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Inhaltliche Zusammenfassung von Karol Wojtyla, Person und Tat

Josef Spindelböck

Hinweis/Quelle: Endgültige Textfassung in Zusammenarbeit mit dem Autor von Anna-Teresa Tymienicka, Freiburg-Basel-Wien 1981. Bei dieser Studie handelt es sich um das philosophische Hauptwerk von Papst Johannes Pauls II., mit bürgerlichem Namen Karol Wojtyla. Im Mittelpunkt seiner Ausführungen steht die menschliche Person, die sich durch die Tat ausdrückt und verwirklicht. Auf phänomenologischer Basis versucht er eine Analyse des Zusammenhangs von Person und Tat, um so die metaphysische Sicht der traditionellen Philosophie personalistisch zu vertiefen und zu ergänzen. „Person und Tat zeigt den Menschen als den, der sich selbst durch das sittliche Urteil und die ihm entsprechende Tat konstituiert.“ (A.-T. Tymienicka, Einführung des Herausgebers, 369). Das Buch ist lesenswert, wenngleich es in seinem Inhalt aufgrund der komplexen Materie, der teils abstrakten Begrifflichkeit sowie der Übersetzung nicht immer leicht nachzuvollziehen ist. Die folgende Zusammenfassung soll einen ersten Zugang zum inzwischen vergriffenen Werk eröffnen.

Die Erfahrung des Menschen als Person durch die Tat als die spezifisch menschliche Handlung steht im Mittelpunkt dieses wichtigen Werkes von Karol Wojtyla. Erfahrung ist nicht nur ein sinnenhafter Vorgang (im Sinn des Empirismus und Phänomenologismus), sondern ein gesamtmenschliches Erkennen (entsprechend der sog. Phänomenologie). Innere und äußere Erfahrung werden im geistigen Verstehen zur Einheit des Erkennens zusammengefaßt. Die Tat tritt hervor besonders durch ihren sittlichen Aspekt. So ergibt sich ein enger Zusammenhang von Anthropologie und Ethik.

Induktion hat zum Ziel, die Einheit der äußeren und inneren Erfahrung in ihrer Komplexität zu erfassen; Reduktion bemüht sich um Verständnis und Interpretation der tiefsten Gründe jener Erfahrung der Person in der sittlichen Tat, um zu einer Konzeption der Person zu gelangen, die eine Spaltung in die Philosophie des Seins und des Bewußtseins vermeidet und überwindet.

Erster Teil: Bewußtsein und Wirkmacht

Die Ausdrücke „actus humanus“, „actus voluntarius“, „actus personae“ sowie „menschliche Handlung“, „bewußte Handlung“ und „Tat“ meinen dasselbe, betonen aber je verschiedene Aspekte. Das Selbstbewußtsein wurzelt in der Selbsterkenntnis und zeichnet sich aus durch die Fähigkeit oder Funktion der Widerspiegelung und rationalen Durchdringung der Erfahrung von Person und Tat sowie durch die Funktion des subjektiven Erlebens, worin sich das „Ich“ gleichsam konstituiert. Im Erleben der sittlich guten oder bösen Tat, deren subjekthafter Urheber der Mensch ist, erlebt er sich selber als der, „der gut oder böse ist.“ (61) So wird die Tat zum tiefsten Ausdruck und zur Erscheinung dessen, was dieses Ich eigentlich ist. Die „Emotionalisierung des Bewußtseins“ hebt hingegen jene Art der Selbsterkenntnis auf, die Voraussetzung ist für das subjekthafte Widerspiegeln und Erleben im menschlichen Bewußtsein.

Sowohl das Geschehen als auch die Handlung sind Ausdruck und Verwirklichung des Dynamismus im Menschen. Beide werden mit dem Terminus „actus“ in ihrer grundlegenden Wirklichkeit erfaßt, insofern darin ein Übergang von der „potentia“ in den „actus“ geschieht. Nur in der Handlung erlebt der Mensch seine Wirkmacht, im Geschehen (auch „Aktivierung“ genannt) fehlt dieses. Die Person erlebt sich so als Ursache ihrer Tat. Im Handeln erfährt der Menschsowohl Immanenz als auch Transzendenz seiner selbst gegenüber dem Handeln. Der Mensch „schafft“ sich durch die Tat, er ist zugleich „Material“ wie auch „Schöpfer“. Worin gründet sowohl der Dynamismus des Handelns als auch der des Geschehens? „Der Mensch als Person, als ‚jemand’ ist – unter Beachtung der Seinsanalogie – mit dem suppositum identisch.“ (90)

