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Die Gestalt des heiligen Josef in der Theologie Johannes Gersons
(28. Januar 1999)

Christof Heibler

Hinweis/Quelle: Festvortrag bei der Thomas-Akademie der Philosophisch-Theologischen Hochschule der Diözese St. Pölten am 28. Jänner 1999

Hochwürdigster Herr Diözesanbischof,
werte Festgäste, sehr geehrte Professoren, liebe Studierende!

Mit folgenden Worten des Matthäusevangeliums, die unser Hl. Vater im Apostolischen Schreiben „Redemptoris Custos“ als den zentralen Kern der biblischen Wahrheit über den hl. Josef bezeichnet, möchte ich beginnen.

“Josef, Sohn Davids, fürchte dich nicht, Maria als deine Frau zu dir zu nehmen; denn das Kind, das sie erwartet, ist vom Heiligen Geist. Sie wird einen Sohn gebären; ihm sollst du den Namen Jesus geben; denn er wird sein Volk von seinen Sünden erlösen“ (Mt 1, 20b-21).

Auch in der Theologie eines Johannes Gerson erhält die Gestalt des hl. Josef von diesen Versen ihre Größe. Bevor ich aber näher auf Johannes Gerson und seine Theologie eingehe, gebe ich Ihnen einige Informationen zur Gliederung meines Referates.

Der erste Teil bietet einen Überblick über die Entwicklung der Josefsverehrung; beginnend bei den Evangelien und den Ursprüngen im Osten, bis zur Ausfaltung im Westen mit der Förderung durch die Päpste in unserem Jahrhundert. Dieses Kapitel soll zum eigentlichen Thema hinführen, aber auch einen Gesamtüberblick verschaffen, um Gerson den ihm gebührenden Platz in der Geschichte der Josefsverehrung zuzuweisen.

Der zweite Teil soll die Gestalt des hl. Josef in der theologischen Konzeption Johannes Gersons analysieren. Gersons wissenschaftliche Laufbahn und seine Schriften über den hl. Josef sind einer systematischen Anordnung seiner Positionen bezüglich des hl. Josef vorangestellt.

Der dritte Teil berichtet von den Bemühungen Gersons um die Verehrung des hl. Josef und von deren Nachwirkungen.

Beginnen wir mit Teil 1, dem Überblick über die Geschichte der Josefsverehrung, und hier wiederum bei den Evangelien.

Zweimal wird der hl. Josef bei Johannes erwähnt, die bedeutenderen Aussagen über ihn finden sich aber in den Evangelien des Matthäus und des Lukas. Diese Stellen berichten uns sehr viel von Josef:

  • Sie erzählen von der Abstammung Josefs und seiner Verlobung mit der Jungfrau Maria.

  • Sie nennen eine wichtige Charaktereigenschaft Josefs: seine Gerechtigkeit.

  • Weiter erfahren wir, daß dem Josef ein Engel erscheint, welcher die wunderbare Empfängnis Mariens offenbart.

  • Wir hören von der Heimführung Mariens als Ehefrau, von der Reise nach Bethlehem und der Anwesenheit Josefs bei der Anbetung der Hirten.

  • Wir erfahren, daß Jesus seinen Namen durch Josef erhält und von seinen Eltern in den Tempel gebracht wird.

  • Wir hören wie die Hl. Familie nach Ägypten flieht, nach Nazareth heimkehrt, in Nazareth lebt, bis Jesus mit zwölf Jahren von seinen Eltern gesucht und im Tempel wiedergefunden wird.

  • Von Josef selbst erfahren wir danach nichts mehr, weshalb der Tod des hl. Josef allgemein in der Jugend Jesu angenommen wird.

  • An vier Stellen wird jedoch Jesus während seines öffentlichen Wirkens als Sohn Josefs bezeichnet.

