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Der selige Karl von Österreich und seine Beziehung zum Heiligsten Herzen Jesu
(22. Januar 2005)

Ildefons Maria Fux

Hinweis/Quelle: Vortrag beim 14. Herz-Jesu-Studientag am 22.01.2005 in Wien

Einleitung: Selig, die ein reines Herz haben

Die gängigen Biographien stellen die Gestalt des neuen Seligen in den geschichtlichen Rahmen seiner Zeit:

 

  • Sie erzählen den Tod des Doppeladlers;
  • sie sprechen vom Friedenswillen des Kaisers und von seinen politischen Vorstellungen und Zielsetzungen;
  • von seinem Gerechtigkeitssinn;
  • von seiner sozialen Sensibilität u.a.m.

Relativ geringe Beachtung findet dabei sein Ehe- und Familienleben; es würde eine eigene Darstellung verdienen.

Die Geschichtsschreibung darf nun aber nicht beim Beobachtbaren und Registrierfähigen stehen bleiben. Wir müssen zur Mitte und in die Tiefe vordringen, zum Wesenskern, zum Herzen.

Der Mensch sieht, was vor Augen ist,
der Herr aber sieht das Herz. (1 Sam 16,7)

Das Herz ist ja der Quellort alles dessen, was dann in der Folge in den Bereich des Sichtbaren eintritt. Quod in actis prius est in corde...

Das Herz ist dasjenige Etwas, von dem es kommt, dass im Menschenleben etwas ist, wird oder geschieht. Das Prinzip, das principale ...

So ist das Sichtbare also zuerst unsichtbar im Herzen. In dieser verborgenen Mitte reift das Tun und Lassen des Menschen heran.

Denn von innen, aus dem Herzen des Menschen, kommen die bösen Gedanken, Unzucht, Diebstahl, Mord, Ehebruch, Habgier, Bosheit, Hinterlist, Ausschweifung, Neid, Verleumdung, Hochmut und Unvernunft. All dieses Böse kommt von innen ...(Mt 7,21–23)

Wenn das Böse aus einem bösen Herzen hervorquillt und so die Sichtbarkeit erlangt, dann gilt dies umgekehrt auch vom Guten: Die guten Werke reifen in einem guten Herzen heran.

Selig, die ein reines Herz haben! (Mt 5,8)

Dieses Herz wird von den Alten eine „Schatzkammer“ genannt: Schatzkammer des Guten. (Gregor von Nyssa, In Cant. Hom.1 ad 1,2a).

Jesus hat diese Schatzkammer gefüllt. Diese Tatsache wird uns auf dem Hintergrund eines alttestamentlichen Schriftwortes deutlicher verständlich. Da sagt die Weisheit: Ich liebe die, die mich lieben (...) Ihre Schatzkammern fülle ich mit Gütern (Spr 8,17.21; Gregor von Nyssa aaO. FC 16/1,153).

Vom Herzen her muss also alles gedeutet werden. Das Herz ist der Sitz der sittlichen Persönlichkeit (KKK 2517). Man muss in die „Krypta des Herzens“ (G. Siewerth) hinabsteigen, um den Sinn und die Qualität dessen beurteilen zu können, was dann in der Erfahrungswelt beobachtet, gezählt und gewogen werden kann.

Das ist die Schwierigkeit für den Biographen, denn das Herz eines Menschen ist seiner Natur nach verborgen. Nur Gott erforscht „Herz und Nieren“.

Ich bin es, der Herz und Nieren prüft. (Offb 2,23; vgl. Ps 7,10; Jer 11,20)

Sich dem Blick Gottes, der die Tiefen durchdringt, anzuschließen, ist nun nicht nur Sache der Intelligenz eines Autors allein, sondern mehr noch und vorrangig Sache der Gnade.

Urteilt nicht nach dem Augenschein! (Joh 7,14)

Ich urteile nicht allein, sondern ich und der Vater... (Joh 8,16)

Dies gilt umso mehr, wenn wir einen Heiligen vor uns haben. Der Biograph eines Heiligen müsste selbst ein Heiliger sein; sein Schreiben müsste von ständigem Gebet begleitet und getragen sein.