Von der Phänomenologie her sind Natur und Person einander entgegengesetzt (Natur als Quellgrund der Aktivierungen, Person als Ursprung der Taten); in metaphysischer Sicht muß ihre tiefere Einheit und Integration festgehalten werden. Person und Natur sind nicht zwei gesonderte Subjekte des Handelns bzw. der Aktivierung. In metaphysischer Sicht ist die Natur „die Grundlage des wesentlichen Zusammenhalts zwischen dem Subjekt des Dynamismus und dem ganzen Dynamismus dieses Subjekts.“ (99)

Die menschliche Potentialität liegt am Ursprung des Dynamismus, sei er dem Bewußtsein zugänglich (im Bereich des bewußten Handlens, d.h. der Tat, sowie emotional-psychisch) oder auch nicht (vegetativ-somatisch). Insofern hat die Potentialität eine strukturelle Priorität vor dem Bewußtsein. Das Unterbewußte verweist auf das Bewußtsein als Dimension der eigentlichen Verwirklichung des Menschen.

Durch seinen Dynamismus vollzieht sich das „fieri“ (Werden) des Menschen als Person, insofern diese zwar bereits existiert, durch ihr Wirken (operari) aber immer mehr zu „etwas“, ja zu „jemandem“ wird. „Die Sittlichkeit ist eine Wirklichkeit, die in die Wirklichkeit der menschlichen Taten als das ureigenste Werden des Subjekts eingeht – als Werden, das aufs tiefste und wesenhafteste sowohl mit der Natur, das heißt der Menschennatur, als auch mit dem Faktum, daß der Mensch Person ist, verbunden ist.“ (117) Die menschliche Freiheit ist real in dieser Wirkmacht enthalten, die das Handeln des Menschen konstituiert und sittlich qualifiziert sowie den Menschen als gut oder böse bestimmt. „Die Entdeckung der Freiheit als Wurzel der Wirkmacht der Person läßt uns den Menschen noch tiefer als dynamisches Subjekt verstehen.“ (119)

Zweiter Teil: Die Transzendenz der Person in der Tat

Die Selbstbestimmung des Willens erscheint nicht nur als Vermögen, sondern sogar als das Eigentliche der menschlichen Person; in ihr verwirklicht sich die Selbst-Zugehörigkeit und die Selbst-Beherrschung der Person. Es geschieht hierin eine „Vergegenständlichung“ des Subjekts, die nicht mit dessen direkter Intentionalität gleichzusetzen ist. „Die Ausrichtung auf irgendeinen inneren Gegenstand als Wert und Ziel setzt eine grundlegende Ausrichtung auf das eigene Ich als Gegenstand voraus.“ (126) „Die Gegenständlichkeit des eigenen Ichs und folglich des eigenen Subjekts ist die nächste, unmittelbarste und innerste.“ (125)

Der instinkthafte Dynamismus der Natur kennt nicht das Faktum der Selbstbestimmung als Grundlage. Abhängigkeit vom eigenen Ich ist das Wesen menschlicher Freiheit. Wo diese fehlt, herrscht die natürliche Potentialität über das Individuum. In horizontaler und vertikaler Transzendenz überschreitet die Person sich selbst: horizontal in intentionaler Hinwendung auf die Gegenstände der Akte des Willens, vertikal in eigener Selbstüberschreitung kraft der Abhängigkeit des Willens vom eigenen Ich und der damit bedingten Übergeordnetheit des Ichs über die Tat. So bezeichnet die vertikale Transzendenz der Person im Handeln „die ganz eigene Übergeordnetheit des Menschen in bezug auf sich selbst und auf seinen Dynamismus“ (206). Der Mensch erlebt seine Unabhängigkeit gegenüber den Gegenständen deshalb, „weil an der Wurzel seiner Handlungen ständig jene grundsätzliche Abhängigkeit seiner von sich selbst steht.“ (138) Zugleich ist der Wille eine Potenz, derer sich der Mensch bedient, um sich in Freiheit einem Ziel oder Wert zuzuwenden.

„Appetitus rationalis“ läßt sich übersetzen mit „vernunftgemäßes Streben“ oder „Begehren“, wobei jeder Begriff seine Grenzen zeigt. Sowohl Erkennen als auch Wollen sind „intentionale Akte“. Im Erkennen wird der Gegenstand gleichsam ins Subjekt eingeführt und erhält dort eine intentionale Existenz. Im Wollen bewegt sich das Subjekt auf den Gegenstand zu und geht in ihn ein, sodaß es dort intentional zu existieren beginnt.

