www. St Josef.at
Die katholische Informationsseite der Gemeinschaft v. hl. Josef
Navigation

Moraltheologische Implikationen des „Krieges gegen den Terrorismus“
(August/September 2003)

Josef Spindelböck

Hinweis/Quelle: „Theologisches“ Jg. 33 (2003) Nr. 8/9 (August/September 2003) 365–380

Kurzfassung / Abstract:

Vor allem als Reaktion auf die Anschläge vom 11. September 2001 wird seither oft von einem „Krieg gegen den Terrorismus“ gesprochen. Nach der Vornahme begrifflicher Klärungen soll die normative Bewertung aus einer ethisch-moraltheologischen Perspektive erfolgen, die das Kriterium für die sittliche Beurteilung der natürlichen Vernunft und der menschlichen Erfahrung, aber auch der göttlichen Offenbarung verdankt. Terrorismus ist ein schwerwiegendes sittliches Übel; er ist in sich schlecht. Zur Überwindung von Gewalt und Terror ist eine umfassende Strategie der Bekämpfung nötig, die in einem weiteren Sinn als „Krieg gegen den Terrorismus“ bezeichnet werden kann. Die Verteidigung gegen den Terrorismus ist ein Recht, das sich bei der Wahl sowohl der Ziele wie der Mittel an moralische und rechtliche Regeln halten muss. Die Antwort auf den Terrorismus soll zweifach sein: sicherheitsstaatlich (durch Organe wie Polizei oder Militär), um der quasi-militärischen Funktion des Terrorismus entgegenzutreten; aber auf die tieferen Ursachen zielend (im Dialog und in Reformen), um der kommunikativ-propagandistischen Funktion des Terrorismus entgegenzuwirken.

In weiten Kreisen unreflektiert und schlagwortartig wird vor allem als Reaktion auf die Anschläge auf das Pentagon in Washington und die Zwillingstürme des New Yorker World Trade Center am 11. September 2001 von einem „Krieg gegen den Terrorismus“ („War on Terror“) gesprochen. Vielfach wird damit eine grundsätzlich notwendige Antwort auf die weltweite terroristische Bedrohung in der Weise charakterisiert, wie sie vor allem der Sichtweise der USA und ihrer Verbündeten entspricht.[1] Es scheint wichtig und sinnvoll, weitere Klärungen im Hinblick auf die Begrifflichkeit und die damit angezielte Sache vorzunehmen. Die darauf aufbauende normative Bewertung soll geschehen aus einer ethisch-moraltheologischen Perspektive, die das Kriterium für die sittliche Beurteilung der natürlichen Vernunft und der menschlichen Erfahrung, aber auch der Vorgabe der göttlichen Offenbarung verdankt.

Begriffliche Klärungen

Zwei Schlüsselbegriffe, nämlich „Krieg“ und „Terrorismus“ sind zuerst in den Blick zu bekommen, um dann die spezifische Begriffskombination eines „Krieges gegen den Terrorismus“ auf ihre inhaltliche Tragweite und ethische Relevanz hin befragen zu können.

Krieg

Es scheint hilfreich, von einer soziologischen Beschreibung auszugehen, wie sie in dieser oder einer ähnlichen Form insbesondere in der Politikwissenschaft relevant ist, ohne damit eine ethische Wertung vorwegzunehmen. Claus Offe definiert den Krieg als “ein organisiertes Gewalthandeln, ausgeführt von souveränen Staaten mittels ihrer militärischen Verbände, das gegen einen oder mehrere andere Staaten gerichtet ist und durch das anderweitig nicht zu befriedigende konfligierende Ansprüche der Kriegführenden durchgesetzt werden sollen.“[2] Das Phänomen des Krieges wird hier in formeller Hinsicht beschrieben, wobei das staatlich organisierte physische Gewalthandeln relevant ist, das sich durch militärische Aktionen gegen andere Staaten richtet. Mittels des Krieges durchzusetzende inhaltliche Ansprüche werden in dieser Begriffsbestimmung zwar kurz benannt, aber nicht näher beschrieben. Was nur andeutungsweise zur Sprache kommt, ist die möglicherweise internationale Dimension von Kriegen; gar nicht werden Bürgerkriege, Aufstands- und Widerstandsbewegungen sowie das Phänomen des Terrorismus miteinbezogen.

Terrorismus

Dieser wird von Wolfgang Palaver in allgemeiner Weise so charakterisiert: “Terrorismus bezeichnet allgemein die Anwendung von Gewalt durch eine Gruppe, die zu politischen oder religiösen Zwecken gegen eine Regierung oder auch gegen andere politische, soziale, ethnische oder religiöse Gruppen vorgeht.“[3] Diese Definition enthält das Moment der physischen Gewalt; jedoch ist die Bestimmung noch sehr offen. Es können nach dieser Leseart auch Widerstandsbewegungen oder bürgerkriegsähnliche Auseinandersetzungen in die Kategorie des Terrorismus eingereiht werden. Tatsächlich ist die Abgrenzung nicht immer einfach; manche Konturen verwischen sich, und doch gibt es Unterschiede.[4] Dann folgt eine spezielle Anwendung des Terrorismus-Begriffes: “Im engeren Sinn bezeichnet Terrorismus eine politisch motivierte Gewaltanwendung, die mittels einer Strategie der Provokation auf die psychischen Folgen von Furcht und Schrecken abzielt.“[5] Das Moment systematischer Einschüchterung durch eine Strategie der Provokation und Destabilisierung wird hier herausgestellt, wobei – was Palaver an anderer Stelle betont – der Terrorismus zur Erreichung dieses Zieles auf die ständig aktuelle Berichterstattung durch die modernen Medien der sozialen Kommunikation angewiesen ist.[6] Es fehlt jedoch ein ausdrücklicher Hinweis darauf, daß man im Terrorismus grundsätzlich nicht zwischen „Schuldigen“ und „Unschuldigen“ unterscheidet[7] und durch die terroristischen Aktionen bewußt auch das Leben unbeteiligter Personen aufs Spiel gesetzt werden.

Eine mit der bisherigen Beschreibung grundsätzlich übereinstimmende, jedoch anders akzentuierte Definition nimmt Uwe Backes vor: “Terrorismus wird eine im Dienste extremistischer Ziele (Radikalismus) stehende Methode genannt, die zur Festigung und Erweiterung (Terror von oben) oder zur Destabilisierung und Beseitigung (Terror von unten) politischer Herrschaft den systematischen Einsatz massiver Gewaltakte mit Überraschungseffekt vorsieht.“[8] Hier kommt nicht nur der „Terrorismus von unten“ in den Blick, sondern auch ein möglicher „Terrorismus von oben“, d.h. vonseiten der staatlichen Machthaber und Regierenden.[9] Das Moment des physischen Gewalteinsatzes erscheint für den Terrorismus als besonders wesentlich. Wenigstens als Drohung in einem Klima der Angst und Einschüchterung muß dieses Moment gegeben sein. Um effektiv zu agieren, müssen Terroristen diese Gewaltandrohung regelmäßig realisieren und zur Anwendung bringen, z.B. durch gezielte Attentate auf Personen oder Sachen. Außerdem ist zu betonen, daß der Terrorismus bewußt Unschuldige in seine Aktionen einbezieht und ihnen durch Gewalt schadet bzw. sogar ihr Leben riskiert.