Das Herz des seligen Karl von Österreich war nun in außer-ordentlicher Weise begnadet, ein Herz nach dem Herzen Gottes, Wohnung für Vater, Sohn und Heiligen Geist (vgl. Joh 14,23).

Ein Herz, das Gott gehörte.

Man muss an den brennenden Dornbusch denken und an das Wort Gottes:

Ziehe deine Schuhe aus, denn hier ist heiliger Boden. (Ex 3,5)

Genesis: Die Mutter

Auch das Herz des seligen Karl hat, weil es ein menschliches Herz ist, seine Genesis, und das verlangt, seiner Mutter vermehrte Aufmerksamkeit zu schenken.

Ehg. Maria Josefa (1867–1944), Tochter des späteren Königs Georg von Sachsen, war eine zutiefst gedemütigte und erniedrigte Frau.

1886 hatte sie Erzherzog Otto, einen Neffen Kaiser Franz Josefs, geheiratet.

Der „fesche Otto“, wie man ihn in Wien nannte, der „schönste Erzherzog Österreichs“, war durch zahlreiche Affairen mit Schauspielerinnen sittlich destabilisiert. Als er schließlich an Syphilis erkrankte, ließ er sich auch von seiner letzten Geliebten pflegen. Er starb 1906.

Maria Josefa ertrug all diese Erniedrigungen in größter Tapferkeit, in Geduld und Schweigen und suchte diese schmerzlichen Tatsachen auch vor ihren Kindern Karl (geb. 1887) und Max (geb. 1895) zu verbergen.

Der tägliche Messbesuch und das Gebet waren ihr dabei die größte Hilfe. Ihr Gatte, – wenn er überhaupt zu Hause war – verspottete sie als „Nonne“. Kaiserin Elisabeth hat in einem ihrer Gedichte auf die Szene Bezug genommen, da der alkoholisierte Otto mit seinen Zechkumpanen in das Schlafzimmer Maria Josefas eindringen wollte, um ihnen „die Nonne“ zu zeigen. Die letzten Jahrzehnte ihres Lebens wird Maria Josefa wiederum in größter Zurückgezogenheit verbringen. Papst Benedikt XV. nannte sie eine Heilige.

Wir dürfen vermuten, dass diese fromme Frau ihren Sohn Karl schon im Mutterschoß der Allerseligsten Jungfrau anvertraut hat, und hoffen, einmal den Beleg für diese Annahme zu finden.

Die Erzieher

Die Erzieher Karls waren ein „Glücksfall“, besser gesagt, sie waren Gnadenmittler im Plan Gottes.

Miss Bride Casey, eine Irin, war Kindermädchen und erste Englischlehrerin Karls in den Jahren von1892–1895.

Irland, die grüne Insel, war damals Inbegriff des Katholischen: Maria, die Eucharistie, der Papst, das Heiligste Herz Jesu.

1873 wurde die Universität Dublin dem Heiligsten Herzen Christi geweiht. Die Tramwaywaggons in Dublin waren mit Herz-Jesu-Bildern ausgestattet. Die Polizei von Dublin wird noch 1922 einen eigenen Eid auf das Heiligste Herz ablegen.

Von dieser Gläubigkeit war das Kind Karl durch Metakommunikation gleichsam eingehüllt.

In Ödenburg

Erzherzog Otto war Offizier der k.u.k. Armee und wurde als solcher 1895 in die Garnison von Ödenburg versetzt. Seine Familie begleitete ihn, und Karl erhielt von P. Norbert Geggerle, einem Dominikaner, Religionsunterricht. Am 8. September 1896 legte Karl bei dem genannten Priester die erste hl. Beichte ab.