Wenn sich der Mensch entscheidet, antwortet er immer auf Werte. Die eigentliche Ursache der Willensbewegung „ist das Gute oder der Wert des Gegenstands – unter der Bedingung seiner Vorstellung.“ (153) Die Motivation durch das Gute oder den Wert hebt die Freiheit nicht auf. Die menschliche Freiheit ist nicht eine Freiheit von den Werten, sondern eine Freiheit für sie. Im Moment der Entscheidung wird die Person gerade als Person sichtbar. Der Wille ist innerlich von der Wahrheit abhängig, und auf diese Weise können seine Taten als sittlich gut oder böse qualifiziert werden. „Die eigentliche Ursache der Wahl und der Fähigkeit zu wählen kann selbst nichts anderes als die ureigene Beziehung zur Wahrheit sein, die in die Intentionalität des Wollens eingeht und gleichsam ihr inneres Prinzip bildet.“ (156) „Immer wenn die Person entscheidet oder wählt, kommt es vorher zu einem Werturteil.“ (167) Dieses kann diskursiv sein oder aber auch intuitiv. Wesentlich ist der darin enthaltene Bezug zur Wahrheit, der die Grundlage für jedes Entscheiden und Wählen ist.

Die eigentliche Zielrichtung jeder Entscheidung liegt in der Selbstbestimmung; die Intentionalität als Ausgehen auf Gegenstände und Werte ist demgegenüber sekundär. „Deshalb vollbringt der Mensch, wenn er Täter der Tat ist, gleichzeitig sich selbst in ihr.“ (172) Die Möglichkeit der Nicht-Vollbringung in ontologischer und axiologischer Sicht hebt die Kontingenz der Person hervor. „Die Abhängigkeit von der Wahrheit bestimmt die Grenze der für die menschliche Person charakteristischen Autonomie.“ (176) Eine große Bedeutung kommt hier dem Gewissen zu. „Die Pflicht ist die erfahrbare Gestalt der Abhängigkeit von der Wahrheit, die der Freiheit der Person vorausliegt.“ (178) Das Gewissen möchte die Tat von der erkannten Wahrheit abhängig machen. So gestaltet sich die normative Wirklichkeit.

„Die Person vollbringt sich durch ihre Tat“ (179). Der Mensch hat aufgrund seiner Vernunft die Fähigkeit zur Erkenntnis der Wirklichkeit, er ist wahrheitsfähig. „Durch die Fähigkeit, die Wahrheit zu erfassen und sie von der Un-Wahrheit, vom Irrtum, zu unterscheiden, stellt die Vernunft die Grundlage für die ganz eigene Übergeordnetheit des Menschen in bezug auf die Wirklichkeit dar, in bezug auf die Gegenstände der Erkenntnis.“ (180)

Dem Gewissen eignet die Fähigkeit zur Wahrhaftigkeit, in der der sittliche Wert erkannt wird, sowie die Fähigkeit zur Erkenntnis der „Gehörigkeit“ der diesem Wert entsprechenden sittlichen Normen. Zwar schafft nicht das Gewissen selbst diese Normen; indem es sie aber bejaht und verwirklicht, ist es schöpferisch tätig, da es „den Normen die einzigartige Gestalt“ verleiht, „die sie gerade in der Person besitzen, in deren Erleben und Vollbringen.“ (188) Der sittliche Wert ruft im Gewissen der Person die sittliche Pflicht hervor, entweder auf negativem („Du sollst nicht ..“) oder auf positivem Weg, wobei dies der Wert „durch seinen wesentlichen Inhalt und durch die mit diesem Inhalt zusammenhängende Anziehungskraft“ bewirkt (190). Der Mensch als Person „realisiert sich am eigentlichsten durch die Pflicht; nicht durch die Intentionalität des Wollens selbst, ja nicht einmal durch die Selbstbestimmung – sondern durch die Pflicht als besondere Modifikation der Selbstbestimmung und Intentionalität.“ (192)„Die Pflicht bedingt die Verantwortung, und gleichzeitig ist die Verantwortung bereits irgendwie in der Konstituierung der Pflicht anwesend.“ (195) Im Gewissen weiß sich der Mensch auch vor jemandem verantwortlich: vor anderen Menschen, vor Gott und nicht zuletzt vor sich selbst.