Daher kann man festhalten: Terrorismus ist der mit der systematischen Androhung und Anwendung von Gewalt auch gegen Unschuldige verbundene Versuch bestimmter Personen und Gruppen (mitunter unterstützt von gewissen Staaten), eine Änderung politischer oder gesellschaftlicher Verhältnisse zu erreichen.[10] Damit verbunden ist eine Ideologie des Terrors, in der das angeblich gute Ziel fast jedes Mittel zu rechtfertigen scheint. Im Terrorismus weicht bei der bedrohten Bevölkerung die auf ein Ziel gerichtete und noch berechenbare Furcht einer unbestimmten und allgegenwärtigen Angst, wie sie durch vielfältige Formen der Einschüchterung erzeugt wird.[11]

„Krieg gegen den Terrorismus“ („War on Terror“)

Mit dieser relativ neuen Sprachfigur haben die USA den Krieg gegen den Irak und zuvor schon gegen Afghanistan gerechtfertigt und sind sie auch bereit für künftige militärische Optionen. Sie argumentierten, das Terrornetzwerk um Osama bin Laden habe durch die Ereignisse des 11. September 2001 den USA und der westlichen Zivilisation gleichsam den Krieg erklärt. Der „Krieg gegen den Terrorismus“ sei nun auf allen Ebenen zu führen, auch gegen Staaten, die sich offen oder latent als Unterstützer terroristischer Gruppen erwiesen hätten. Dabei bemühen sich die USA zwar um die moralische und rechtliche Unterstützung der Weltgemeinschaft; notfalls ist man aber bereit, auch ohne ausdrückliche Ermächtigung des Weltsicherheitsrates der Vereinten Nationen eine militärische Aktion durchzuführen, wie der Irak-Krieg („Krieg gegen Saddam“) konkret gezeigt hat.

In der unbedachten Verwendung des neuen Schlagworts eines „War on Terror“ liegt die Gefahr einer einseitig getroffenen moralischen Vorentscheidung. Es droht zu einem teilweise ungerechtfertigten, manipulativ herbeigeführten Vorurteil zu kommen, das die notwendige ethische Reflexion über die Kriterien des sogenannten „gerechten Krieges“ in einem konkreten Fall zu ersetzen droht. Das was zu beweisen ist, wird vorausgesetzt und damit der ethischen Diskussion entzogen. Freilich ist zuzugeben, daß die Wortgruppe eines „Krieges gegen den Terrorismus“ als solche durchaus in einem legitimen, wenn auch analogen Sinn verstanden werden kann, sofern sich dieses Verständnis mit der Reflexion über die genauen Anwendungsbedingungen eines entschiedenen und beharrlichen Kampfes gegen den Terrorismus verbindet. Tatsächlich muß bei der Behandlung des Terrorismus-Phänomens auch „auf den staatlichen Terrorismus hingewiesen werden, der eine Form des Stellvertreterkrieges darstellt und meist in der Unterstützung abweichender Gruppierungen in gegnerischen Staaten besteht.“[12] Dieser Aspekt findet sich bei vielen terroristischen Bewegungen und Gruppen im Hintergrund und rechtfertigt möglicherweise einen „Krieg gegen den Terrorismus“. Ethisch geht es dann vor allem um die Rahmenbedingungen und die Kriterien eines Einsatzes von polizeilicher und auch militärischer Gewalt gegen Terroristen, die vom Ausland aus operieren, und gegen deren staatliche Unterstützer.

Ethische Beurteilung des Terrorismus

Nachdem der Terrorismus als Phänomen beschrieben wurde, ist es nötig, eine ethische Bewertung vorzunehmen. Diese fällt, was keineswegs überrascht, negativ aus: Terrorismus ist ein besonders schwerwiegendes sittliches Übel; er ist in sich schlecht.[13]

Was sind die Gründe für eine solche Sichtweise, wie sie von einer praktisch gelebten Alltagsethik des „common sense“, von den meisten Richtungen einer reflektierten philosophischen und theologischen Ethik und von der Lehrverkündigung der katholischen Kirche[14] (übrigens in Übereinstimmung mit der Auffassung der meisten anderen Religionen) vertreten wird?

Der ethische Hauptvorwurf lautet: Der Terrorismus setzt systematisch Gewalt ein, und das auch gegen Unschuldige. Durch Einschüchterung erzeugt er ein Klima der Angst und dient insgesamt fragwürdigen Zielen. Im Terrorismus wird die Gewalt als solche zum Mittel der Konfliktlösung erhoben. Sie ist nicht mehr „ultima ratio“, d.h. letztes Mittel der Notwehr, wenn alle anderen Wege einer möglicherweise legitimen Sicherung und Verteidigung eigener Rechte versagen. Die Akteure des Terrorismus entziehen sich jedem Bemühen um rationale und argumentative Auseinandersetzung mit gegenteiligen Standpunkten. Was zählt, ist das Recht des Stärkeren; es geht um die unbedingte Durchsetzung der eigenen Ziele sogar mit sittlich schlechten Mitteln. Der Terrorist hat sich selber aus dem Dialog um das Gemeinwohl herausgenommen und vertritt nicht mehr den Standpunkt einer unparteiischen Gerechtigkeit, sondern den eines partikularen Interesses von einzelnen oder Gruppen, den er ohne Rücksicht auf fremde oder eigene Verluste durchzusetzen bereit ist. „Der Terrorismus basiert auf der Verachtung des Lebens des Menschen. Deshalb bildet er nicht allein den Grund für unerträgliche Verbrechen, sondern stellt selbst ein wirkliches Verbrechen gegen die Menschheit dar, insofern er auf den Terror als politische und wirtschaftliche Strategie zurückgreift.“[15]

Eine besondere Verschärfung erfährt der Terrorismus durch das Phänomen seiner internationalen Ausweitung. Durch weltweit organisierte und tätige Terrornetzwerke stellt er eine potentielle Bedrohung für die ganze Menschheit dar und offenbart so ein neues und bisher ungeahntes Maß an Verwerflichkeit.[16] Spezifisch für eine bestimmte Form des Terrorismus sind sogenannte Selbstmordattentäter, die in einer bestimmten Ideologie als Märtyrer gelten. Hier zeigt sich, welches Ausmaß menschliche Verblendung und Bosheit annehmen können. Johannes Paul II. urteilt: „Wenn diese Terrororganisationen ihre eigenen Anhänger als Waffen benutzen, um sie gegen unbewaffnete, ahnungslose Menschen loszuschicken, machen sie damit auf erschütternde Weise den Todesdrang offenkundig, der sie speist. Der Terrorismus entspringt dem Haß und erzeugt Isolierung, Mißtrauen und Abschottung. Gewalt gesellt sich zu Gewalt, in einer tragischen Spirale, die auch die jungen Generationen mit hineinzieht, die so den Haß erben, der schon frühere Generationen entzweit hat.“[17]

Nochmals gesteigert wird die terroristische Gefahr und der Grad ihrer ethischen Verwerflichkeit durch die ausdrückliche Berufung auf religiöse Ziele.[18] Theologisch gesprochen kommt es dabei zum Mißbrauch des Namens Gottes für inhumane Zwecke.[19] Papst Johannes Paul II. stellt fest: „Es ist eine Profanierung der Religion, sich als Terroristen im Namen Gottes zu bezeichnen, dem Menschen im Namen Gottes Gewalt anzutun. Die terroristische Gewalt steht im Gegensatz zum Glauben an Gott, den Schöpfer des Menschen, an Gott, der sich um den Menschen kümmert und ihn liebt.“[20] Niemand ist befugt, die eigene Sichtweise der Dinge mit Gewalt dem anderen aufzuerlegen. Die Achtung des Gewissens des anderen verbietet es, die Wahrheit oder das, was man dafür hält, anderen aufzuzwingen. Eine eigene Überzeugung kann dem Mitmenschen nur vorgelegt werden; annehmen muß er sie selber, in aller Freiheit.