Auf eine theologisch besonders bedeutende Stelle möchte ich hinweisen: auf Matthäus 1, 18–25. In dieser Perikope über die Geburt Jesu geht es dem Evangelisten um das Geheimnis der jungfräulichen Empfängnis Jesu. Matthäus weist dabei hin auf die Erfüllung der diesbezüglichen Weissagung des Jesaja. Außerdem enthält diese Stelle eine großartig Auszeichnung Josefs: er wird Sohn Davids genannt. Josef ist der einzige, der im Neuen Testament diesen Jesustitel erhält. Josef sichert damit auch die Davidität Jesu, wie dies in den Stammbäumen bei Matthäus und Lukas nachgewiesen wird. In der exegetischen Beurteilung gibt es hier zwei Grundpositionen. Nach der einen verläuft die Abstammungslinie jeweils nur über Josef, nicht über Maria, über deren Davidität das NT nichts weiß. Die andere leitet eine davidische Abstammung Mariens aus Lk 1, 27 ab oder geht davon aus, daß in Israel üblicherweise Ehen innerhalb des gleichen Stammes geschlossen wurden.

Wir verlassen nun den zuverlässigen Boden der Evangelien und wenden uns den Apokryphen zu. Um vermeintliche Lücken im Evangelium zu schließen, um fromme Neugierde zu befriedigen oder um apologetische Absichten zu verfolgen, wurden Schriften verfaßt, die nicht in den Kanon der hl. Schrift aufgenommen wurden. Diese Apokryphen haben einige seltsame Ansichten verbreitet, wie die vom hohen Alter Josefs bei der Vermählung mit Maria oder jene von den Kindern Josefs aus erster Ehe. Diese Behauptungen sind historisch nicht haltbar und noch dazu der Heiligen Familie oft unwürdig. Die Josefsapokryphen mögen zwar auf Rechtgläubigkeit ausgerichtet sein, wie z. B. die koptische Geschichte Josefs des Zimmermanns. Aber dennoch waren sie eines der störendsten Hindernisse für das richtige Verständnis von Person und Bedeutung Josefs. Jahrhundertelang wurden Volksfrömmigkeit und Kunst vom Josefsbild der Apokryphen geprägt.

Die Bedeutung des hl. Josef in theologischer Hinsicht wird erstmals in der patristischen Zeit erörtert. Richtungsweisend ist in der Kirche des Westens einmal Hieronymus, der für die beständige Jungfräulichkeit Josefs eintritt, sodann Augustinus, der, von Ambrosius inspiriert, die wahre Ehe Josefs mit Maria verteidigt.

Johannes Chrysostomus erkennt dem hl. Josef sowohl Jungfräulichkeit, als auch eine wahre Vaterschaft zu. Mit ihm erreicht die byzantinische Theologie in der Beurteilung des hl. Josef ihren Höhepunkt. Danach stagniert die theologische Entwicklung der Kirche im Osten, sie folgt von da an starr den griechischen Vätern.

Doch die Apokryphen, die auch in den unechten Väterschriften fortwirken, gewinnen zunehmend an Bedeutung. Infolge dieser Hochschätzung der Apokryphen ab dem 6. Jh. gehören zur Gestalt des hl. Josef in der griechischen Kirche bis heute folgende Elemente:

  • ein hohes Alter;
  • eine frühere Ehe und die daraus folgenden Kinder;
  • die wunderbare Auserwählung Josefs, Behüter Mariens zu sein
  • und als Attribut der blühende Stab, das Zeichen dieser Erwählung.

Bedeutung für die Josefologie erlangen dann erst wieder einige Theologen im Hochmittelalter, die vielfach in der Mystik beheimatet sind. Zu nennen sind vor allem Rupert von Deutz und Bernhard von Clairvaux. Bei ihnen findet sich schon das theologische Fundament, wie es später im Rundschreiben „Quamquam pluries“ von Leo XIII. und „Redemptoris Custos“ von Johannes Paul II. dargestellt ist: Der Glaubensgehorsam, die treue Erfüllung des Willens Gottes und seine exemplarische Bedeutung für die Kirche. Die Stellung des hl. Josef gründet in der Ehe mit Maria, die ihm als jungfräuliche Gottesmutter das Recht und die Pflicht der Vaterschaft vermittelt.

Als Mystiker und Theologe sollte nunJohannes Gerson am Beginn des 15. Jh. neben mystischer Tiefe im besonderen auch scholastische Präzision erlangen, um der Kirche den hl. Josef so vor Augen zu stellen, daß diesem Beachtung in Lehre und Kult geschenkt wird. Konkreteres über Gerson werde ich im Hauptteil anführen.