P. Geggerle unterrichtete auch im Pensionat der Ursulinen in Ödenburg, und so ergab es sich zwanglos, dass er mit der Pensionatsleiterin auch über seinen erlauchten Schüler sprach. Da tat Sr. Maria Vinzentia einen geradezu prohetischen Ausspruch:

„Ja, man muss viel für ihn beten, denn er wird einmal Kaiser werden, und er wird viel leiden müssen. Er wird ein besonderer Angriffspunkt der Hölle sein.“

Aloisia Fauland, geb. 18. Juni 1852 in Graz, war eine Stigmatisierte und Leidgeprüfte, was ihre Glaubwürdigkeit durchaus erhöht.

Dieses Wort war Anlass, dass sich ein kleiner Gebetskreis um das Ehepaar Wallis, das in der Erziehungsaufgabe Miss Bride Casey nachgefolgt war, bildete.

Glücklich das Kind, für das viel gebetet wird!

1896 überreichte P. Norbert Geggerle OP das Marienskapulier des Karmel und forderte in seiner Ansprache Karl auf:

„Tragen Sie es unbefleckt und rein, bis Sie es im Tode der himmlischen Mutter zurückgeben können!“

Am 19. November 1898 empfing Karl die erste hl. Kommunion aus der Hand von Weihbischof Marschall in der Schlosskapelle von Wartholz.

Zu Anfang des 20. Jahrhunderts

Das ist die Zeit, in der sich die sel. Sr. Maria vom Göttlichen Herzen Droste zu Vischering (1863–1899) intensiv bei Papst Leo XIII. um die Weihe der Welt an das Heiligste Herz Jesu bemühte.

Der „Papst des Heiligsten Herzens“ forderte den katholischen Erdkreis auf, diese Weihe mitzuvollziehen, und so sah der Wiener Stephansdom am 11. Juni 1899 eine eindrucksvolle Kundgabe kirchlichen Glaubens: In Anwesenheit des Kaisers und des Hofes weihte sich Volk und Land dem Göttlichen Herzen.

Eine solche Feier war bereits durch langjährige Tradition vorbereitet; denn am Herz-Jesu-Fest pflegten mehr Gläubige nach St. Stephan zu kommen als zu Weihnachten und zu Ostern. Fürsterzbischof Cölestin Ganglbauer etwa spendete am 22. Juni 1884 1 ½ Stunden lang die hl. Kommunion; dann kniete er sich auf die unterste Altarstufe und verlas den Weiheakt an das Heiligste Herz Jesu. (Sendbote 1884, 270). Nicht zuletzt: Das Wiener Priesterseminar war schon 1872 dem Herzen Christi geweiht worden.

Bei dieser großen Feier der Weltweihe im Stephansdom fehlte Ehg. Karl, – er hatte Keuchhusten und musste in Wartholz bleiben. Er ging aber mit seiner Erzieherin Gräfin Sophie Wallis in die Schlosskapelle, um dort das zu tun, was im Stephansdom gerade getan wurde.

Der Jüngling pflegte sich in den „Sendboten des Göttlichen Herzens Jesu“ zu vertiefen, einer vielgelesenen und segenstiftenden Zeitschrift. Er las nicht nur, sondern suchte auch neue Abonnenten dieses Monatsblattes, das von den Innsbrucker Jesuiten redigiert wurde, zu gewinnen.

Wohl durch den Sendboten wurde er auch aufmerksam auf die sogenannten „Tagzeiten des Heiligsten Herzens Jesu“, ein kurzgefasstes Brevier für Laien. Man wird es später oft in seinen Händen sehen.

Jetzt schon zählte der Herz-Jesu-Freitag und die ihm vorausgehende Heilige Stunde zu den wesentlichen Elementen seines Frömmigkeitslebens.