„Sich vollbringen, sich verwirklichen und glücklich sein – das ist fast dasselbe. Sich-Vollbringen heißt aber jenes Gute zu verwirklichen, durch das der Mensch als Person gut wird oder gut ist.“ (198 f) Das Glück besteht im „Vollbringen der Freiheit durch die Wahrheit“ (199). In der Transzendenz der Person tritt ihr Geist-Charakter in Erscheinung. Gerade dieses geistige Element bestimmt die Einheit des Seins der Person inmitten ihrer Komplexität. Vernunft und Wille sind Fähigkeiten der geistigen Natur, besitzen aber ein personales Profil und lassen sich nicht einfach auf die Natur reduzieren. Und doch wird die Seele in ihrer geistigen Substantialität nicht unmittelbar erlebt, sondern aus ihren Wirkungen erschlossen.

Dritter Teil: Die Integration der Person in der Tat

Das notwendige Korrelat der Transzendenz der Person in der Tat ist die Integration der Person in der Tat: Der Selbst-Zugehörigkeit entspricht das Selbst-Besessen-Werden, der Selbst-Beherrschung das Selbst-Beherrscht-Werden. Integration und Desintegration können in ursprünglicher (bezogen auf die grundlegende Struktur des Seins der Person) und in abgeleiteter Weise (z.B. bezüglich der psychologischen und ethischen Personalität) verwendet werden. Desintegration ist ein Mangel in der Struktur von Selbst-Zugehörigkeit und Selbst-Beherrschung der Person. Das richtige Verständnis der psycho-physischen Einheit setzt eine vorherige Erfassung der Transzendenz und Integration der Person in der Tat voraus. In der menschlichen Tat erlangen die natürlichen Dynamismen erst die eigentlich personale Qualität und den personalen Inhalt. Die somatische und psychische Sphäre mit ihren Funktionen ist ein System gegenseitiger Bedingtheit. „Auf dieses dynamische Ganze von Bedingtheiten und Abhängigkeiten stützt sich die Integration der Person in der Tat.“ (231) Im Leib (Körper) drückt sich die Person aus. „Der Mensch als Person besitzt seinen Körper und bedient sich seiner im Handeln.“ (235) Dem menschlichen Körper als Körper kommt ein reaktiver Dynamismus zu. „Die Reaktivität bezeichnet in diesem Fall den instinktiven und dynamischen Zusammenhang mit der Natur als einer bestimmten biologischen ‚Umwelt’, als einem Ensemble äußerer Bedingungen sowohl der Vegetation als auch der Reproduktion.“ (240) Es besteht eine ganz eigene „Unabhängigkeit des Körpers und seines Instinktdynamismus von der Selbstbestimmung der Person“ (242), obwohl auch dieser „Unterbau“ zur Einheit des menschlichen Seins und der Person gehört. Im Moment der Selbstbestimmung bedient sich der Mensch dieses reaktiven Dynamismus des Körpers. „Dieser usus zeigt sich dann, wenn wir Zeugen der dynamischen Synthese von Tat und Bewegung sind.“ (244)

Bei den Trieben geht es um „eine Art Resultante vieler instinktiver Körperreaktionen und damit um eine Charakterisierung der Natur in ihrer deutlich zielhaft-dynamischen Gerichtetheit selbst.“ (248) Der Trieb hat psychisch-emotiven Charakter, wobei die Reaktionen des Organismus dessen somatische Grundlage darstellen. Der Selbsterhaltungstrieb hat durchaus metaphysische Implikationen, deren Ziel der grundlegende Wert der Existenz ist. Der Sexual- und Fortpflanzungstrieb ist bei aller somatischen Eigenart und Spontaneität insofern „bewußt erfahrbar, als der Mensch als Person“ ihn „steuern kann.“ (251) Liebe und Verantwortung sind in diesem Zusammenhang zu sehen.