Die weitere theologische Beschäftigung mit dem hl. Josef nach Gerson geschieht vor allem bei den Orden. Als Franziskaner tritt Bernhardin von Siena hervor, bei den Dominikanern sind es der hl. Vincenz Ferrer und Isidor Isolani. Letzterer läßt bereits 1522 seine Summa über die Gaben des hl. Josef drucken. Er versucht darin, wie die großen Scholastiker seines Ordens, das Wissen, in diesem Fall bezüglich des hl. Josef, zu sammeln und zu ordnen. Bald nach der kirchlichen Anerkennung stellt auch der Jesuitenorden einen bedeutenden Theologen: Johannes Suárez. Im Karmel liegt das Verdienst der hl. Teresa von Avila vor allem in der Verbreitung der Josefsverehrung, nicht so sehr in einer theologischen Konzeption.

Schon seit dem Beginn der Neuzeit, besonders aber seit Pius IX., sind die Päpste zunehmend um die Verehrung des hl. Josef bemüht. Am 8. Dezember 1870 ernennt Pius IX. mit „Quemadmodum Deus“ den hl. Josef zum Schutzpatron der Kirche. Weitere päpstlichen Aussagen bezeichnen den hl. Josef als Patron und Vorbild der Arbeiter und als Vorbild der Familienväter. Johannes XXIII. erklärt den hl. Josef zum Schutzpatron des II. Vatikanischen Konzils und fügt durch ein Dekret vom 13. November 1962 seinen Namen in den römischen Meßkanon ein.

Bezüglich der Vaterschaft Josefs findet sich erst im Apostolischen Schreiben „Redemptoris Custos“ von Johannes Paul II. eine klare Darlegung des Lehramtes, wie sie von den Theologen schon seit Gerson immer wieder vorgebracht wurde: Zum Geheimnis der Familie von Nazareth gehört die wahre Vaterschaft Josefs. Obwohl diese Vaterschaft keine biologische ist, nennt der Papst sie eine authentische menschliche Vaterschaft. Im Geheimnis der Menschwerdung ist Gott der Vater Jesu, im Geheimnis der Hl. Familie aber ist Josef der Vater Jesu.

Wie aber wurde Josef zum Vater Jesu? Nicht durch Zeugung, sondern durch Annahme. Ich zitiere aus Redemptoris Custos, 21: „Mit der Annahme des Menschseins wird in Christus auch alles ‘angenommen’, was menschlich ist, insbesondere die Familie als erste Dimension seiner irdischen Existenz. In diesem Zusammenhang wird auch die menschliche Vaterschaft Josefs ‘angenommen’.“

Einen anderen Verlauf als die theologische Entfaltung nimmt die kultische Verehrung des hl. Josef. Ein erster Ansatz ist im 9. Jh. im Benediktinerkloster Reichenau gegeben. In dortigen Martyrologium findet der hl. Josef beim 19. März einen Platz.

Es vergehen aber weitere 7 Jahrhunderte, bis das Konzil von Trient den 19. März dann einheitlich als Festtag des hl. Josef bestimmt. Doch bis zu Beginn des 17. Jh. findet sich dieser Tag in manchen Missalen nicht als Fest, sondern nur zur Kommemoration oder als Votivmesse. 1621 wird das Fest im Allgemeinen Römischen Kalender durch Gregor XV. zum gebotenen Feiertag erhoben. Von 1847 bis 1956 gibt es noch ein zweites Fest, das Schutz- oder Partoziniumsfest des hl. Josef. Es wird zuerst am 3. Sonntag nach Ostern gefeiert, seit 1914 dann am 3. Mittwoch nach Ostern. Pius XII. führt am 1. Mai 1955 ein Hochfest des hl. Josef, des Arbeiters ein, welches mit der liturgischen Neuordnung nach dem II. Vatikanum ein nichtgebotener Gedenktag wird.

Wir kommen nun zum zweiten Teil, dem Hauptteil dieses Vortrags

 

Die Gestalt des hl. Josef in der Theologie Johannes Gersons.