Auch sein Großvater mütterlicherseits, König Georg von Sachsen, war ein eifriger Leser des „Sendboten“, den man oft auf seinem Schreibtisch liegen sah. Die monatlichen Gebetsmeinungen des Päpstlichen Gebetsapostolates pflegte er aus den Heften herauszutrennen und in sein persönliches Gebetbuch zu legen. Für seine Privatkapelle in Dresden ließ er sich ein Herz-Jesu-Bild malen. Auch schenkte er seinem Kronprinzen eine Herz-Jesu-Statue. Täglich besuchte er die hl. Messe. Auch das wird die Atmosphäre mitbestimmt haben, in der Karl aufwuchs, denn die Kommunikation im katholischen Hochadel war durchaus lebendig.

Papst Leo XIII. hatte insbesondere die Jugend eingeladen, sich mit dem Herzen Jesu zu verbinden.

Huc juvenes, dulce ut nectar, fax ignea amoris
Cor Jesu, ad vitam fons salientis aquae.

Die Jugend Kroatiens hatte sich schon vor Jahren dem Heiligsten Herzen geweiht. Es war auch nicht unbekannt geblieben, dass sich am 10. Mai 1899 die ganze Familie eines hochadeligen Verwandten, nämlich jene des Ehg. Stephan (1860–1933) auf der Adria-Insel Lussin öffentlich dem Herzen Jesu geweiht hatte. Dasselbe hat bald danach der Thronfolger Franz Ferdinand und seine Gemahlin getan. Als sich nun 1903 die Gelegenheit bot, den Heiligen Vater anlässlich seines 25-Jahr-Regierungsjubiläums zu feiern und zu ehren, hielt der Wiener Jünglingsverein „Maria Hilf“ eine große Feierstunde ab, und im überfüllten Musikvereinssaal war auch Ehg. Karl unter den Ehrengästen zu sehen. Karl war damals 16 Jahre alt. Später werden Beobachter registrieren, dass man in seiner Gegenwart den Papst nicht kritisieren und nicht verunglimpfen durfte, wie das in der Propaganda der Los-von-Rom-Bewegung zur Tagesordnung gehörte; solchen Leuten ist Karl entschieden „über den Mund gefahren“.

Im selben Jahr 1903, am 18. Oktober, kam es zur Weihe der Canisiuskirche in Wien 9., eigentlich einer Herz-Jesu-Kirche, die unter der besonderen Patronanz der Ehg. Maria Josefas, der Mutter Karls, erbaut worden war. Der Kaiser selbst, aber auch der 16jährige Karl nahmen an der Weihehandlung teil.

Heirat

Im August 1907 wurde Karl großjährig, und dieser Umstand war Anlass, in Wartholz eine kleine Feier zu veranstalten; klein deshalb, weil die offizielle Trauerzeit für den am 1. November 1906 verstorbenen Vater Ehg. Otto noch nicht zu Ende war. Nun aber erwuchs für Karl die Pflicht, sich um eine Braut umzusehen, wobei sein Großonkel Kaiser Franz Joseph durchaus darauf bedacht war, sein Mitspracherecht geltend zu machen. Denn die Causa des Thronfolgers Franz Ferdinand, der eine nicht standesgemäße Ehe mit Gräfin Sophie Chotek eingegangen war, glich immer noch einer offenen Wunde.

Karl traf eine Wahl, der auch der Kaiser gerne zustimmte: die 1892 geborene Prinzessin Zita von Bourbon-Parma, die einen beträchtlichen Teil ihrer Kinder- und Jugendjahre im Schloss Schwarzau im Steinfeld verbracht hatte, nicht weit von Schloss Wartholz in Reichenau entfernt.

Am 13. Juni 1911 wurde in Pianore (Toskana) die Verlobung im engsten Familienkreis gefeiert. Am Vormittag überreichte Karl seiner Braut den Verlobungsring und am Nachmittag sagte er gleichsam als Erklärung zu ihr:

„Nun müssen wir uns gegenseitig in den Himmel helfen!“

Wenig später, am 24. Juni, wurde Zita von Papst Pius X. in Privataudienz empfangen:

„Jetzt heiraten Sie also den Thronfolger!“, sagte der Heilige Vater und ließ Widerspruch nicht gelten.