Sittlich legitime Wege zur Überwindung von Gewalt und Terror

Um dem Teufelskreis von Gewalt und Gegengewalt zu entkommen, wie er insbesondere in terroristischen Aktionen zum Ausdruck kommt[21], ist eine umfassende Strategie der Bekämpfung des Terrorismus nötig, die in einem weiteren Sinn als „Krieg gegen den Terrorismus“ bezeichnet werden kann. Die Verteidigung gegen den Terrorismus ist „ein Recht, das sich wie jedes andere bei der Wahl sowohl der Ziele wie der Mittel an moralische und rechtliche Regeln halten muß.“[22]

Gewalt im Sinne von „violentia“, d.h. von Gewalttätigkeit, kann kein rechtmäßiges Mittel der Politik und der gesellschaftlichen Veränderung sein. Wo die Gewalttätigkeit dennoch vorkommt, sind staatliche und internationale Maßnahmen nötig, um sie einzudämmen und abzuwehren, im äußersten Fall auch gewaltsame. Diese Art von Gewalt gegenüber terroristischen Aktionen geschieht im Namen der rechtmäßigen Autorität („potestas“) und hat defensiven Charakter, da sie eine unumgängliche Antwort darstellt auf die angreifende Gewalt von Terroristen. Polizeiliche, aber auch militärische Maßnahmen erhalten in diesem Kontext ihre Bedeutung und ethische Berechtigung. Die Frage, inwieweit es einen eigentlichen „Krieg gegen den Terrorismus“ geben kann, wird jedoch noch zu klären sein.

Die staatliche Anwendung sicherheitspolitischer Maßnahmen zum Schutz vor der Bedrohung durch Terroristen wirkt sich auf verschiedenen Ebenen des öffentlichen und privaten Lebens aus. Wesentlich ist, daß die verfassungsmäßig garantierten Grundrechte und die jedem Menschen von Natur aus zukommenden Rechte nicht verletzt werden. Wollte man hier einen Überwachungsstaat errichten und ausbauen, der die möglichst lückenlose Kontrolle über alle Bürger garantiert und jede verdächtige Tätigkeit von vornherein erfaßt, so wäre eben dieses System eine noch größere Gefahr für die Freiheit und das menschliche Zusammenleben als der Terrorismus als solcher. Die Maßlosigkeit des Terrorismus darf nicht zu maßlosen Forderungen der staatlichen Abwehr führen, da dies eine neue und schlimmere Form der Unterdrückung erzeugen würde als jene, die man zu bekämpfen vorgibt. So besteht eine absolute Grenze gegenüber staatlicher Willkür: Das Instrumentalisierungsverbot des Menschen[23] und die damit zusammenhängenden unbedingt zu achtenden Rechte geben den ethischen Rubikon an, der um des Gewissens willen nicht überschritten werden darf – auch nicht durch Berufung auf angeblich gerechtfertigte sicherheitsrelevante Vorbehalte gegenüber verfassungsmäßig verbrieften Grundrechten und den Menschenrechten.

Wesentlich und unabdingbar gegenüber dem vielschichtigen Phänomen des Terrorismus erscheint die Ursachenanalyse. Antworten auf echte Probleme und Anliegen, auch wenn diese sich unter der Maske des Terrors verstecken, müssen gefunden werden. Dabei ist eine Absage an simple Erklärungsmuster nötig: „Monokausale Erklärungsversuche werden der Vielfalt der Faktoren, die terroristische ‚Karrieren’ formen, nicht gerecht. Ideologische Einflüsse können ebenso prägend wirken wie negative Erfahrungen mit staatlichen Sicherheitskräften oder gruppendynamische Prozesse in subkultureller Isolation.“[24]

Somit muß die Antwort auf den Terrorismus grundsätzlich eine zweifache sein: eine sicherheitsstaatliche (durch Organe wie Polizei oder Militär zu vollziehende), um der quasi-militärischen Funktion des Terrorismus entgegenzutreten; aber auch eine auf die tieferen Ursachen und Anliegen zielende, nur im Dialog und in echten Reformen zu bewältigende, um der kommunikativ-propagandistischen Funktion des Terrorismus entgegenzuwirken, die auf jene Gruppe zielt, die er zu vertreten angibt. Denn die Aktionen der Terroristen „verstehen sich als Fanale, die Aufmerksamkeit erregen, das Bewußtsein der ‚Unterdrückten’ stimulieren, eine revolutionäre Stimmung erzeugen, die es den ‚Befreiungskämpfern’ erlaubt, wachsende Sympathien für ihren Kampf zu nutzen.“[25] Durch Beschädigung von Sachwerten mit hohem Symbolwert und je nach Ideologie auch durch gezielte Tötung von Menschen (auch Unschuldiger) soll eine Botschaft an bestimmte Gruppen vermittelt werden, die unmittelbar verstanden und akzeptiert werden kann. Dieser Bewußtseinslage gilt es konstruktiv entgegenzutreten.

Betrachtet man Terroristen auch als zumindest teilweise rationale Akteure und den Terrorismus als eine mitunter erfolgreiche Strategie des realsymbolischen Einsatzes physischer Gewalt, so kann auf ihn effektiver reagiert werden. Terrorismus entsteht unter spezifischen Bedingungen. Starke gesellschaftliche Spannungen sind als Voraussetzung und Hintergrund ebenso nötig wie die Existenz einer scheinbar unerschütterlichen Hegemonialmacht, eine extrem motivierende Ideologie und eine wirkungsmächtige Organisation. Erst wenn diese Bedingungen nicht mehr gegeben sind, kann auch der Terrorismus überwunden werden – nicht jedoch durch blinde militärische Bekämpfung.[26]

Echte Vertrauensbildung ist nötig: nicht gegenüber den Terroristen, die bereits zu allem entschlossen sind und nur durch staatliche Gewalt an ihren Aktionen gehindert werden können, wohl aber gegenüber dem sogenannten „terroristischen Milieu“ und gewissen kulturellen Kontexten, in denen es inhaltliche Probleme und Anliegen gibt, auf die reagiert werden muß.[27] Dies ist verbunden mit der Bereitschaft zur Achtung fremder Völker in ihrer Andersartigkeit und zu einem echten Dialog der Kulturen, abseits von Imperialismus und Kolonialismus. Eben dies dürfte manchen Weltmächten und Mentalitäten schwerfallen, ist aber gerade deshalb umso wichtiger.

Im letzten kann nur eine weltweit zu verwirklichende „Zivilisation der Liebe“ die Antwort gegen den Terror und seine Ursprungsbedingungen sein. Die Alternative wäre ein umfassendes Sicherheitssystem, das selbst in Gefahr steht umzuschlagen zu einem weltweiten Überwachungssystem eines kollektiven (welt-)staatlichen Terrors. Hier ist der spezifische Beitrag der Kirche als Lernort des Friedens und des Dialogs sowie der Begegnung der Kulturen gefordert. In ähnlicher Weise meint auch Wolfgang Palaver: „Bezüglich der Überwindung der Ursachen des Terrorismus gilt es sowohl soziale Ungerechtigkeiten zu beseitigen als auch alle jene Religionen zu stärken, die eine Kultur der Gewaltfreiheit fördern.“[28] Sowohl Gerechtigkeit wie auch Vergebung sind die integralen Bestandteile einer umfassenden Strategie der Liebe zur Überwindung des Terrorismus und jeder anderen Form von Gewalt und Unrecht.[29] Die Erziehung dazu beginnt bereits in der Familie.

