Das prophetische Zeugnis der Kirche für Wert und Würde jedes menschlichen Lebens umfasst Gesunde und Kranke, Junge und Alte, Ungeborene und Geborene, noch im vollen Leben Stehende und bereits Sterbende. Allen Menschen verkündet die Kirche die frohe Botschaft, dass uns in Jesus Christus das Heil geschenkt ist, wenn wir an ihn glauben und seine Botschaft annehmen: Denn er ist das ewige Wort, das der Vater im Himmel im Heiligen Geist zu uns gesandt hat, damit wir in ihm das Leben haben und es in Fülle haben (vgl. Joh 10,10).

 

 


 

[1] In seiner Aschermittwoch-Predigt 2006 wies der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz Kardinal Lehmann diese Vorstellung als unvereinbar mit dem christlichen Denken zurück: „Meine lieben Schwestern und Brüder, so können wir auch nochmals kurz zurückkommen auf die Renaissance von Religion, wenn es so etwas in unseren Tagen gibt. Wir müssen nur aufpassen, was damit gemeint ist: Wir wollen keine Wellness-Religion; wir wollen keine Religion, die nur dazu dienen soll, sich eben wohl zu fühlen, aber sich sonst eigentlich nichts ändert und sonst nichts anders wird. Da gibt es auch manchen Betrug, dass wir mit einer neuen Wohlbefindlichkeit abgespeist werden sollen bei unseren Problemen, bei unseren Fragen, die wir haben. Das ist nicht das, was wir verkünden. Der Weg Jesu, gerade auch in der Österlichen Bußzeit, verschweigt nicht, dass es in dieser Welt auch Leiden gibt. Es ist ein Leiden so vieler Menschen, das wir lindern sollen. Wir ahnen, dass es diesen großen letzten Feind des Menschen gibt – den Tod, dem wir nicht ausweichen können; dem wir mit Jesus und mit seinem Weg allerdings auch ins Gesicht sehen können. Wir können aus diesem Glauben zuversichtlich auch unser Kreuz, unsere täglichen Kreuze, jeden Tag auf die Schulter nehmen und mit ihm gehen, in der Nachfolge Christi. Dann werden wir vieles bewältigen können, was uns sonst vielleicht zu Boden drückt. Daraus können wir Kraft schöpfen, das zu korrigieren, wozu wir auch im Religiösen versucht sind.“ – Predigt beim Aschermittwoch der Künstler im Hohen Dom zu Mainz am 1. März 2006, online.

[2] Zu denken ist insbesondere an Tendenzen im Gesundheitssystem, jenen Menschen medizinisch notwendige, aber kostenintensive Behandlungen vorzuenthalten, die in den Wertungen der Gesellschaft weniger zählen als andere (z.B. Alte und Behinderte); auch der versteckte oder offene Druck in Richtung Euthanasie ist hier anzuführen. Das ungeborene Leben des vielleicht behinderten Kindes scheint auf jeden Fall weniger zu zählen als das durch Abtreibung angeblich ermöglichte angebliche psychische und soziale Wohlbefinden der Eltern. Im Grunde handelt es sich bei all diesen Beispielen um menschliche Kapitulationserklärungen vor dem Problem des Leidens und des Todes, was – unter Ausblendung der Transzendenz Gottes – letztlich nur konsequent ist, da der Mensch aus eigenen Kräften hier tatsächlich „heillos“ überfordert ist und sein muss. Die „Event- und Spaßgesellschaft“ offenbart in ihrer Konzentration auf das Oberflächliche eine tiefe Resignation, welche in die Nähe tödlicher Verzweiflung führt, sobald sie ohne Perspektive zur Kurskorrektur des Lebens als solche wahrgenommen wird.