Karl wird der Erbe von Franz Joseph sein. (...) Und ich freue mich unendlich darüber, weil Karl der Lohn ist, den Gott diesem Österreich gewährt für alles, was es für die Kirche getan hat.

Der 21. Oktober 1911 war Hochzeitstag. Karl hatte in die Ringe, die das Paar austauschte, die Worte eingravieren lassen:

Sub tuum praesidium confugimus, sancta Dei genitrix.
Unter deinen Schutz und Schirm fliehen wir, heilige Gottesgebärerin!

Kardinal Bisletti hielt die Trauungsansprache und verlas die Glückwunschsadresse Papst Pius X., wobei er aus Rücksicht auf den anwesenden Thronfolger Franz Ferdinand jene Passage unterdrückte, in der der Heilige Vater erneut darauf Bezug genommen hatte, Karl werde Franz Joseph als Kaiser nachfolgen.

Das neuvermählte Paar beeilte sich, seine Zukunft der Magna Mater Austriae anzuvertrauen. Am 8. November 1911 betete es vor dem Gnadenbild Unserer Lieben Frau in Mariazell. Zita wird 1982, als sie erstmals wieder nach Österreich einreisen durfte, als 90jährige erneut nach Mariazell pilgern.

Das Jahr 1912 ist ausgezeichnet durch den Eucharistischen Weltkongress, der vom 12.-15. September in Wien unter großer Prachtentfaltung stattfand. Karl und Zita haben daran teilgenommen. Besondere Details sind nicht bekannt, auch war Karl nach einem Sturz vom Pferd noch rekonvaleszent.

Beginn des Ersten Weltkrieges

Für den 30. Juli 1914 war die Weihe der Herz-Jesu-Kirche in Hall in Tirol vorgesehen, um deren Wiederinstandsetzung und Adaptierung sich Ehg. Franz Ferdinand die größten Verdienste erworben hatte. Er hatte 50.000 Kronen für den Ankauf des Klostergebäudes, des alten Damenstiftes, gegeben und aus dem Gewehrmagazin wurde wieder ein Kirche, sogar eine Basilika. Im März 1913 hatte er mit der „Gnadennovene“, der Reihe der ersten Monatsfreitage begonnen. Nun war er gerade ein Monat zuvor, am 28. Juni, in Sarajewo ermordet worden; der Arzt hatte auf seiner Brust eine Herz-Jesu-Medaille gefunden. An der Schwelle des Weltkrieges war es Ehg. Karl nicht möglich, nach Hall zu reisen. Ein Jahr später holte er die Wallfahrt nach; eine Photographie vom 23. Juni 1915 zeigt ihn in tiefer Andacht kniend vor dem Allerheiligsten in der Basilika. Wenige Tage später ist er nochmals in Hall, um am ersten Jahrtag für Ehg. Franz Ferdinand teilzunehmen. In der Basilika erinnert eine Gedenktafel an das erste und letzte Opfer des Weltkrieges.

Die Beziehungen Karls zum Land Tirol sind mitgeprägt vom Herz-Jesu-Geheimnis. Er sprach von seinem lieben, kleinen Herz-Jesu-Land, und als ihn einmal die Behördenvertreter Innsbrucks in ihrer Stadt willkommen hießen, erinnerte er sie in seiner antwortenden Ansprache an das Vertrauen, das die Tiroler in das Heiligste Herz Jesu haben sollten. Es sei ja das Haupt, der Souverän des Tiroler Bundes, der Bundesherr. Die deutsch-nationalen Kreise hatten mit diesen Worten wenig Freude, doch umso mehr die Vielen aus dem Volke. Nach Friedensschluss wollte Karl auch seinen Einfluss dahingehend geltend machen, dass die Priesterseminare der Monarchie nach dem Vorbild des Innsbrucker Canisianums geführt würden, denn an der Herz-Jesu-Verehrung der „Canisianer“ hatte er besondere Freude.