Kriterien für einen sittlich legitimen militärischen Einsatz im Kampf gegen den Terrorismus

Insofern der Terrorismus als Wesenselement den Einsatz physischer Gewalt gegen Menschen beinhaltet, treten die Akteure und Unterstützer terroristischer Unternehmungen als Aggressoren gegenüber Staat und Gesellschaft auf. Von daher ist ein Notwehrrecht der möglicherweise auch gewaltsamen Verteidigung gegen diese Bedrohung unmittelbar einsichtig.

Obwohl Terroristen einem Staat bzw. der Staatengemeinschaft der Zahl nach und auch im Hinblick auf die eingesetzten Waffen grundsätzlich unterlegen sind, geschieht eine gewisse Umkehr der Bedrohungsverhältnisse durch das „Konzept asymmetrischer Kriegsführung“. International operierende terroristische Gruppen bedienen sich dabei der im Verborgenen erfolgenden Unterstützung bestimmter Staaten, die auf diese Weise zu Komplizen des Terrorismus werden. Was die terroristische Kriegsführung von einem gewöhnlichen Krieg von Staaten gegeneinander unterscheidet, ist insbesondere der gezielte Einsatz von Gewalt gegen Unschuldige, das Fehlen konventioneller Waffenkonzentrationen und Waffenbewegungen, die Abwesenheit sichtbarer Zeichen des unmittelbaren Angriffs (da der Terrorismus gerade vom Überraschungsmoment profitiert) sowie die nicht offen hervortretende Identität des Angreifers, was seine Bekämpfung umso schwieriger macht.[30]

Unter diesen Voraussetzungen und Bedingungen scheint es verständlich, daß sich die USA und andere Staaten die Bekämpfung des Terrorismus als regelrechten „Krieg gegen den Terrorismus“ auf ihre Fahnen geschrieben haben. Freilich ist diese Bezeichnung nur im analogen Sinn zulässig, da doch wesentliche Unterschiede gegenüber einem gewöhnlichen Krieg bestehen. Einzelne Aktionen im Rahmen dieses „War on Terror“ können jedoch durchaus als Elemente eines Krieges angesehen werden und unterliegen einer dementsprechenden ethischen Bewertung. Von daher erscheint es sinnvoll, sich die Kriterien für die sittlich gerechtfertigte militärische Verteidigung (traditionellerweise als Kriterien für den sogenannten „gerechten Krieg“ bezeichnet[31]) zu vergegenwärtigen, wie sie von der katholischen Soziallehre und Moraltheologie aufgezeigt werden.

Nur wenn folgende Bedingungen gemeinsam gegeben sind, sind militärische Aktionen einer kollektiven Verteidigung sittlich gerechtfertigt:

  • Ein durch den Angriff gegebener Schaden „muß sicher feststehen, schwerwiegend und von Dauer sein.“
  • Die gewaltsame Verteidigung kann nur die „ultima ratio“ sein, nachdem sich alle anderen Mittel „als undurchführbar oder wirkungslos erwiesen haben.“
  • Die Erfolgsaussicht muß wirklich gegeben sein.
  • Die durch die Aktion der militärischen Verteidigung hervorgerufenen Schäden oder Wirren dürfen nicht größer sein als das zu beseitigende Übel. „Beim Urteil darüber, ob diese Bedingung erfüllt ist, ist sorgfältig auf die gewaltige Zerstörungskraft der modernen Waffen zu achten.“[32]

Die Kriterien der sittlich gerechtfertigten militärischen Verteidigung können der Sache nach identisch, aber in anderer begrifflicher Ausführung in zwei Gruppen eingeteilt werden: in Kriterien für die Entscheidung zum Krieg (nämlich „legitimate authority, just cause, right intention“)[33] und in Kriterien für die Kriegsführung als solche (nämlich „discrimination, proportionality, last resort, and reasonable hope of success“). Diese Kriterien eines „bellum justum“ sind im Licht jener Traditionen zu interpretieren und zu beurteilen, aus denen heraus sie sich entwickelt haben. So besteht eine gewisse Spannung zwischen einer rational-aufgeklärten bellum-justum-Theorie und der christlichen und katholischen Auffassung davon.[34]

Bereits Augustinus sah die Kriegsführung als ein unter Umständen notwendiges Übel an. Das Ziel müsse die Wiederherstellung eines gerechten Friedens sein. Nur die gerechte Autorität dürfe einen Krieg initiieren, d.h. die verantwortlichen Lenker eines Staates oder Gott selber. Als „justa causa“ treten bei ihm der Schutz der anderen und das Gemeinwohl hervor.[35] Thomas von Aquin stellte den Gemeinwohlaspekt noch stärker heraus und betonte die Notwendigkeit der Friedensförderung, da die Menschheit eine gemeinsame Familie unter Gott bilde. Eine entscheidende Quaestio stellt unter anderem die Frage, ob Krieg immer eine Sünde sei.[36] Die Antwort lautet: Normalerweise schon, aber nicht in allen Umständen. Möglicherweise sei unter der Voraussetzung der faktischen Sündhaftigkeit und ungerechten Gewalt der Krieg nötig – aber nur als Weg zum Frieden. Als Bedingungen nennt Thomas von Aquin die rechtmäßige Autorität, die rechte Absicht (Frieden) sowie die Angemessenheit der Kriegsführung im Hinblick auf die Entscheidung zum Krieg und den Einsatz der Mittel. Der theologische Kontext ist und bleibt jener der Liebe, auch zu den Feinden. Dies hat auch Konsequenzen im Hinblick auf die nicht zulässige Tötung von Unschuldigen.[37]

Der Kontext der Tugenden ging durch die Säkularisierung der „bellum-justum“-Theorie teilweise verloren bzw. trat zurück.[38] Wenn man nun beispielsweise die Norm, keine Unschuldigen bzw. keine Non-Kombattanten zu töten, losgelöst von ihrem christlichen Kontext und von einer Tugendethik betrachtet, wird sie zwar nicht in sich falsch, wohl aber werden derartige normative Sätze „deprived both of their substance and of their motivating power.“[39] Die in der säkularen Form vorausgesetzte rechtliche Objektivität gewisser Elemente der „bellum-justum-Theorie“ ist in der Anwendung auf konkrete Situationen mit Schwierigkeiten verbunden. Die Vernunft muß daher gebunden sein an Tugenden, insbesondere an Liebe und Gerechtigkeit; sie orientiert sich aber auch an den objektiven Voraussetzungen und Zielen des Friedens und des Schutzes der Unschuldigen.

Im Hinblick auf das Maß eines nötigen Gewalteinsatzes gilt nun bei der sittlich gerechtfertigten militärischen Verteidigung gewaltsam bedrohter Menschen und in analoger Weise auch beim Kampf gegen terroristische Attacken: „Where one cannot protect these persons by any other means except armed force, armed force may be justifiable. … Charity would require the limitation of the use of violence to what is necessary to defend those persons under threat or attack.”[40] Die theologische Tugend der Liebe zielt auf den vollkommenen sittlichen Akt. Kritisch anzumerken ist, daß hier kein Rigorismus eingeführt werden darf, da dies für gewöhnlich eine Überforderung wäre. Es geht um die „Dynamik des Mehr“ aufgrund der Liebe. Außerdem muß man unterscheiden zwischen Handlungen, die jedenfalls zu meiden sind, und guten Taten, die man tun kann, aber nicht muß. In der konkreten Frage geht es jedoch um das ethisch zulässige Minimum des Gewalteinsatzes bei der individuellen und kollektiven Selbstverteidigung. In Fragen des Lebensschutzes und des Tötungsverbots ist tatsächlich wegen des in Frage stehenden hohen Gutes des menschlichen Lebens eine tutioristische Position verlangt, welche die direkte Tötung unschuldigen Lebens kategorisch ausschließt.