Wer war Johannes Gerson? 1363 geboren, wächst er als Jean Charlier in der Grafschaft Rethel auf, die zur Diözese Reims gehört. Später wird er unter dem Namen seines Heimatdörfchens Gerson bekannt. Seine Ausbildung erhält Gerson hauptsächlich in Paris. Zehn Jahre studiert er an der Theologischen Fakultät Paris, sieben Jahre davon bei Pierre d’Ailly, durch den er auch die theologische Doktorwürde erhält. Von diesem seinem Lehrer, der als Hauptvertreter des ‚waschechten Ockhamismus’ zu den Nominalisten zu zählen ist, wird er stark geprägt. Gerson wird Theologieprofessor, hat aber nur ein kärgliches Einkommen. Darum läßt er sich zum Dekan des Kapitels von St. Donatian in Brügge wählen. Auf Betreiben Pierre d’Aillys wird Gerson 1395 zu seinem Nachfolger als Kanzler von Notre-Dame und damit auch zum Kanzler der Universität Paris, der Sorbonne, ernannt.

An diesem hohen Posten ist Gerson sowohl kirchen- als auch staatspolitisch stark gefordert. Zum einen ist die Christenheit im Großen Abendländischen Schisma, durch Gregor XII., Benedikt XIII. und Johannes XXIII. in drei Teile gespalten. Zum andern wütet zwischen Frankreich und England der 100-jährige Krieg. Ja, Frankreich selbst ist gespalten, denn Burgund führt einen Machtkampf gegen Orléans. Als der Herzog von Orléans ermordet wird, versucht Jean Petit, bekannt auch als Johannes Parvus, diese Tat als Tyrannenmord zu rechtfertigen. Wenn sich Gerson in dieser Situation entschieden gegen Petit wendet, ist das nicht nur ein Gelehrtenstreit, sondern politisch hochbrisant. Das geht so weit, daß Gerson von nun an um sein Leben fürchten muß. Die Entscheidung über die Rechtgläubigkeit der Tyrannenmord-Thesen Petits wird dem Konzil von Konstanz übergeben.

An diesem Konzil von Konstanz, von 1414–1418, nimmt auch Gerson als Delegierter Frankreichs teil. Gerson tritt dort wieder gegen Petitauf, sodaß eine der sieben Thesen Petits in einer abgewandelten Form als häretisch verurteilt wird. Auch an einer weiteren causa fidei, den Lehren Johannes Hus, mischt Gerson kräftig mit. Wichtiger aber scheint mir noch, auf das Große Abendländische Schisma einzugehen, genauer gesagt, auf die Rolle Gersons in dieser causa unionis. Berühmt wurde vor allem Gersons Rede, die er nach der Flucht Johannes XXIII. hält. Darin tritt er für einen gemäßigten Konziliarismus ein. Um das Schisma zu beenden, sollten sich die drei Päpste dem Konzil unterordnen. Bei wohlwollender Deutung handelte es sich hierbei um eine Notstandsmaßnahme, die der Kirche den Frieden und die Einheit durch ein alleiniges Oberhaupt bringen sollte: es wurde Martin V. gewählt.

Das Konzil von Konstanz hat auch einen Bezug zum hl. Josef. Gerson hält nämlich auf dem Konzil eine Marienpredigt, die zwar kirchenpolitisch unbedeutend ist, die jedoch die Einführung eines Josefsfestes betrifft. Ich komme darauf später noch zurück.

Nach dem Konzil kehrt Gerson nicht in seine Heimat Frankreich zurück, denn er fürchtet den burgundischen Herzog. Er macht sich im Mai 1418 ins Exil nach Tirol auf, wo ihm der dortige Herzog Albert das Schloß Rattenberg am Inn als Quartier zuweist. Anschließend findet er im Stift Melk Zuflucht. Die Universität Wien bietet ihm einen Lehrstuhl an, den er aber ablehnt. Zum Dank für die freundliche Aufnahme in Österreich verfaßt er ein eigenes Distichon: Carmen in laudem ducis Austriae et studii ejusdem.

Nachdem der Aggressor Johann ohne Furcht ermordet wird, kehrt Gerson 1419 nach Frankreich zurück, jedoch nicht nach Paris, sondern nach Lyon ins Cölestinerkloster, wo er als Schriftsteller tätig ist. Er verfaßt in seinem letzten Lebensjahr noch eine Abhandlung zum Hohenlied, die er drei Tage vor seinem Tod beendet.

