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Ekklesiologische Grundlinien von Papst Benedikt XVI.
Rezension zu Maximilian Heinrich Heim: Joseph Ratzinger – Kirchliche Existenz und existentielle Theologie (2005)

Stefan Hartmann

Hinweis/Quelle: Maximilian Heinrich Heim, Joseph Ratzinger – Kirchliche Existenz und existentielle Theologie. Ekklesiologische Grundlinien unter dem Anspruch von Lumen gentium. 2. Aufl. Die zweite Auflage einer theologischen Untersuchung von P. Dr. Maximilian Heim OCist ist mit einem Geleitwort des neuen Papstes erschienen.

Beachten Sie auch die bereits auf stjosef.at veröffentlichte Rezension des Buches von P. Maximilian Heim in der Erstauflage 2004!

 

Die Grazer theologische Dissertation des seit Herbst 2004 als Prior des vom damaligen Essener Bischof Kardinal Hengsbach gestifteten Zisterzienserklosters Bochum-Stiepel wirkenden gebürtigen Kronachers Pater Maximilian Heinrich Heim OCist über die im Zusammenhang mit der Konzilserklärung „Lumen gentium“ untersuchte Ekklesiologie Joseph Ratzingers (vgl. die Besprechung in Klerusblatt 84, 2004, S. 140) konnte inzwischen dank der großen Nachfrage in einer preisgünstigeren zweiten Auflage herausgebracht werden:

Maximilian Heinrich Heim, Joseph Ratzinger – Kirchliche Existenz und existentielle Theologie. Ekklesiologische Grundlinien unter dem Anspruch von Lumen gentium. Mit einem Geleitwort von Joseph Kardinal Ratzinger. 2. korrigierte und ergänzte Auflage, Frankfurt am Main u.a. 2005 (Peter Lang), 521 Seiten (Bamberger Theologische Studien Bd. 22), € 38.00 [weitere Informationen]

Durch die Papstwahl vom 19. April 2005 hat das Werk nicht nur an Aktualität, sondern in providentieller Weise an Gewicht und Normativität gewonnen. Noch als damaliger Präfekt der Glaubenskongregation verfasste Joseph Kardinal Ratzinger an Maria Lichtmess 2005 auf Bitten des Verfassers das nachfolgende Geleitwort, das wegen seiner nun gleichsam kirchengeschichtlichen Bedeutsamkeit in Gänze zitiert sei:

„Der Streit um das II. Vaticanum dauert an. Was hat es wirklich sagen wollen? Wie wird es richtig im Leben der Kirche angeeignet? Dies ist kein Streit, der im Raum gelehrter Theorien bleibt – das Geschick der lebendigen Kirche steht dabei auf dem Spiel. Pater Maximilian Heim hat mit seiner Dissertation, die hier in zweiter Auflage erscheint, einen bemerkenswerten Beitrag zu diesem Disput geleistet. Er fragt nach der rechten Auslegung der Dogmatischen Konstitution über die Kirche, die zusammen mit der Konstitution über die Heilige Liturgie, der Konstitution über die göttliche Offenbarung und der Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute das wesentliche Erbe des Konzils darstellt. Er tut dies, indem er meine theologischen Arbeiten aus den vier Jahrzehnten untersucht, die seit dem Konzil vergangen sind und sie mit den Konzilstexten konfrontiert. Ich brauche nicht eigens zu sagen, dass es für mich eine spannende Lektüre war, mein eigenes Denken in seinen Wegen und Umwegen, in seiner Kontinuität und in seinen Verwandlungen hier aufmerksam durchleuchtet und mit dem Maßstab des Konzils konfrontiert zu sehen. Aber das eigentliche Ziel des Buches reicht doch weit über die Interpretation und Zusammenschau meiner theologischen Versuche hinaus: Es geht ihm letztlich immer darum, das Vaticanum II und damit die Kirche selbst besser zu verstehen und so das tiefer zu erfassen, was uns alle im Letzten angeht – unabhängig von individuellen Theologien.

Meiner Überzeugung nach ist Pater Heim damit eine überzeugende Interpretation der Ekklesiologie des II. Vaticanums gelungen. In der Konstitution Lumen Gentium redet die Kirche letztlich nicht von sich selbst, bespiegelt nicht sich selber, wie man bei einer oberflächlichen Lektüre meinen könnte. Der erste Satz des Textes lautet: „Christus ist das Licht der Völker.“ Dieses Licht spiegelt sich auf dem Antlitz der Kirche. Sie ist – wie die Väter sagen – der Mond, der sein ganzes Licht von der Sonne, von Christus, nimmt. Die Kirche hat, recht verstanden, ihr Wesen nicht in sich selbst, sondern im Verwiesensein und im Verweisen über sich hinaus. Pater Heim zeigt diese christologische Struktur der Kirchenlehre des Konzils auf, die notwendigerweise eine theo-logische Struktur ist: In Christus ist der Mensch, die menschliche Natur, mit Gott vereint. Das Menschsein ist durch ihn hineingenommen in die trinitarische Dynamik: Der Sohn führt zum Vater im Heiligen Geist. Es geht um Gott, und nur so handeln wir recht vom Menschen.