Bei einem sogenannten „Krieg gegen den Terrorismus“ trifft der Verteidigungsgrund zweifellos zu. Wird jedoch auch das Kriterium der Proportionalität erfüllt? Es geht darum, daß man – nachdem alle anderen Mittel ausgeschöpft sind – die Angemessenheit gewaltsamer Mittel dahingehend überprüft, ob sie wirklich dem Ziel der effektiven Abwehr entsprechen.[41] Diese Proportionalität ist zu evaluieren sowohl im Hinblick auf die Entscheidung zum Krieg wie auch im Hinblick auf die einzelnen Kriegshandlungen während einer militärischen Auseinandersetzung. Konkret meint Johnstone, jene Staaten, die nun einen „Krieg gegen den Terrorismus“ führen, hätten sich selber jahrzehntelang einem „nuclear terrorism“ verschrieben, in welchem sie das Kriterium der Proportionalität mißachtet hätten, „targeting cities with their innocent inhabitants, so as to threaten other governments“.[42] Klarerweise folgt jedoch aus einem möglichen Fehlverhalten in der Vergangenheit nicht, daß die betreffenden Staaten hiermit jedes Recht verwirkt hätten, gegenüber einem echten Aggressor – wie es terroristische Netzwerke und Akteure nun einmal sind – effektiv aufzutreten und sittlich einwandfreie Mittel der Abwehr anzuwenden.

John Langan stellt drei Fragen im Hinblick auf die Anwendung von Kriterien des gerechten Kriegs auf den Kampf gegen den Terrorismus im Ausland[43]:

  1. Entspricht der beabsichtigte Einsatz von Gewalt dem Prinzip der Unterscheidung, d.h. richtet er sich auf militärische Ziele und auf Personen, die aktiv im terroristischen Netzwerk involviert sind, und versucht dieser Einsatz den Schaden für Zivilpersonen zu minimieren?
  2. Bringt der beabsichtigte Einsatz von Gewalt die sittlich annehmbare Absicht, die Gerechtigkeit wiederherzustellen, zum Ausdruck, oder möchte man damit Bestrebungen nach Rache oder Gefühle des Hasses zufriedenstellen?
  3. Besteht eine ausreichende Wahrscheinlichkeit, daß der geplante Einsatz von Gewalt sittlich bedeutsame Ziele bewirkt, d.h. besteht er den Test der Verhältnismäßigkeit? Wird er Resultate hervorbringen, die ausreichend zuverlässig und von Wert sind, um den Schaden aufzuwiegen, den der Einsatz tödlicher Gewalt mit sich bringt?
  4. Gerade die vielen Unwägbarkeiten bei der Beurteilung einer konkreten Situation lassen es für dringend geboten erscheinen, sich nicht vorschnell von einer Ideologie des “Kriegs gegen den Terrorismus” zu Aktionen hinreißen zu lassen, die nicht wieder gutzumachende Schäden an Leib und Leben auch vieler Zivilisten mit sich bringen können.

Die Beachtung einer Moral der Mittel im Kampf gegen den Terrorismus

Die Beachtung einer „Moral der Mittel“ verlangt den unbedingten Ausschluß in sich schlechter Mittel, sowohl in kriegerischen Auseinandersetzungen wie auch in jeder Form des Kampfes gegen den Terrorismus. Unterscheidungen sind nötig, auch zwischen polizeilichen und militärischen Mitteln, obwohl derartige Grenzziehungen immer eine gewisse Unschärfe mit sich bringen. Weniger gewaltsame Mittel sind nach Möglichkeit vorzuziehen. Jedenfalls als ethisch verwerflich abzulehnen und zu ächten sind die Massenvernichtungsmittel (ABC-Waffen), die auf die Vernichtung großer Massen an Menschen abzielen und keinen Unterschied kennen zwischen Zivilisten und militärischen Kampfpersonen. Abzulehnen sind außerdem Repressalien im strengen Sinn. Sie richten sich auch gegen Unschuldige und bestehen in der Anwendung von völkerrechtswidrigen Maßnahmen gegenüber dem Feind mit dem Ziel, ihn zur Einstellung laufender oder weiterhin drohender Völkerrechtsverletzungen zu zwingen. Es handelt sich um innerlich schlechte Handlungen, da eine Repressalie „gegen das natürliche Verbot verstößt, einen unschuldigen Menschen zu bestrafen“.[44]

Vittorio Hösle hält „militärische Sanktionen gegen jene Staaten [für] erlaubt, die die Terroristen unterstützen oder wenigstens dulden“.[45] Es geht hier weniger um direkte militärische Maßnahmen gegen die Terroristen als solche, als vielmehr um Aktionen gegen Staaten und deren politisch Verantwortliche, die sich offen oder im geheimen mit gewissen Terrorbewegungen identifizieren und diese unterstützen. Zwar meint Hösle, solche militärischen Maßnahmen seien „positivvölkerrechtlich ... zwar meist unzulässig“, jedoch sei eben „das positive Völkerrecht ... nicht das letzte Kriterium der Moral“, was von einem naturrechtlichen Standpunkt aus ganz allgemein durchaus bestätigt werden kann. Militärische Maßnahmen dürfen aber auch nach Hösle nur die „ultima ratio“ sein; zuerst seien wirtschaftliche Sanktionen einzusetzen, und man müsse schwachen Staaten Hilfen bei der Terrorismusbekämpfung anbieten.

Beim „Krieg gegen den Terrorismus“ handelt es sich um die möglicherweise bis zum Einsatz militärischer Gewalt reichende Entschiedenheit der internationalen Gemeinschaft und einzelner Staaten, dem Terrorismus beizukommen und ihn zu unterbinden. Was die Rede vom „War on Terror“ vermissen läßt, ist die Frage nach den möglichen Ursachen des Terrorismus. Ein „Krieg gegen den Terrorismus“ scheint sich die Lösung primär vom Einsatz staatlicher und internationaler Machtmittel gegen Terroristen erwarten zu wollen. Anzufragen ist, ob hier nicht eine bloße Unterdrückung von Gewaltphänomenen stattfindet, deren Ursachen möglicherweise weiterbestehen oder durch eine bestimmte Form der Unterdrückung sogar noch potenziert werden können.[46] Schlagzeilen wie „Why the War on Terror will never end“ [47] vermögen diese reale Befürchtung gut zu illustrieren. Andere Konfliktlösungsstrategien werden aus der Position des vermeintlich Stärkeren von vornherein ausgeblendet oder mit nachgeordneter Präferenz behandelt, was sich mittel- und langfristig nur negativ auswirken kann.

Für die militärische Bekämpfung von Terrorstaaten stellt Hösle die Regel auf, man werde „Gewalt gegen Sachen, gegen Soldaten und gegen nicht betroffene Zivilisten unterscheiden müssen – erstere mag angemessen, letztere kann nie legitim sein: Die Tötung unschuldiger Zivilisten eines Nachbarlandes, das Terroristen deckt, ist keine irgendwie diskutable Repressalie.“[48] Das direkte Ziel von Militäraktionen sind jene Staaten, die terroristische Aktionen unterstützen. Die Abstufung des Einsatzes von Gewaltmitteln je nach dem Status des Gegenübers ist wesentlich und unaufgebbar, auch aus ethischer Sicht. Ansonsten würde eine fundamentale Verletzung des Prinzips der Notwehr vorliegen. Unter dem Vorwand der Bekämpfung des Unrechts könnte so ein Staat im „Krieg gegen den Terror“ noch größeres Unrecht begehen als jenes, das er eigentlich beseitigen will.