Am 12. Juli 1429 stirbt Gerson. Auf seinen Grabstein in der St. Laurentius – Kirche schreibt man die Worte, die er in seinen Predigten oft gebrauchte: Poenitemini et credite Evangelio Bekehrt euch, und glaubt an das Evangelium.

Gerson wird bald wie ein Seliger verehrt, und viele Menschen glauben, durch seine Fürbitte auf wunderbare Weise Hilfe erlangt zu haben. In den politisch-religiösen Wirren der folgenden Jahrhunderte verschwindet ein ihm errichteter Altar und das Grab und die St. Laurentiuskirche wird schließlich profaniert.

Was aber geschieht mit den zahlreichen Schriften, die Gerson hinterläßt?

Die Erfindung des Buchdrucks ermöglicht es, daß hundert Jahre nach seinem Tod bereits acht Gesamtausgaben seiner Schriften erschienen sind. Diese Bekanntheit mag auch die Ursache dafür sein, daß ihm zeitweise sogar die berühmte Nachfolge Christi des Thomas von Kempen zugeschrieben wird.

Einen beachtlichen Teil seines literarischen Wirkens widmet Gerson dem hl. Josef:

Sein umfangreichstes episches Gedicht mit Prolog, zwölfteiligem Korpus und abschließendem Gebet im Ausmaß von fast 3000 Hexámetern nennt er Josephina. Dieses Gedicht entsteht während seines österreichischen Exils 1418. Es ist stellenweise voll poetischen Schwungs, verliert sich aber gern in schwerfällige moralische Erörterungen und mystische Deutungen. Josephina stellt eine Lebensbeschreibung Josefs dar. Ihr Inhalt ist teilweise den Erzählungen apokrypher Schriften, wie dem Proto-Evangelium des Jakobus, oder entsprechenden mittelalterlichen Nachdichtungen entnommen.

  • Erstens, die Poesie, sie nimmt mit 14 Werken den größten Umfang ein.

  • Zweitens nützt Gerson, wie bereits erwähnt, auf dem Konzil von Konstanz die Predigt am Fest der Geburt der Sel. Jungfrau Maria 1416, um sein Herzensanliegen zur Sprache zu bringen. Nachdem er die Auserwählung und Heiligkeit Mariens und Josefs ausgeführt hat, intendiert er die Einführung eines Josefsfestes.

  • Drittens verfaßt Gerson zwei Schriften in französischer Sprache mit zusammen 94 meist kurzen Betrachtungen über den hl. Josef. Er erwägt darin die Geschehnisse bei der Menschwerdung, die jungfräuliche Ehe Josefs mit Maria und seine Fürsorge dem Jesuskind gegenüber. Anliegen ist die Feier der Vermählung Josefs und Mariens.

  • Viertens verfaßt Gerson zwei Briefe an Privatpersonen und ein Rundschreiben an die Marienkirchen. Wieder tut er sein Anliegen kund, daß eine Gedächtnisfeier der Vermählung Josefs und Mariens abgehalten wird.

  • Fünftens verfaßt Gerson auch Offizium und Meßtext für ein Vermählungsfest.

Innerhalb seiner Schriften ordnet Gerson seine Gedanken und Argument jeweils nach theologischen Gesichtspunkten an.

Ich möchte nun versuchen die Positionen Gersons in der Josefologie insgesamt systematisch darzustellen

  • Erstens ist die Verbindung von Maria und Josef eine wahre Ehe,
    zum einen, weil diese nach jüdischem Brauch geschlossen wird und zum andern, weil sie die Sinnziele erfüllt, wie sie seit Augustinus und Thomas von Aquin, in je verschiedener Gewichtung, zum Erkennungsmerkmal der christlichen Ehe geworden sind. Die Ausführungen Gersons bezüglich der wahren Ehe sind nicht sehr umfangreich, aber eindeutig. So sagt er in der Konstanzer Konzilspredigt:
    In dieser Ehe war die Nachkommenschaft, die Treue und das Sakrament gegeben.
    Und selbst ein Jungfräulichkeitsgelöbnis, das Gerson für beide annimmt, widerspreche der wahren ehelichen Verbindung nicht.