Aber ging es nicht doch in dem leidenschaftlich geführten Streit um die bischöfliche Kollegialität und ihr Verhältnis zum Primat um Sozialstrukturen in der Kirche, um Machtverteilung? Das mag im Denken und Reden vieler durchaus ein wesentliches Element gewesen sein und wird es, wie nun einmal die menschliche Natur beschaffen ist, immer wieder werden. Pater Heim macht aber deutlich, dass der Text selbst, der natürlich auf die konkreten Strukturen der Kirche eingeht und wesentliche Entscheidungen fällen mußte, dabei die theologische Mitte nicht verliert: Christologische Zentrierung der Ekklesiologie bedeutet Verstehen der Kirche vom Sakrament her, bedeutet näherhin eucharistische Ekklesiologie, bedeutet die Einordnung und Unterordnung menschlicher soziologischer Systeme und Formen in die Grundordnung der communio, wie sie sich von der Eucharistie her entfaltet. Christus ist für den Glauben nicht eine Gestalt der Vergangenheit, auch nicht weit von uns in den Himmel entrückt: Durch sein Wort und seine leibhaftige Gegenwart in der Eucharistie ist er uns immer gleichzeitig. In der Eucharistie wird die Kirche immer neu aus dem geöffneten Herzen des Herrn geboren. Und in der Eucharistie ist auch der Kern der Kirchenverfassung, ihre Verschränkung von Einheit und Vielheit, von Universalität und konkreter Verankerung hier und jetzt, an diesem Ort und in dieser Stunde gegeben. Denn Eucharistie wird einerseits immer „am Ort“ gefeiert. Hier ist der Herr ganz, nicht bloß ein Teil von ihm; daher ist in der Eucharistiefeier auch immer die Kirche ganz, die ganze Kirche gegeben. Aber so wie der Herr immer nur ganz ist, so ist er immer auch nur einer, und daher bilden die vielen Eucharistien immer nur eine Eucharistie; nur im Mitsein aller mit allen feiern wir sie recht. Ihr Subjekt ist eine Gemeinde nur, insofern und insoweit sie von innen her eins ist mit der Gesamtkirche, soweit diese in ihr lebt und wirkt. Nur von diesem Ansatz her können dann die Fragen nach der Beziehung von Primat und Episkopat recht verstanden werden.

Nun, ich will nicht versuchen, in einem kurzen Geleitwort den ganzen Inhalt eines außerordentlich reichen Buches darzustellen. Ich wollte vielmehr nur versuchen, die Neugier des Lesers auf ein wahrhaft lesenswertes und bei aller Gelehrsamkeit auch gut geschriebenes Buch zu wecken. Dass es – was bei einer Dissertation durchaus ungewöhnlich ist – nach kurzer Zeit in zweiter Auflage erscheinen kann, freut mich. Ich wünsche dem Buch den Erfolg, um den es auch dem Verfasser geht: dass es zum besseren Verstehen unseres Glaubens, zu mehr Freude am Glauben beitragen könne“ (S. 7f).

In seinem eigenen Vorwort zur zweiten Auflage übersetzt P. Heim zuerst als hermeneutisches Motto aus der lateinisch gehaltenen Predigt des neuen Papstes am Tag nach seiner Wahl in der Sixtinischen Kapelle den Satz: „Deshalb wollen auch Wir am Beginn unseres Dienstes als Nachfolger Petri unseren festen und entschiedenen Willen erklären, in der Umsetzung des Zweiten Vatikanischen Konzils fortzufahren, indem Wir unseren Vorgängern folgen und in treuer Kontinuität zur zweitausendjährigen Tradition der Kirche stehen“ (S. 11). Sodann dankt er in großer Freude „dem neuen Nachfolger Petri, unserem Heiligen Vater Papst Benedikt XVI., für das persönliche und ausführliche Geleitwort“ (ebd.) und schließt ohne falsche Bescheidenheit mit dem Hinweis: „Dass mir für die vorliegende Studie im Jahr 2004 der Kardinal-Innitzer-Förderungspreis in Wien durch Christoph Kardinal Schönborn und in meiner Heimatstadt Kronach der Johann-Kaspar-Zeuß-Preis durch den 1. Bürgermeister Manfred Raum verliehen wurden, ehrt nicht nur mich, sondern auch meinen Doktorvater o. Univ.-Prof. Dr. Bernhard Körner, Dekan der Kath.-Theol. Fakultät der Universität Graz, sowie auch unsere Phil.-Theol. Hochschule Heiligenkreuz“ (an der P. Heim seit 2003 einen Lehrauftrag für Fundamentaltheologie innehat). Was der jetzige Papst am 1. Juli 1988 in Luzern beim Requiem für seinen als ernannter Kardinal verstorbenen Freund Hans Urs von Balthasar sagte, kann nun analog auf seine von Heim umfassend beschriebene eigene „kirchliche Existenz“ und „existentielle Theologie“ bezogen werden: „Nicht mehr bloß Einzelne und Private, sondern die Kirche in ihrer amtlichen Verantwortung sagt es uns, dass er ein rechter Lehrer des Glaubens ist, ein Wegweiser zu den Quellen lebendiger Wasser – ein Zeuge des Wortes, von dem her wir Christus erlernen, von dem her wir das Leben erlernen können“ (Gedenkheft der Akademischen Arbeitsgemeinschaft, Basel 1989, S. 31).