„Tyrannenmord“ im „Krieg gegen den Terrorismus“?

Wie kann und darf gegen eine für terroristische Aktionen in hohem Maß mitverantwortliche politische Führungspersönlichkeit vorgegangen werden? Ist eine Tötung einer solchen Person (eines „Tyrannen“) als Element des Kampfes gegen den Terrorismus möglicherweise zu rechtfertigen? Kommt es zu einem von dieser Seite her zu verantwortenden Krieg (und manche sind der Meinung, das Terrornetzwerk als solches und seine auf Vernichtung gesellschaftlicher Fundamente zielenden Aktionen seien bereits dieser unerklärte, aber doch überaus gefährliche und wirksame Krieg), dann meint Hösle sogar: „Die gezielte Ermordung ziviler gegnerischer Regierungsmitglieder, die für einen ungerechten Krieg verantwortlich sind, ist m.E. moralisch unbedenklich, wenn damit der Krieg zu einem raschen Ende gebracht werden kann; es ist nicht einzusehen, warum Soldaten, die zum Teil gegen ihren Willen dienen müssen, mehr gefährdet sein sollten als diejenigen, die die Verantwortung für einen ungerechten Krieg tragen.“[49]

Die Folge einer solchen Sicht wäre jedoch eine Willkür der Vorgangsweise, die Gewalt nicht mehr als „ultima ratio“ ansieht und den Unterschied zwischen militärischen und zivilen Personen aufzuheben droht. Vor allem ist der Terminus und das Zugeständnis der Erlaubtheit eines „Mordes“ abzulehnen: Ein Mord ist in sich schlecht und daher nie zulässig, während eine unter Umständen in einem Akt individueller oder auch gemeinsamer Notwehr erfolgende Tötung eines ungerechten Angreifers (als der der Letztverantwortliche einer ungerechten militärischen Aktion zweifellos zu gelten hat) nach Abwägung aller relevanten Umstände und unter Ausschöpfung aller friedlichen und weniger gewaltsamen Mittel möglicherweise gerechtfertigt sein kann.[50]

Terrorismus richtet sich gezielt auch gegen Unschuldige, d.h. gegen die Zivilbevölkerung im eigentlichen Sinn. Terroristische Aktionen können nie legitimiert werden. Als Mittel ethisch legitimer und zugleich effektiver Terrorbekämpfung schlägt Hösle vor, die unmittelbaren Täter (d.h. die Terroristen) zu bestrafen, „und zwar aufgrund rechtsstaatlicher Verfahren, gegebenenfalls nach ihrer Entführung aus dem Nachbarland; ihre Ermordung ist nur dann zu erwägen, wenn es keine Möglichkeit gibt, sie zur Rechenschaft zu ziehen, und wenn sie andernfalls weiterhin terroristische Akte ausüben würden.“[51]

Genau hier zeigt sich die Problematik des Übergangs von jedenfalls anzustrebenden rechtsstaatlichen Verfolgungsmaßnahmen gegen Terroristen und ihrer Bestrafung nach einem ordentlichen Gerichtsverfahren zur mehr oder weniger rechtlich gedeckten gewaltsamen Beseitigung von Terroristen, die freilich nie den Charakter eines Mordes haben darf, um ethisch noch legitim sein zu können (insofern ist es strikt abzulehnen, von „Ermordung“ als sittlich diskutabler Lösung zu sprechen, wie Hösle es tut). Nur eine Aktion der Notwehr kann in einem Extremfall die sittlich legitime Tötung jener Terroristen mit einschließen, von denen eine unmittelbare Gefahr ausgeht und die auf andere Weise nicht unschädlich gemacht und zur Verantwortung gezogen werden können.

Anzustreben wäre jedenfalls, daß solches Handeln zumindest grundsätzlich nur im Auftrag internationaler Instanzen der Weltgemeinschaft (Vereinte Nationen, Internationaler Strafgerichtshof etc.) geschieht, damit jeder Anschein der Rechtswillkür vonseiten einzelner oder von Staaten vermieden werden kann.[52] Nur ein Tätigwerden im Namen des staatlichen und weltweiten Gemeinwohls ist bei der Bekämpfung des internationalen Terrorismus gerechtfertigt, nicht aber die Durchsetzung eigener Interessen und Machtansprüche.

Literaturangaben

Backes U., Terrorismus, in: Staatslexikon, hg. von der Görres-Gesellschaft, Bd 5 (1989), 439–442

Bennett W.J., Why We Fight. Moral Clarity and the War on Terrorism, Washington 2003

Breuer C., Die Tyrannentötung. Ein sozialethisches und moraltheologisches Problem in: Die neue Ordnung 56 (2002), Nr. 4.

Hoffman B., Terrorismus – der unerklärte Krieg. Neue Gefahren politischer Gewalt. Aus dem Englischen von Klaus Kochmann, Frankfurt/Main 20035

Hörmann K., Friede und moderner Krieg im Urteil der Kirche, Wien 1964

Hösle V., Moral und Politik. Grundlagen einer Politischen Ethik für das 21. Jahrhundert, München 1997

Johannes Paul II., Enzyklika Sollicitudo rei socialis über die soziale Sorge der Kirche. Zwanzig Jahre nach der Enzyklika Populorum progessio, 30. Dezember 1987 (Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls, Nr. 82).

Johannes Paul II., Botschaft zum Weltfriedenstag am 1. Januar 2002: „Kein Friede ohne Gerechtigkeit, keine Gerechtigkeit ohne Vergebung“, online unter

Johnstone B.V., The War on Terrorism: A Just War?, in: Studia Moralia 40 (2002) 39–61

Johnstone B.V., Political Assassination and Tyrannicide: Traditions and Contemporary Conflicts, in: Studia Moralia 41 (2003) 25–46

Kant I., Grundlegung zur Metaphysik der Sitten (Philosophische Bibliothek, Bd 41), hg. v. B. Kraft und D. Schönecker, Hamburg 1999

Katechismus der Katholischen Kirche. Neuübersetzung aufgrund der editio typica Latina, München-Wien-Leipzig-Freiburg 2003

Langan J., From Ends to Means: Devising a Response to Terrorism, in: America, Oct 8th 2001,

Novak M., “Asymmetrical Warfare” & Just War. A moral obligation, Vortrag am 10. Februar 2003 in Rom, in: National Review.

Offe C., Staat, Demokratie und Krieg, in: Joas H. (Hg.), Lehrbuch der Soziologie, Frankfurt/New York 2001, 417–446

Palaver W., Terrorismus, in: Lexikon für Theologie und Kirche. Dritte Auflage, Bd 9 (Freiburg-Basel-Wien-Rom 2000), 1342 f

Palaver W., Terrorismus. Wesensmerkmale, Entstehung, Religion, in: Wochenbericht der Bank Julius Bär, 7. März 2002, 2–8, Zitate nach den Absätzen der Online-Ausgabe.