[3] Bezeichnend ist folgende Aussage: „Der Begriff ‚Seele’ bezeichnet eine nicht beobachtbare immaterielle Entität, die die beobachtbaren geistig-seelischen Phänomene erklären sollte, solange eine solche Erklärung auf neurobiologische Weise nicht möglich war. Nach den heute vorliegenden Erkenntnissen der Neurobiologie gibt es aber keinen vernünftigen Grund mehr, anzunehmen, dass eine solche immaterielle Entität existiert.“ – Wolf Pohl, Zum Problem der Willensfreiheit, in: Aufklärung und Kritik 2/2006, 65, online.

[4] Der Verhaltensphysiologe Gerhard Roth vertritt die Auffassung: „Das Gefühl, bei der Willensbildung und der Handlungsentscheidung frei zu sein (d.h. nicht aus Ursachen, sondern aus Gründen zu handeln und im Prinzip auch anders entscheiden zu können), ist eine Illusion, wenngleich eine für unser komplexes Handeln notwendige Illusion.“ – Das Problem der Willensfreiheit aus Sicht der Hirnforschung, in: Zur Freiheit des Willens. Streitgespräch in der Wissenschaftlichen Sitzung der Versammlung der Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften am 27. Juni 2003, 83–92, hier 90, online. – Aktuell wird von Neurophysiologen (so auf dem Kongress „Quantum Mind“ in Salzburg vom 17.-20.07.2007, siehe) die Frage gestellt: „Funktioniert das Bewusstsein als ganzes vielleicht wie ein Quantensystem?“ Wenn darauf eine teilweise bejahende Antwort gefunden werden könnte, wäre diese dennoch nicht auf das menschliche Bewusstsein als solches zu applizieren, sondern beträfe nur dessen biologisch-materielle Grundlage im Gehirn und im Nervensystem. Vgl. zur Diskussion auch Michael Pauen, Illusion Freiheit? Mögliche und unmögliche Konsequenzen der Hirnforschung, Frankfurt a. M. 2004. Pauen selber vertritt trotz seiner relativen Bejahung einer Handlungsfreiheit einen materialistischen Monismus: vgl. ebd., 247, Anm. 43.

[5] Zum Überblick vgl. Dieter Wyss, Die tiefenpsychologischen Schulen von den Anfängen bis zur Gegenwart. Entwicklung, Probleme, Krisen, Göttingen 61991, worin grundlegend zwischen naturwissenschaftlich und philosophisch orientierten tiefenpsychologischen Theorien unterschieden wird.

[6] Manfred Pohlen und Margarethe Bautz-Holzherr (Psychoanalyse – das Ende einer Deutungsmacht, Reinbek bei Hamburg 1995, 230) werfen der Psychoanalyse unter anderem eine „Usurpation der religiösen Macht als psychologische Selbsterlösungslehre“ vor.

[7] Viktor Frankl selbst war persönlich zutiefst von der Existenz Gottes überzeugt, wenn er in kritischer Absetzung von Freud und seiner Schule feststellt: „Hinter dem Über-Ich des Menschen steht nicht das Ich eines Übermenschen, sondern das Du Gottes; denn nie und nimmer könnte das Gewissen ein Machtwort sein in der Immanenz, wäre es nicht das Du-Wort der Transzendenz.“ – Der unbewusste Gott, Wien 1949, 85, zit. nach Wyss, a.a.O., 279.

[8] Johannes Paul II., Enzyklika „Fides et ratio“ über das Verhältnis von Glaube und Vernunft, 14. September 1998, Nr. 3, dt. in der Reihe “Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls” 135.

[9] „Homo est animal rationale sociale.” – Aristoteles, Politik I 2 1253 a1; vgl. Cicero, De re publica, I 25,39. “Rationale enim animal est homo.” – Seneca, ep. 41,7–9.

[10] Vgl. z.B. im Hinblick auf die Anteilnahme des Menschen kraft seiner Vernunftnatur am natürlichen Sittengesetz und am ewigen Gesetz Gottes: STh I-II q.91 a.2.