  • Zweitens ist die Verbindung von Maria und Josef eine jungfräuliche Ehe.
    Gerson verteidigt die immerwährende Jungfräulichkeit Mariens. Seine Ausführungen über die Jungfräulichkeit Mariens nach der Geburt beendet er mit dem Hinweis, daß es sich hierbei um eine Glaubenswahrheit handelt, die nicht angezweifelt werden darf.
    Auch der hl. Josef lebte als Zeuge und Hüter der Jungfräulichkeit Mariens ebenso jungfräulich wie sie. Gerson beruft sich auf Hieronymus und dessen Brief gegen Helvidius und auf viele nach ihm, die er aber nicht mit Namen nennt.

Wie schon erwähnt, haben besonders die Apokryphen die Vorstellungen über das Alter des hl. Josef stark beeinflußt. Die rhetorische Frage, warum Josef als alter Mann gemalt werde, beantwortet Gerson einmal damit, daß das Alter für Stärke des Geistes und der Keuschheit stehe. Trotzdem wendet sich Gerson gegen die apokryphen Schriften. Denn um die jungfräuliche Ehe Mariens und Josefs zu bekräftigen, sei es nicht notwendig, daran zu glauben, daß Josef ein alter Mann gewesen sei. Ja, es war nicht nur nicht notwendig, sondern Josef durfte kein alter Mann sein. Es war sein Dienst und Beistand auf der Flucht nach Ägypten notwendig und nach der Rückkehr sein Schaffen in Nazareth. Daß für diese Aufgaben ein alter Mann nicht Hilfe, sondern Last gewesen wäre, ist naheliegend. Außerdem hatte Josef auch den guten Ruf Mariens zu schützen, er mußte für den Vater Jesu gehalten werden können, womit wir zur Vaterschaft Josefs kommen:

Über die Vaterschaft Josefs hat schon Augustinus richtungsweisendes geschrieben und unter den Kirchenvätern die tiefste Auffassung vorgelegt. Augustinus betont den Vorrang der geistigen vor der natürlichen Vaterschaft und nennt Josef den Adoptivvater Jesu. Gerson beruft sich in seinen Ausführungen über die Vaterschaft Josefs nicht direkt auf Augustinus, aber inhaltlich findet sich bei ihm die Argumentationsweise des Kirchenvaters.
Gerson sieht eine Vaterschaft Josefs Jesus gegenüber in mehrfacher Hinsicht gegeben.

  • Erstens ist Josef der Vater Jesu in der Meinung der Leute und nach dem Gesetz.
    Denn, man hielt Jesus für den Sohn Josefs (vgl. Lk 3,23).
    Josef ist also gesetzlicher Vater Jesu.

  • Zweitens ist Josef der Vater Jesu durch seine Sorge als Ernährer.
    Er ist der Nährvater Jesu

  • Drittens ist Josef der Vater Jesu durch das Wirken des Heiligen Geistes. Er ist daher Vater durch Gottes Berufung

  • Viertens ist Josef Vater dem Sohne Davids,
    denn ein Nachweis der davidischen Abstammung Jesu erfolgt in den Stammbäumen jeweils über Josef. Mit Selbstverständlichkeit nimmt Gerson auch eine davidische Abstammung Mariens an.

Neben Ehe und Vaterschaft beschreibt Gerson, gleichsam als Zusammenschau, die Heilige Familie, deren Haupt Josef ist. Zu den Konstanzer Konzilsvätern sagt er wörtlich:

“Einem Zimmermann war untertan derjenige, der das Morgenrot und die Sonne geschaffen hat; untertan war er einer Frau, die Leinwand webte, er, dem sich beugen alle Knie im Himmel, auf Erden, und unter der Erde. O, möchten mir doch die Worte zur Verfügung stehen, ein so tiefes und vor der Welt verborgenes Geheimnis zu erklären: die Dreifaltigkeit Jesus, Maria, Joseph, die man nur bewundern und verehren kann.“

Eine wohl ungewöhnliche Terminologie, die Hl. Familie als „Trinitas“ zu bezeichnen. Manche Theologen meinen, Gersons sehe hier die Hl. Familie als irdisches Abbild der göttlichen Dreifaltigkeit. Aus dem Zusammenhang gedeutet, will Gerson sicher eines damit aussagen: die Hl. Familie ist etwas ganz besonderes, denn in ihr leistet der Schöpfer dem Geschöpf Gehorsam.