Die Verbindungen mit dem Land Tirol blieben auch in seinem Schweizer Exil aufrecht. Als Maria Rumer, eine Kunsthistorikerin aus Innsbruck, den Diener Gottes in Hertenstein besuchte, wollte sie ihm gegenüber ein Treueversprechen ablegen. Karl ließ das nicht zu, da er erfahren hatte, sie habe Jungfräulichkeit gelobt und sei also eine Gottgeweihte. So sprach sie dann in der Hauskapelle in seiner Gegenwart und im Beisein von Bischof Seydl die Tiroler Bündnisformel.

Weihe der Familie und des ganzen Landes

Das Schutzengelfest 1918, der 2. Oktober dieses Jahres also, muss als besonders denkwürdiger Tag hervorgehoben werden.

Es war der Tag, an dem der sechsjährige Kronprinz Erzherzog Otto zum ersten Mal die Eucharistie empfangen sollte. Die Familie versammelte sich in der Schlosskapelle zu Wartholz. Der Kaiser selbst betete dabei die Konsekrationsformel an das Heiligste Herz vor, und es heißt, er habe dies mit Festigkeit und Glut getan und seine ganze Seele in diese Worte gelegt. Die Chronik der Pfarre Reichenau hält darüber fest:

Alle Schulkinder von Reichenau gingen am selben Tag zur hl. Kommunion um 8.30 Uhr in der Schlosskapelle im kaiserlichen Schloss Wartholz. Bischof Dr. Ernst Seydl las die hl. Messe. Kardinal Piffl war anwesend. Es assistierte Dr. Heinrich Giese von St. Gabriel als Katechet des Kronprinzen. Die Kaiserin hatte ihn selbst unterrichtet und betete mit ihm die Tugendakte. Die ganze kaiserliche Familie ging gleichzeitig zur hl. Kommunion, zuerst der Prinz, dann der Kaiser und die Kaiserin. Das ganze Hofpersonal hatte Exerzitien gemacht und kommunizierte denselben Tag. Auch Pfarrer Goldstein hatte die Auszeichnung, assistieren zu dürfen. Bei diesem kaiserlichen Familienfest wurde vor obiger Herz-Jesu-Statue durch die kaiserliche Familie eine Weihe des Kaiserhauses vorgenommen.

Die Förderung der Familienweihe hatte das Wiener Diözesanblatt kurz zuvor den Seelsorgern eindringlich empfohlen (WDBl 1918, Nr.6).

In ihrer Zeugenaussage im Rahmen des Informativprozesses hat Kaiserin Zita zu Protokoll gegeben, Karl habe damals an diesem 2. Oktober auch alle Völker der Monarchie in den Weiheakt eingeschlossen. Er sei auch fest entschlossen gewesen, diese Weihe offiziell und öffentlich zu wiederholen, aber durch die Novemberrevolution daran gehindert worden. Ja, er hatte damals sogar daran gedacht, das Herz-Jesu-Fest nach Friedensschluss zum staatlichen Feiertag zu erklären. Dazu ist es freilich nicht mehr gekommen. Doch wird er diesen Konsekrationsakt im Rahmen seiner Familie dann an jedem Herz-Jesu-Freitag erneuern.

Wer denkt da nicht an König Ludwig XVI., der sich in seiner Haft mit Plänen trug, ganz Frankreich in einem feierlichen Akt dem Herzen Jesu zu weihen und das Herz-Jesu-Fest in seinem Lande einzuführen? Auch Ludwig XVI. hatte seine Pläne nicht mehr verwirklichen können.

Herz Jesu und Eucharistie

Der selige Karl von Österreich hatte die Verehrung des Heiligsten Herzens und die Anbetung Jesu im Altarsakrament nicht in einem getrennten Nebeneinander verstanden, sondern in ihrer Einheit und Verbundenheit. Er hatte in seiner Hinwendung zum Herrn offensichtlich die ganze Jesus-Wirklichkeit im Blick, und dieses Mit- und Ineinander in der Zuwendung zum Göttlichen Herzen und zur Eucharistie wird sich noch öfter beobachten lassen. Die beiden beherrschenden Dimensionen seines Frömmigkeitslebens waren auf die Eucharistie und auf das Heiligste Herz bezogen. Im Altarssakrament wusste er das leidende und liebende Herz Jesu gegenwärtig.