[11] Zur Diskussion und Orientierung über den Personstatus des menschlichen Embryos vgl. Pontificia Academia pro Vita (Juan de Dios Vial Correa, Elio Screccia, Hg.), The Identity and Status of the Human Embryo. Proceedings of Third Assembly of the Pontifical Academy for Life (Vatican City, February 14–16, 1997), Citta del Vaticano 21999; Clemens Breuer, Person von Anfang an? Der Mensch aus der Retorte und die Frage nach dem Beginn des menschlichen Lebens, Paderborn 1995; Rainer Beckmann, Mechthild Löhr (Hg.), Der Status des Embryos: Medizin – Ethik – Recht. Würzburg 2003.

[12] Der Sozialethiker Johannes Messner sah einen wesentlichen existentiellen Zweck des Menschseins in der „gesellschaftliche(n) Verbindung zur Förderung des allgemeinen Nutzens, der in der Sicherung von Frieden und Ordnung sowie in der Ermöglichung des vollmenschlichen Seins für alle Glieder der Gesellschaft in verhältnismäßiger Anteilnahme an der ihr verfügbaren Güterfülle besteht“ (Das Naturrecht. Handbuch der Gesellschaftsethik, Staatsethik und Wirtschaftsethik, Berlin 19847, 42). Zur Analyse der existentiellen Zwecke in zeitgemäßer Fortführung und Aktualisierung der Anliegen Johannes Messners vgl. Josef Spindelböck, Von den Zielen des Menschseins. Anregungen zu einer Kriteriologie des Sittlichen im Rahmen der Sozialethik, in: Theologisches 34 (2004) 395–404.

[13] Thomas von Aquin stellt fest, dass „nur das geistige Wesen um seiner selbst willen im Weltplan gewollt ist, alles andere um seinetwillen.“ – In Eth. Nic. I, 1.

[14] Der „Sinn der Freiheit“ besteht „in der Verwirklichung seines wahren Selbst, wie es ihm die Zwecke anzeigen, die er in den seine Natur konstituierenden Trieben vorgezeichnet findet.“ – Vgl. Johannes Messner, Widersprüche in der menschlichen Existenz. Tatsachen, Verhängnisse, Hoffnungen, Innsbruck-Wien-München 1952, 225.

[15] Vgl. dazu Josef Spindelböck, Sinnfrage und Grundentscheidung. Zur finalen Struktur sittlicher Erkenntnis und Entscheidung, in: Studia Moralia 42 (2003) 209 f (Abstract) und 421–435 (Volltext).

[16] Vgl. Immanuel Kant, Kritik der praktischen Vernunft, Zweites Buch, Zweites Hauptstück, IV. Die Unsterblichkeit der Seele, als ein Postulat der reinen praktischen Vernunft, A 219–223; V. Das Dasein Gottes, als ein Postulat der reinen praktischen Vernunft, A 223–227, online. Vgl. dazu auch Giovanni B. Sala, Kants „Kritik der praktischen Vernunft“. Ein Kommentar, Darmstadt 2004, 273–282 (zum Unsterblichkeitspostulat) und 282–293 (zum Postulat des Daseins Gottes). – Zur philosophischen Problematik eines Zugangs zu Gott mit den Mitteln der natürlichen Vernunft überhaupt vgl. Robert Spaemann, Das unsterbliche Gerücht. Die Frage nach Gott und die Täuschung der Moderne, Stuttgart 2007.