Die Einmaligkeit der Hl. Familie hebt auch Johannes Paul II. in „Redemptoris Custos“ 21 hervor. Er bezeichnet die Hl. Familie als ein Geheimnis besonderer Art, denn sie ist direkt in das Geheimnis der Menschwerdung einbezogen.

Ich komme nun zu den Patronaten, die Gerson dem hl. Josef zuschreibt:

  • Der hl. Josef ist erstens Patron der Kirche,
    denn Gerson hebt hervor, daß das Ziel seiner Fürbitte darin besteht, die Kirche zu Christus hinzuführen.

  • Zweitens ist der hl. Josef Patron der Familien
    Das Patronat über die Familien ist angedeutet, wenn sich Gerson auf die jungen Eheleute bezieht: Diese sollen sich ein Beispiel am hl. Josef nehmen und eine besondere Andacht zu ihm haben.

  • Drittens ist der hl. Josef Patron der Sterbenden.
    Wenn ein Mensch in der Stunde des Todes zu Christus geführt werden soll, sei der hl. Josef ein mächtiger Patron.

Nun komme ich zum dritten Teil, zu den Nachwirkungen, die Gersons Bemühungen erzielt haben

Gerson will seine theologischen Überlegungen auch in der Praxis fruchtbar machen. Zusammen mit einigen seiner Freunde betreibt er die Einführung eines Josefsfestes. Mit aller Kraft setzt er sich für ein Vermählungsfest ein.

Zwar erwähnt er auch das glückseligeSterben des hl. Josef als mögliches Fest, führt hierfür aber keine konkreten Vorschläge an. Hingegen legt er das Hauptgewicht auf die Bedeutung der heiligen Ehe, weshalb das Festmotiv die Vermählung Mariens und Josefs sein soll. Gerson möchte aber mit diesem Fest dem Volk keine weitere Last aufbürden, denn es seien der Feiertage schon genug. Vor allem der Klerus soll diesen Tag feiern, und zwar durch Votivmesse und Offizium. Deshalb stellt Gerson Texte für Offizium und Votivmesse zusammen.

Nicht nur der Festinhalt für ein mögliches Josefsfest ist zu Gersons Zeiten noch sehr verschieden, sondern auch das Datum.

So lernt Gerson den 19. März wohl erst auf dem Konzil von Konstanz als Festtag des hl. Josef kennen und schlägt ihn von da an als möglichen Termin für ein Josefsfest vor.

Die ursprünglicheren Termine sind jedoch einmal der Donnerstag des Adventquatembers. Dieser Tag scheint ihm für ein Vermählungsfest sehr passend zu sein. Denn am Tag zuvor, am Mittwoch des Adventquatember, wird das Evangelium von der Verkündigung gelesen.

Ein weiterer Termin ist der Oktavtag vom Fest Darstellung des Herren, der 9. Februar. Diese Möglichkeit orientiert sich an der Praxis der englischen Kirchen, die an diesem Tag dem Sterben des hl. Josef gedenken. Dieses termingebundene Fest entwickelt dort teilweise ein eigenes Offizium.

Nach all den Bemühungen Gersons stellt sich abschließend die Frage nach der Wirkgeschichte Gersons.

Was die Feier der Vermählung Mariens mit dem hl. Josef betrifft, so durfte Gerson für einige Diözesen Frankreichs die kirchliche Erlaubnis sogar noch selbst erleben. Nicht mehr erleben konnte er die Genehmigung für den Franziskanerorden im Jahre 1537. Gesamtkirchlich wurde dieses Fest dann von 1725 bis zur Kalenderreform 1913/14 am 23. Jänner gefeiert. Es hatte aber inzwischen einen Wandel durchgemacht. Ursprünglich von Gerson als Josefsfest gedacht, war es nun ein Marienfest geworden, das sich Vermählung Mariens nannte.

Nun noch zur Wirkgeschichte bei den Theologen:

  • Pierre d’Ailly verfaßt, von der Konzilspredigt seines ehemaligen Schülers Gerson angespornt, den Traktat über die zwölf Ehrenvorzüge des hl. Josef. Dieser orientiert sich jedoch ganz am Evangelium und geht nicht auf Gersons geäußerte Ideen ein.