Sowohl die somatische als auch die psychische Integralität sind Grundlage für die Integration der Person in der Tat. „Psyche“ umfaßt jene Elemente der Menschennatur und des konkreten Menschen, „die wir in der Erfahrung des Menschen als in gewisser Weise zum Körper gehörig, ihm verhaftet und mit ihm integriert, entdecken, und die zugleich an sich nicht körperlich sind.“ (255) „Die Emotion ist keine somatische Reaktion, sie ist ein psychisches Faktum, das wesenhaft und qualitativ von der Reaktion des Körpers selbst verschieden ist.“ (259) Das Psychische ist indes nicht mit dem Geistigen gleichzusetzen, sondern ist durch das Somatische bedingt. Die psychische „Subjektivität“, die sich auf der Basis des Körpers im Gefühl enthüllt, wird vom Bewußtsein erfaßt, was bei der somatischen „Subjektivität“ nicht der Fall war. Damit ist auch eine hinreichende Grundlage für das Erleben des eigenen Körpers im Selbst-Gefühl gegeben. Das emotive Element entspricht aber nicht nur der Sinnlichkeit des Menschen, sondern in bestimmter Weise auch seiner Geistigkeit: Neben dem Körpergefühl gibt es auch ein ästhetisches, religiöses und sittliches Gefühl, das sich individuell-spezifisch ausprägt. In der „Empfindsamkeit“ ist der Mensch offen für Werte, er erlebt sie in ganzheitlich-personaler Weise, wenn diese Empfindsamkeit nicht nur ins Bewußtsein integriert wird, sondern auch in die Wahrhaftigkeit der Person. Die Erregbarkeit und die Erregung als ihre dynamische Antriebskraft und ihr dynamischer Kern stellen im Menschen eine Sphäre von „Gefühlsausbrüchen“ dar. Eigentliche Gefühle oder Rührungen unterscheiden sich wesentlich von Erregungen. „Jedes Gefühl hat seinen emotiven Kern in Form einer Rührung, aus der dieses Gefühl in ganz eigener Weise hervorgeht.“ (281) Die Emotionalität – als Rührung (Gefühl) oder als Erregung (Leidenschaft) – ist nicht schon an sich die Quelle der Desintegration der menschlichen Persönlichkeit (gegen die Ansicht der Stoiker und Kants). Wohl aber besteht eine Spannung zwischen der Emotivität des menschlichen Subjekts und der personalen Wirkmacht in den Taten, deren Austragung eine sittliche Aufgabe darstellt und die auf diese Weise schöpferisch sein kann. Die Emotivität strebt danach, sich im subjektiven „Ich“ zu verwurzeln. Wo ein Übergewicht der psychischen Immanenz über die personale Transzendenz im Handeln entsteht, ist der Subjektivismus vorherrschend. Ziel ist eine Integration, „in der die Emotion der Wirkmacht und damit der ganzen Struktur der Selbst-Beherrschung und Selbst-Zugehörigkeit besondere Ausdruckskraft verleiht.“ Emotionen verweisen auf Werte, erkennen oder begehren diesen aber nicht. Sie schaffen damit „die Gelegenheit für das Werterleben, für die Erkenntnis des Werts mittels der Erfahrung.“ (288) Die Spannung zwischen Emotivität und Selbstbestimmung fordert die Integration.

Die Tugenden (Tüchtigkeiten oder Gewandtheiten) steuern „ihrem Wesen nach darauf zu, die spontane Emotivität des subjektiven ‚Ichs’ der Selbstbestimmung dieses ‚Ichs’ zuzuordnen.“ (293) So soll der Wille „in der spontanen Beziehung zu den Emotionen, in spontaner Attraktion oder Repulsion, sich das aneignen und wählen“ können, „was wahrhaft gut ist“, bzw. verwerfen, was böse ist (294).

„Sowohl die Wirklichkeit der Seele selbst als auch die Wirklichkeit ihres Verhältnisses zum Körper ist ... eine transphänomenale und außerhalb der Erfahrung stehende Wirklichkeit.“ (299) Doch führt die Erfahrung auf diese Wirklichkeit hin, sodaß diese mittels der Methode der philosophischen Reflexion erschlossen werden kann. Die menschliche Seele ist das Prinzip sowohl der Transzendenz der Person in der Tat als auch der Integration des somatischen und psycho-emotiven Dynamismus im Ganzen der Person und ihrer Tat.