[17] Das 2. Vatikanische Konzil erklärte in seiner Pastoralkonstitution „Gaudium et Spes“, Nr. 21: „Jeder Mensch bleibt vorläufig sich selbst eine ungelöste Frage, die er dunkel spürt. Denn niemand kann in gewissen Augenblicken, besonders in den bedeutenderen Ereignissen des Lebens, diese Frage gänzlich verdrängen. Auf diese Frage kann nur Gott die volle und ganz sichere Antwort geben; Gott, der den Menschen zu tieferem Nachdenken und demütigerem Suchen aufruft.“ Und in Nr. 22 heißt es: „Tatsächlich klärt sich nur im Geheimnis des fleischgewordenen Wortes das Geheimnis des Menschen wahrhaft auf. ... Christus, der neue Adam, macht eben in der Offenbarung des Geheimnisses des Vaters und seiner Liebe dem Menschen den Menschen selbst voll kund und erschließt ihm seine höchste Berufung.“ Vgl. dazu: Josef Spindelböck, „Christ – erkenne deine Würde!“ Der Mensch als Gottes Ebenbild und seine Berufung zur Gotteskindschaft, in: Gottgeweiht 17 (2004) 37–42.

[18] „Gott schuf also den Menschen als sein Abbild; als Abbild Gottes schuf er ihn. Als Mann und Frau schuf er sie.“ – Gen 1,27.

[19] Johannes XXIII., Enzyklika „Pacem in terris“ über den Frieden unter allen Völkern in Wahrheit, Gerechtigkeit, Liebe und Freiheit, 11.05.1963, Nr. 10.

[20] Johannes Paul II., Enzyklika „Redemptor hominis“, 04.03.1979, Nr. 10, dt. in der Reihe “Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls” 6.

[21] In Jes 53,2–5 heißt es als Hinweis auf den kommenden Messias über den „Knecht Gottes“: „Vor seinen Augen wuchs er auf wie ein junger Spross, wie ein Wurzeltrieb aus trockenem Boden. Er hatte keine schöne und edle Gestalt, so dass wir ihn anschauen mochten. Er sah nicht so aus, dass wir Gefallen fanden an ihm. Er wurde verachtet und von den Menschen gemieden, ein Mann voller Schmerzen, mit Krankheit vertraut. Wie einer, vor dem man das Gesicht verhüllt, war er verachtet; wir schätzten ihn nicht. Aber er hat unsere Krankheit getragen und unsere Schmerzen auf sich geladen. Wir meinten, er sei von Gott geschlagen, von ihm getroffen und gebeugt. Doch er wurde durchbohrt wegen unserer Verbrechen, wegen unserer Sünden zermalmt. Zu unserem Heil lag die Strafe auf ihm, durch seine Wunden sind wir geheilt.“ Vgl. dazu KKK 615.

[22] Johannes Paul II., Brief an die alten Menschen, 1. Oktober 1999, Nr. 2, dt. in der Reihe “Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls” 142.

[23] Johann Baptist Metz thematisiert in „Memoria passionis. Ein provozierendes Gedächtnis in pluralistischer Gesellschaft“ (Freiburg 2006) das Leiden der Unschuldigen als Schrei und Anfrage gegenüber Gott sowie als Aufruf zum humanen Vollzug von Erinnerung im Kontext des christlichen Heilsmysteriums.

[24] Gisbert Greshake möchte in seinem Buch „Warum lässt uns Gottes Liebe leiden?“ (Freiburg i.Br. 2007) dazu mithelfen, „den Leiden in der Welt und im eigenen Leben standzuhalten und sie – wenigstens ansatzweise – in einem Sinnhorizont zu sehen, der dem Glauben an einen Gott, der mit unendlicher Liebe seine Schöpfung liebt, nicht widerspricht.“ – Ebd., 10.

[25] Vgl. KKK 405, 418 und 1018.