Renick T.M., Charity Lost: the Secularization of the Principle of Double Effect in the Just-war Tradition, in: The Thomist 58 (1994) 441–462

Scheerer S., Die Zukunft des Terrorismus. Drei Szenarien, Lüneburg 2002

Spindelböck J., Aktives Widerstandsrecht. Die Problematik der sittlichen Legitimität von Gewalt in der Auseinandersetzung mit ungerechter staatlicher Macht (Moraltheologische Studien, Systematische Abteilung, Bd 20), St. Ottilien 1994

Thomas von Aquin, Summa theologica (= STh), Taurini 1922

 

 


 

[1] Repräsentativ dafür ist der Vortrag, den der US-amerikanische Theologe Michael Novak am 10. Februar 2003 auf Einladung des amerikanischen Botschafters im Vatikan in Rom gehalten hat. Aus der Perspektive des amerikanischen Patriotismus beschwört William Bennett (Why We Fight) die sittlichen Motive des weltweiten Kampfes der USA gegen den Terrorismus.

[2] Offe, Staat, 439.

[3] Palaver, Terrorismus 2000, 1342.

[4] In der Praxis besteht eine relative Unschärfe zwischen Befreiungsbewegungen und terroristischen Gruppen mit teils gemeinsamen, teils unterschiedlichen Zielen politisch-sozialer, nationalistischer, ethnischer oder auch religiöser Natur. Palaver (Terrorismus 2000, 1342) unterscheidet zwischen dem Guerillakrieg, der „durch Gewaltwendung unmittelbar sein Ziel erreichen will und von der Unterstützung durch das Volk profitiert“, und dem Terrorismus, der „von einer vormundschaftlichen Identifikation mit einer Bevölkerungsgruppe geprägt“ sei, „deren reale Unterstützung erst durch die terroristischen Handlungen hervorgerufen werden soll.“

[5] Palaver, Terrorismus 2000, 1342. Eine neuere Definition desselben Autors (Terrorismus 2002, 1) lautet: „Unter Terrorismus verstehen wir den aus dem Untergrund erfolgenden politisch oder religiös motivierten Einsatz schockierender Gewalt gegen eine politische Ordnung oder eine bestimmte Gruppe von Menschen.“

[6] Palaver, Terrorismus 2002, 4–5. Zu diesem Aspekt vgl. auch Hoffman, Terrorismus, 172–208.

[7] Gemeint ist hier die fehlende Unterscheidung zwischen Militär- und Zivilpersonen, zwischen Kampfpersonen und unbeteiligten Menschen. Alle werden unterschiedslos je nach Kalkül das Ziel terroristischer Attacken.

[8] Backes, Terrorismus, 439.

[9] Freilich sollte es in einem demokratischen Rechtsstaat den „Terrorismus von oben“ nicht geben. Kommt es von einzelnen Organen der Sicherheit dennoch dazu (z.B. durch massive polizeiliche Übergriffe), so ist gemäß Verfassung und Rechtsordnung dagegen vorzugehen.

[10] Hoffman (Terrorismus, 50) weist auf die Schwierigkeiten hin, das Phänomen des Terrorismus umfassend zu definieren. Er referiert (ebd., 48) eine Definition, wie sie das Verteidigungsministerium der USA gibt: Terrorismus sei „gesetzwidriger – oder angedrohter – Gebrauch von Zwang oder Gewalt gegen Personen oder Eigentum, um Regierungen oder Gesellschaften zu nötigen oder einzuschüchtern, oftmals um politische, religiöse oder ideologische Ziele zu erreichen.“

[11] Vgl. auch Hösle, Moral, 416–421.

[12] Palaver, Terrorismus 2000, 1342.

[13] Vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 2297, der diese Verurteilung in einer Reihe mit anderen Gewaltphänomenen ausspricht, die konkret mit terroristischen Aktionen verbunden sein können: „Entführungen und Geiselnahmen verbreiten Schrecken und üben durch Drohung auf die Opfer unzulässigen Druck aus; sie sind moralisch unzulässig. Der Terrorismus bedroht, verwundet und tötet auf willkürliche Weise; er ist ein schwerer Verstoß gegen die Gerechtigkeit und die Liebe. Folterung, die körperliche oder seelische Gewalt anwendet, um Geständnisse zu erpressen, Schuldige zu bestrafen, Opponenten Angst einzujagen oder Haß zu befriedigen, widerspricht der Achtung vor der Person und der Menschenwürde.“ Vgl. die Kurzanalyse im Hinblick auf die sittliche Dimension des Terrorismus bei Spindelböck, Widerstandsrecht, 237–239.

[14] Bereits in seiner Enzyklika „Sollicitudo rei socialis“ hatte Papst Johannes Paul II. festgestellt: „Man darf auch nicht die Augen schließen vor einer weiteren schmerzhaften Plage der heutigen Welt: vor dem Phänomen des Terrorismus, verstanden als Vorsatz, unterschiedslos Menschen zu töten, Güter zu zerstören und gerade so ein Klima des Schreckens und der Unsicherheit zu schaffen, oft auch verbunden mit Geiselnahme. Auch wenn man als Motivation dieser unmenschlichen Praxis irgendeine Ideologie oder die Errichtung einer besseren Gesellschaft anführt, sind terroristische Akte niemals zu rechtfertigen. Das sind sie noch weniger, wenn solche Beschlüsse und Täten, durch die es manchmal zu wahren Blutbädern kommt, sowie manche Entführungen unschuldiger Menschen außerhalb der Konflikte einem propagandistischen Zweck zum Vorteil der eigenen Sache dienen sollen oder wenn sie, was noch schlimmer ist, als Ziel an sich gewollt sind, so daß man allein darum tötet, um zu töten. Angesichts von soviel Entsetzen und Leid behalten jene Worte stets ihren Wert, die ich vor einigen Jahren ausgesprochen habe und hier noch einmal wiederholen möchte: ‚Das Christentum verbietet ..., die Wege des Hasses einzuschlagen sowie das Mittel des Mordes an wehrlosen Personen und die Methode des Terrorismus zu benutzen’.“ (Nr. 24)

[15] Johannes Paul II., Weltfriedenstag 2002, Nr. 4.

[16] „In den letzten Jahren, besonders nach dem Ende des kalten Krieges, ist der Terrorismus zu einem hochentwickelten Netz des politischen, technischen und wirtschaftlichen Zusammenwirkens geworden, das die nationalen Grenzen überschreitet und sich anschickt, die ganze Welt zu umgarnen. Es handelt sich um Organisationen im wahrsten Sinn des Wortes, die oft mit beachtlichen Geldmitteln ausgestattet sind und Strategien auf breiter Ebene ausarbeiten, wobei sie unschuldige Personen treffen, die mit den von den Terroristen verfolgten Zielen überhaupt nichts zu tun haben.“ – Johannes Paul II., Weltfriedenstag 2002, Nr. 4.

[17] Johannes Paul II., Weltfriedenstag 2002, Nr. 4.

[18] „Der religiöse Terrorismus von heute zeigt sich ... als eine moderne Erscheinung, weil er mit seinem gewalttätigen Aktivismus verrät, dass er trotz aller religiösen Beteuerungen nicht wirklich an ein Handeln Gottes glaubt, sondern ähnlich wie jeder säkulare Terrorismus die Geschichte selbst in die Hände zu nehmen versucht.“ – Palaver, Terrorismus 2002, 27. Zum Zusammenhang von Religion und Terrorismus vgl. Hoffman, Terrorismus, 112–171.

[19] „Selbst die Auslöschung der ganzen Erde erscheint als gerechtfertigt, wenn nur noch die Zustimmung eines jenseitigen – von den eigenen Gewaltprojektionen bestimmten – Dritten gesucht wird.“ – Palaver, Terrorismus 2002, 15.

[20] Johannes Paul II., Weltfriedenstag 2002, Nr. 7.