  • Obwohl Bernhardin von Siena verschiedene Positionen mit Gerson teilt, scheint er Gersons Schriften nicht mehr gekannt zu haben.

  • Nikolaus von Dinkelsbühl, der als Konstanzer Konzilstheologe dort sicher Gersons Predigt gehört hat, übernimmt in einer Predigt zum Vermählungsevangelium viele Stellen von diesem wörtlich.

  • Johannes Eck liest Gersons Gedicht Josephina schon als Kind.

  • Isidor Isolani zeigt am Beginn des 16. Jh., daß man auch ohne Gerson Bedeutendes über den hl. Josef schreiben kann. Selbständig und weitgehend von Gerson und Bernhard von Clairvaux unbeeinflußt, gibt er seiner Summa über die Gaben des hl. Josef eigenen Inhalt und eigene Form.

Den Schlußpunkt meines Referats soll das bekannte und gewichtige Wort der hl. Teresa von Avila bilden, das sie an ihre Mitschwestern richtet:

“Wenn du auch viele Heilige zu Fürbittern hast,
so verehre doch als solchen ganz besonders den heiligen Joseph;
denn er erlangt viel von Gott.
Andern Heiligen scheint der Herr die Gnade gegeben zu haben,
nur in einem bestimmten Anliegen helfen zu können;
diesen glorreichen Heiligen aber habe ich in allen Stücken als Nothelfer kennengelernt.
Ich erinnere mich nicht, ihn bis jetzt um etwas gebeten zu haben,
was er mir nicht gewährt hätte.“

Ich danke Ihnen für Ihre geschätzte Aufmerksamkeit!

 


 

 

 

 

Hier der Bericht der St. Pöltner Kirchenzeitung „Kirche bunt“ vom 07.02.1999, S.6, über die Thomasakademie und den Festvortrag:

Thomasakademie an der Philosophisch-Theologischen Hochschule in Sankt Pölten

Mit einem Festgottesdienst, geleitet von Diözesanbischof Dr. Kurt Krenn, und einem Festvortrag in der Aula begingen Priesterseminar und Philosophisch-theologische Hochschule Sankt Pölten am 28. Jänner in traditioneller Weise das Fest des Heiligen Thomas von Aquin, des Patrons der theologischen Hochschulen und der Theologen.

In seiner Homilie zum Festtagsevangelium (Mt 23,8–12) wies der Dekan der Hochschule, Prof. Dr. Ferdinand Staudinger, darauf hin, daß es dem Evangelisten Matthäus hier um ein theozentrisches und christozentrisches Kirchenverständnis geht, wenn er die Mahnung Jesu wiedergibt, sich nicht Rabbi und Lehrer nennen zu lassen und niemanden auf Erden Vater zu nennen, „denn nur einer ist euer Vater, der im Himmel“.

Im Festvortrag brachte Mag. Christof Heibler eine Zusammenfassung seiner bei Prof. Dr. P. Johannes Gartner im Fach ,,Christliche Spiritualität“ verfaßte Diplomarbeit über ,,Die Gestalt des hl. Josef in der Theologie Johannes Gersons“. Gerson (1363 – 1429) war unter anderem Kanzler der Pariser Sorbonne und Theologe am Konstanzer Konzil. Infolge politischer Verwicklungen suchte er in Österreich Asyl und fand in Tirol und im Kloster Melk Zuflucht. Er hat dem hl. Josef 22 Werke gewidmet.

Heibler gab auch einen geschichtlichen Überblick über die Entwicklung der Verehrung des Nährvaters Jesu, wobei er darauf hinwies, daß Eigenschaften, wie sie vor allem in den Kirchen des Ostens zum Bild des hl. Josef gehören, in den apokryphen Evangelien ihren Ursprung haben: hohes Alter, frühere Ehe und frühere Kinder, wunderbare Auserwählung und blühender Stab als Zeichen dieser Erwählung. Solche apokryphe Traditionen haben manchmal die in der Bibel zu begründende Sicht verdeckt, daß der hl. Josef durch seinen Glaubensgehorsam und die treue Erfüllung des Willens Gottes Vorbild der Kirche ist. ly
„Kirche bunt“, 07.02.1999, S.6