[26] Vgl. KKK 1473 und 1500–1502. In Nr. 1505 heißt es ausdrücklich: „Durch sein Leiden und seinen Tod am Kreuz hat Christus dem Leiden einen neuen Sinn gegeben: es kann uns nun ihm gleich gestalten und uns mit seinem erlösenden Leiden vereinen.“ KKK 1521 schreibt im Zusammenhang des Sakraments der Krankensalbung über die „Vereinigung mit dem Leiden Christi“: „Durch die Gnade dieses Sakramentes erhält der Kranke die Kraft und die Gabe, sich mit dem Leiden des Herrn noch inniger zu vereinen. Er wird gewissermaßen dazu geweiht, durch die Gleichgestaltung mit dem erlösenden Leiden des Heilands Frucht zu tragen. Das Leiden, Folge der Erbsünde, erhält einen neuen Sinn: es wird zur Teilnahme am Heilswerk Jesu.“

[27] „Wir wissen, dass Gott bei denen, die ihn lieben, alles zum Guten führt, bei denen, die nach seinem ewigen Plan berufen sind.“ – Röm 8,28.

[28] Paulus schreibt: „Darum werden wir nicht müde; wenn auch unser äußerer Mensch aufgerieben wird, der innere wird Tag für Tag erneuert.“ – 2 Kor 4,16.

[29] Johannes Paul II.: Ansprache im „Haus der Barmherzigkeit“, Nr. 1., online. Vgl. auch das Apostolische Schreiben „Salvifici doloris“ über den christlichen Sinn des menschlichen Leidens vom 11. Februar 1984, dt. in der Reihe “Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls” 53.

[30] Ebd., Nr. 2.

[31] Ebd., Nr. 3.

[32] Ebd., Nr. 4.

[33] „Das Alter ist gleichsam die Hoch-Zeit jener Weisheit, die im allgemeinen Frucht der Erfahrung ist, weil ‚die Zeit eine große Lehrmeisterin ist’. Das Gebet des Psalmisten ist ja bekannt: ‚Unsere Tage zu zählen, lehre uns! Dann gewinnen wir ein weises Herz’ (Ps 90, 12).“ – Johannes Paul II., Brief an die alten Menschen, Nr. 5.

[34] „Menschen im vorgerückten Alter helfen uns, mit mehr Weisheit auf die irdischen Angelegenheiten zu schauen, weil sie durch die Wechselfälle des Lebens erfahren und reif geworden sind. Sie sind Hüter des kollektiven Gedächtnisses und daher bevorzugte Interpreten jener Gesamtheit von gemeinsamen Idealen und Werten, die das Zusammenleben in der Gesellschaft tragen und leiten. Wollte man die alten Menschen ausschließen, würde der Anschein erweckt, als sollte im Namen einer gedächtnislosen Modernität die Vergangenheit, in die sich die Wurzeln der Gegenwart einsenken, abgelehnt werden. Dank ihrer reifen Erfahrung sind die Senioren dazu imstande, den Jungen wertvolle Ratschläge und Lehren zu erteilen.“ – Ebd., Nr. 10.

[35] So die Bitte an Gott im Gebet Johannes Pauls II. am Ende seines Briefes an die alten Menschen: „Wenn der Augenblick des endgültigen ‚Übergangs’ gekommen ist, lass uns ihn mit heiterem Herzen antreten, ohne dem nachzutrauern, was wir zurücklassen. Denn wenn wir nach langer Suche dir begegnen, werden wir jeden echten Wert wiederfinden, den wir hier auf Erden erfahren haben. Auch werden wir all jene wiedertreffen, die uns vorausgegangen sind im Zeichen des Glaubens und der Hoffnung.“ – Nr. 18.

[36] Das irdische Leben ist trotz seiner Schönheit „nicht der letzte Wert“, sodass „nach christlicher Auffassung der Lebensabend die Konturen eines ‚Überganges’ annimmt, einer von einem Leben zum anderen geschlagenen Brücke zwischen der zerbrechlichen und unsicheren Freude dieser Erde und der vollkommenen Freude, die der Herr seinen treuen Dienern bereitet: ‚Komm, nimm teil an der Freude deines Herrn!’ (Mt 25, 21).“ – Ebd., Nr. 17.