Ein bisher wenig bekanntes Detail, das sich in der Chronik der Barmherzigen Schwestern vom heiligen Kreuz in Laxenburg unter dem 9. Jänner 1918 aufgezeichnet findet, sei hier und in diesem Zusammenhang mitgeteilt:

Der kaiserliche Hof hat in Laxenburg im „Blauen Hof“ Wohnung genommen und S. Majestät, Kaiser Karl, fährt jeden Tag mit seinem Auto um 8 Uhr nach Baden ins Kriegskabinett und da sieht er immer, wenn er an der Kapelle vorbeifährt, fromm zum Fenster hinauf, um das Allerheiligste zu grüßen. Auch heute macht er es so ...

(Diese Anbetungskapelle befand sich damals in der Nord-West-Ecke des Klostertraktes im 1. Stock.)

Das fügt sich gut in das überlieferte und bekannte Bild ein: Der Kaiser fuhr an keiner Kirche vorbei, ohne Jesus im Sakrament zu grüßen und ihm Ehre zu erweisen. Dies lehrte er auch seine Kinder: Sie sollten ein Kreuzzeichen machen, wenn sie im Wagen an einer Kirche vorbeikämen.

Für den eucharistischen Kaiser, wie Exzellenz Fischer-Colbry, Bischof von Kosice, ihn nannte, zählten die Herz-Jesu-Litanei und die Tagzeiten des Herzens Jesu zu seinen bevorzugten Gebeten. Er bestand darauf, bei der Silvesterandacht 1918 in Schloss Eckartsau, als alles verloren schien, das Te Deum zu singen, und sprach auf dem Weg in das Schweizer Exil das Wort: Heiligstes Herz Jesu, ich vertraue auf dich! Er wird diesen Akt des Vertrauens immer im Herzen tragen.

Im Schweizer Exil

In der Kapelle der Villa Prangins am Genfer See, wo die kaiserliche Familie Asyl gefunden hatte, gibt es dann eine Herz-Jesu-Statue, vor der ständig eine Lampe brennt. Der Herz-Jesu-Freitag wird jeweils in Feierlichkeit begangen: Am Morgen die hl. Messe als missa cantata, zelebriert von Bischof Dr. Ernst Seydl und mit den beiden Erzherzogen Otto und Robert als Ministranten. Der kleine Karl Ludwig spricht dann laut sein Gebet: Heiligstes Herz Jesu, ich vertraue auf dich. Erbarme dich des Vaterlandes, schließe alle Lieben in dein Herz und bring uns alle bald wieder glücklich nach Hause zurück! Am Abend, bei der Segensandacht, wird die Litanei gebetet und das Weihegebet gesprochen. Dann erklingt das Bundeslied: Auf, zum Schwure, Volk und Land! Darüber hinaus gab es an jedem Freitag eine eigene Herz-Jesu-Andacht in der Hauskapelle.

Im Kinderzimmer finden wir einen kleinen Hausaltar und auf diesem ein Herz-Jesu-Bild, vor dem die Kinder ihre Gebete verrichteten. Doch nicht nur die Kinder fanden Hilfe durch das Anschaubare. Der Kaiser selbst hatte auf seinem Schreibtisch ein Herz-Jesu-Bild, ebenso in der Nähe seines Bettes. Er ließ auch Herz-Jesu-Bilder für seine Schwiegermutter, für seine Schwäger und Schwägerinnen malen und in Silber rahmen und verwendete sie so als Weihnachtsgeschenke.