Vierter Teil: Teilhabe

Unsere Taten werden „gemeinsam mit anderen“ vollbracht. Dies drückt sich im Begriff der „Teilhabe“ aus. Fundamental bleibt freilich der personale Charakter der Tat. „Der personalistische Wert der menschlichen Tat – das heißt der personale Wert – ist ein besonderer und wahrscheinlich der grundlegendste Ausdruck des Werts der Person selbst.“ (306) Denn „die Person, die eine Tat vollbringt, vollbringt in ihr sich selbst ... Der ethische Wert wächst aus der personalistischen Wertunterlage hervor und durchdringt sie, ist jedoch nicht mit ihr gleichzusetzen.“ (307) Die gesellschaftliche Natur des Menschen bezeichnet in einer von der Erfahrung ausgehenden Sicht „vor allem die Wirklichkeit des Existierens und Handelns ‚gemeinsam mit anderen’“ (310). Der Mensch, der aufgrund der Teilhabe gemeinsam mit anderen handelt, bewahrt all das, „was aus der Handlungsgemeinschaft hervorgeht“ und verwirklicht gerade dadurch den personalistischen Wert der eigenen Tat (311). Gemeinsames Handeln ohne Teilhabe beraubt hingegen die Taten der Person ihres personalistischen Wertes. Die Konzeption der Teilhabe hat sowohl eine theoretische als auch eine normative Bedeutung, wobei es sich hier nicht um eine Norm im streng ethischen Sinn handelt, sondern um „eine Norm des Vollbringens der Tat selbst“ (315). Auf zweifache Weise kann das Vollbringen der Person in der Tat zunichte gemacht werden: durch einen Mangel an Teilhabe, der vom Subjekt ausgeht (Individualismus), oder auch durch ein in der Gemeinschaft des Handelns liegendes Defizit (Totalitarismus). Der Individualismus sieht die Existenz und das Handeln von anderen Personen nur als Quelle von Beschränkungen; er verneint die Teilhabe im beschriebenen Sinn. Der Totalitarismus möchte ein falsch verstandenes gemeinsames Gut mit Zwangsgewalt vor dem Individuum schützen. An der Wurzel beider Irrtümer steht ein a- oder antipersonalistisches Menschenbild.

Der Personalismus hingegen betont: Der Mensch ist fähig „zur Teilhabe, die der Person zu eigen ist.“ (318) „Es ist klar: der Mensch hat die Freiheit zu handeln, er hat das Recht zur Tat, aber er hat nicht das Recht, das Böse zu tun. In diese Richtung geht die Determination, die vom Recht ausgeht, gleichzeitig jedoch der personalistischen Ordnung entspricht.“ (319) Die Teilhabe ist ein gemeinsames Konstitutivum von Person und Gemeinschaft. Zwischen ihnen besteht kein Gegensatz. Dennoch ist das eigentliche (= substantielle) Subjekt des Existierens und Handelns immer der Mensch als Person und nicht die Gemeinschaft oder die Gesellschaft, die soziologisch als deren Objektivierung von der Gemeinschaft unterschieden wird. Es gibt sowohl auf der Basis der Handelns wie auf der des Existierens eine gegenständliche (objektive) Gemeinschaft ohne subjektive Gemeinschaft, d.h. ohne das Moment der Teilhabe. Das gemeinsame Gute (bonum commune) ist „nicht nur das Ziel eines gemeinsamen Handelns in irgendeiner Gemeinschaft“, rein gegenständlich verstanden, sondern es ist zugleich, ja vor allem das, „was die Teilhabe in den gemeinsam handelnden Personen bedingt und gleichsam hervorruft“ (325). Das gemeinsame Gute ist also Ziel in gegenständlicher und subjektiver Bedeutung. Es stellt die Grundlage der menschlichen Gemeinschaft dar. Der „grundsätzliche Ausdruck der Teilhabe als Eigentümlichkeit der Person“ ist „die Haltung der Solidarität“ (330). Auch jene Art von „Widerspruch, der aus dem Boden der grundsätzlichen Solidarität hervorwächst“, hat eine Funktion für das gemeinsame Gute (331). Im Prinzip des Dialogs geschieht der notwendige Ausgleich dieses Widerspruchs, da er zur Verwirklichung dessen führen soll, „was wahrhaftig und richtig ist“ (332). Nicht-authentische Haltungen sind hingegen der Konformismus, der bei Wahrung des äußeren Scheins die wahre Teilhabe in Solidarität und Widerspruch verneint, sowie das Ausweichen als Abwesenheit in der Gemeinschaft. Im Begriff „Nächster“ drückt sich die Fähigkeit zur Teilnahme am gemeinsamen Menschsein der anderen aus. So hängt er mit dem Wert der Person selbst zusammen und ist unabhängig von der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gemeinschaft. „Die Fähigkeit jedes Menschen, an der Menschheit, am Menschsein selbst Anteil zu nehmen, stellt den Kern jeglicher Teilhabe dar und bedingt den personalistischen Wert jeglichen Handelns und Existierens ‚gemeinsam mit anderen’.“ (341) Im Liebesgebot des Evangeliums liegt das Prinzip des Existierens und Handelns mit anderen.