[37] Eindeutig stellt hier der KKK in Nr. 2279 fest: „Schmerzlindernde Mittel zu verwenden, um die Leiden des Sterbenden zu erleichtern selbst auf die Gefahr hin, sein Leben abzukürzen, kann sittlich der Menschenwürde entsprechen, falls der Tod weder als Ziel noch als Mittel gewollt, sondern bloß als unvermeidbar vorausgesehen und in Kauf genommen wird.“ Vgl. auch: Die österreichischen Bischöfe, „Leben in Fülle“. Leitlinien für katholische Einrichtungen im Dienst der Gesundheitsfürsorge, November 2005, S.21–24, online unter http://www.bischofskonferenz.at .

[38] Es wäre unverantwortlich und letztlich auch inhuman, noch diese oder jene wissenschaftlichen „Experimente“ durchführen zu wollen, ohne nach dem Wohl des betroffenen Menschen zu fragen. Sollten dennoch klinische Studien hier durchgeführt werden, mit der Hoffnung auf einen Nutzen wenn nicht für den Einzelfall, so doch für eine später vielleicht zu entwickelnde Therapie, so müssen Nutzen und Risiken sorgfältig abgewogen werden. Keinesfalls darf der Patient „überfahren“ oder durch falsche Angaben in trügerische Hoffnung versetzt werden. Nur wenn eine derartige Studie grundsätzlich sinnvoll erscheint und der Patient im Einzelfall nach verantwortlicher Aufklärung frei zustimmt (informed consent), sind solche außerordentlichen Wege zu verantworten.

[39] Die Kongregation für die Glaubenslehre antwortete mit 01.08.2007 auf zwei Fragen, die von Bischof William S. Skylstad, dem Vorsitzenden der Bischofskonferenz der Vereinigten Staaten von Amerika, mit Schreiben vom 11. Juli 2005 vorgelegt worden waren: 1. Frage: Ist die Ernährung und Wasserversorgung (ob auf natürlichen oder künstlichen Wegen) eines Patienten im „vegetativen Zustand“ moralisch verpflichtend, außer wenn Nahrung und Wasser vom Körper des Patienten nicht mehr aufgenommen oder ihm nicht verabreicht werden können, ohne erhebliches physisches Unbehagen zu verursachen? – Antwort: Ja. Die Verabreichung von Nahrung und Wasser, auch auf künstlichen Wegen, ist prinzipiell ein gewöhnliches und verhältnismäßiges Mittel der Lebenserhaltung. Sie ist darum verpflichtend in dem Maß, in dem und solange sie nachweislich ihre eigene Zielsetzung erreicht, die in der Wasser- und Nahrungsversorgung des Patienten besteht. Auf diese Weise werden Leiden und Tod durch Verhungern und Verdursten verhindert. – 2. Frage: Falls ein Patient im „anhaltenden vegetativen Zustand“ auf künstlichen Wegen mit Nahrung und Wasser versorgt wird, kann deren Verabreichung abgebrochen werden, wenn kompetente Ärzte mit moralischer Gewissheit erklären, dass der Patient das Bewusstsein nie mehr wiedererlangen wird? – Antwort: Nein. Ein Patient im „anhaltenden vegetativen Zustand“ ist eine Person mit einer grundlegenden menschlichen Würde, der man deshalb die gewöhnliche und verhältnismäßige Pflege schuldet, welche prinzipiell die Verabreichung von Wasser und Nahrung, auch auf künstlichen Wegen, einschließt. Dokumentation dieser Stellungnahme online ; ein offizieller lehrmäßiger Kommentar Kommentar. Hilfreich ist auch das IMABE-Sonderheft zu „Künstliche Ernährung und Therapiereduktion“ (Imago hominis 4/2007), teilweise online.

[40] Vgl. Benedikt XVI., Enzyklika „Deus caritas est“ über die christliche Liebe, 25. Dezember 2005, Nr. 22 und 27, dt. in der Reihe “Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls” 171.