Die oben erwähnte Herz-Jesu-Statue übersiedelte nach dem ersten und missglückten Restaurationsversuch mit der kaiserlichen Familie nach Hertenstein am Vierwaldstättersee. Auch hier richtet Karl sogleich eine Hauskapelle ein, an deren Wand die gestickte Inschrift zu lesen war: Heiligstes Herz Jesu, ich vertraue auf dich! Immer wieder fiel die tiefe Sammlung des Kaisers auf, wenn er betete. Man hatte den Eindruck: Hier kniet ein Engel.

Zweiter Restaurationsversuch

Beim zweiten Restaurationsversuch flog Karl in Begleitung seiner Gemahlin in das Umland von Ödenburg (20. Oktober 1921), und bezeichnenderweise hatte das Paar die Herz-Jesu-Statue aus der Kapelle von Hertenstein mit sich genommen. Sie begleitete dann die Exilanten nach Madeira und ist dann wieder in der Kapelle der Villa in Lequeitio im Baskenland zu finden, wo nach dem Tod Karls seiner Frau und seinen Kindern eine Bleibe gegönnt sein sollte.

Wir haben die Liebe, die Gott zu uns hat, erkannt und gläubig angenommen (1 Joh 4,16a).

Der Kaiser hat stets Zeugnis für die Wahrheit der Liebe Jesu abgelegt, durch ein unbegrenztes Vertrauen auf seine Hilfe. Wenn er von Unserer Lieben Frau oder vom Heiligsten Herzen Jesu sprach, dann begann er zu strahlen, und am 14. Februar 1919 schrieb er von Eckartsau aus an den Wiener Erzbischof Kardinal Gustav Piffl (1864–1932): Das Heiligste Herz Jesu und die heiligste Mutter Gottes haben das Haus Habsburg immer beschützt und errettet; und im April desselben Jahres, bereits im Schweizer Exil, richtete er an Papst Benedikt XV. die Worte: Ich verliere nicht den Mut und habe insbesondere das Vertrauen, dass das Heiligste Herz Jesu das Land, das ihm geweiht ist, nicht fallen lassen wird. Aufforderungen, dem Herzen des Herrn ein unbegrenztes Vertrauen zu schenken, finden sich auch in Briefen an seine Gemahlin Zita, desgleichen in Gesprächen mit Bedrückten aller Art: Das Heiligste Herz Jesu wird helfen! – Er sagte das mit großer Überzeugung... Oder er ermutigte mit den Worten: Das Heiligste Herz Jesu wird das schon machen!

Ist das Vertrauen des Seligen enttäuscht worden? Ebenso wenig wie das Vertrauen Jesu auf seinen Vater... Das Leben der Heiligen trägt nicht die Signatur des Erfolges, sondern die des Kreuzes.

Novissima

Dieses Vertrauen auf die allmächtige Güte Christi erreichte auf Madeira seine Vollendung. Karl hoffte im Herzen seines Meisters die ersehnte Ruhe zu finden, in jenem Herzen, das immer seine Zuflucht, sein Vertrauen, seine absolute Hoffnung gewesen war. Er betete täglich den Rosenkranz und die drei Litaneien: zum Heiligsten Herzen Jesu, die Lauretanische und die Litanei vom hl. Joseph; ferner das Te Deum und Psalm 90 (91). Immer hörte man, wie er in seiner Todeskrankheit das Herz Jesu anrief. Seine Kinder empfahl er einzeln und namentlich der Liebe des Göttlichen Herzens. Unter dem Kopfpolster des Todkranken lag ein Herz-Jesu-Bild, und immer wieder küsste er dieses Bild, wenn es ihm an die Lippen gehalten wurde. Am Morgen des 31. März 1922, als Gräfin Mensdorff den Sterbenden umbettete, hörte sie dessen Worte: Es ist doch gut, das es ein Vertrauen auf das Heiligste Herz Jesu gibt. Sonst wäre das alles nicht zu ertragen. Und eines seiner letzten Worte an seine Gemahlin war gewesen: Im Herzen Jesu werden wir uns wiedersehen!

Am 1. April 1922, um 12.23 Uhr, ging er hinüber. Sein allerletztes Wort hatte dem Herrn selber gegolten: Jesus!