[21] Je mehr man den Opferstatus für die eigene Seite reklamiert, umso eher legitimiert man damit neue Vergeltungsschläge für angebliches oder tatsächlich erlittenes Unrecht. Vgl. Palaver, Terrorismus 2002, 25.

[22] Johannes Paul II., Weltfriedenstag 2002, Nr. 5.

[23] Klassisch wurde dieses Verbot in positiver Form formuliert von Immanuel Kant in der zweiten Fassung des kategorischen Imperativs: „Handle so, daß du die Menschheit – sowohl in deiner Person als auch in der Person eines jeden anderen – jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloß als Mittel gebrauchst!“ – Kant, Grundlegung, B 66–67.

[24] Backes, Terrorismus, 442.

[25] Backes, Terrorismus, 440.

[26] So die Hauptthese des Kriminologen Scheerer (Zukunft).

[27] Auch nach Auffassung von Papst Johannes Paul II. wird „die Anwerbung von Terroristen ... in einem sozialen Umfeld erleichtert, wo Rechte verletzt und Ungerechtigkeiten allzu lange geduldet werden.“ – Weltfriedenstag 2002, Nr. 5.

[28] Palaver, Terrorismus 2000, 1343.

[29] Vgl. Johannes Paul II., Botschaft zum Weltfriedenstag 2002, mit dem programmatischen Titel: „„Kein Friede ohne Gerechtigkeit, keine Gerechtigkeit ohne Vergebung“.

[30] ”What is new in the world of just-war theory in the 20th century, to resume, is the concept of ‘asymmetrical warfare.’ This concept has been developed by international terrorist groups that, although dependent on clandestine assistance from states willing to help them secretly, are not responsible to any public authority. In order to demonstrate the inability of elected governments to defend the lives of their own people, these terrorist cells execute dramatic attacks upon innocent civilians. The more dramatic and murderous these attacks, the more likely they are to shake legitimate governments to their foundations. … Normal criteria watched for by just-war theorists were not literally present: neither conventional military movements, nor visible signs of imminent attack, nor the authority of a hostile nation state. The horror of the damage was immense, just the same.” – Novak, Warfare.

[31] Brian Johnstone (War, 40) hat mit Recht festgestellt, daß die traditionellen Kriterien eines „bellum iustum“ keineswegs dazu dienen dürfen, einen Krieg als solchen ethisch zu rechtfertigen. Vielmehr geht es um die Einschränkung jeglicher kriegerischer Aktionen in Richtung unbedingter Notwehr und gemeinsamer staatlicher Verteidigung gegenüber ungerechten kriegerischen Angriffen fremder Staaten und Mächte. Es geht um einen „responsible way to deal with unavoidable violence“.

[32] Vgl. die Zusammenstellung im „Katechismus der Katholischen Kirche“, Nr. 2309. Betont wird dort auch: „Die Beurteilung, ob alle diese Voraussetzungen für die sittliche Erlaubtheit eines Verteidigungskrieges vorliegen, kommt dem klugen Ermessen derer zu, die mit der Wahrung des Gemeinwohls betraut sind.“

[33] Sowohl die Kirche (vgl. 2. Vatikanisches Konzil, Gaudium et spes, Nr. 79) wie auch die Vereinten Nationen anerkennen gegenwärtig allein die Verteidigung als „justa causa“ eines Krieges (vgl. Art. 51 von Kap. 7. der UN-Charta).

[34] Vgl. Johnstone, War, 43. Tradition wird hier nicht nur als Übermittlung und Weitergabe von Ideen und Argumenten verstanden, sondern als Teilhabe an einer spezifischen Lebenserfahrung aufgrund von gemeinsamen Werten. Es geht um die Fortsetzung eines guten Lebens, das sich in der Vergangenheit bewährt hat, auch in der Zukunft (ebd., 44).

[35] Vgl. Johnstone, War, 46 ff.

[36] Vgl. Thomas von Aquin, STh II-II q.40.

[37] Vgl. Johnstone, War, 50 ff; Renick, Charity, 447 f, mit Berufung auf Thomas von Aquin, STh II-II q.64. Suarez führt die thomasische Position weiter und unterscheidet klar zwischen Kämpfenden und Zivilpersonen im Krieg, die nicht getötet werden dürfen. Es genügt nicht, die Proportionalität so zu verstehen, daß das Gute gegenüber dem Bösen überwiegt; gemäß dem „ordo caritatis“ muß das Übel minimiert werden: vgl. Renick, Charity 451 f.

[38] Eine säkularisierte Version der „lex naturalis“ setzte sich durch, so bei Gentili (vgl. Renick, Charity, 453 f). Bei Bynkershoek ist die Säkularisierung voll durchgeführt; die Tugend der Liebe wird zum überflüssigen Luxus gegenüber der Gerechtigkeit (vgl. ebd., 456–458).

[39] Johnstone, War, 56 f.

[40] Johnstone, War, 60.

[41] Vgl. Johnstone, War, 42: „is war proportionate to the just end of self-defence, or should other methods be preferred, such as those provided by international law or sanctions?“

[42] Johnstone, War, 61. Hösle (Moral, 1053) meint: “Die Drohung mit Massenvernichtungswaffen kann nur in einer Übergangsperiode der menschlichen Geschichte akzeptabel sein, und keine Epoche muß sich dringender um die Errichtung universalstaatlicher Strukturen bemühen als diejenige, die am Rande des nuklearen Abgrunds taumelt.“ Eine derartige Drohung kann vom Standpunkt einer theologischen Ethik nur solange toleriert werden, bis wirklich eine bessere Alternative besteht. In sich zu rechtfertigen ist sie niemals, da ja doch – um als Drohung wirksam zu sein – ein zumindest bedingter Wille zum Einsatz jener in sich schlechten Massenvernichtungswaffen vorausgesetzt werden muß.

[43] „1) Does the proposed use of force observe the principle of discrimination—that is, does it aim at military targets and persons actively involved in the terrorist network, and does it attempt to minimize harm to civilians? 2) Does the proposed use of force manifest a morally acceptable intention to bring about justice, or is it designed to satisfy desires for revenge and feelings of hatred? 3) Is the proposed use of force likely to achieve morally important objectives—that is, will it meet the test of proportionality; will it bring about results that are sufficiently reliable and valuable to outweigh the harm that is inherent in the use of lethal force?” – Langan, Ends.
 

[44] Hörmann, Friede, 65.

[45] Hösle, Moral, 1050.

[46] Weder ökonomische Sanktionen noch militärische Vergeltungsmaßnahmen haben sich als restlos erfolgreich erwiesen, positive Veränderungen bei der Politik bestimmter Länder, die den Terrorismus förderten oder tolerierten, durchzusetzen. Vgl. Hoffman, Terrorismus, 257, der ein Diskussionspapier amerikanischer Geheimdienstkreise zitiert, in dem es heißt: „In der Praxis hat kein staatlicher Förderer des internationalen Terrorismus, gegen den die USA ein Embargo oder Sanktionen ergriffen haben, seine Rolle als Sponsor aufgegeben oder dem Terrorismus als Mittel der Außenpolitik abgeschworen.“

[47] Cover-Story von Time, 26. Mai 2003.

[48] Hösle, Moral, 1050.

[49] Hösle, Moral, 1049.

[50] Brian Johnstone kommt in dieser Frage zu einem negativen Ergebnis: Im Hintergrund stehen grundsätzliche Überlegungen der naturrechtlichen und theologischen Ethik, aber auch die spezifischen Erfahrungen, daß politische Morde jeweils mehr Unheil hervorbrachten als sie zu bekämpfen vorgaben: „The argument here is based on consequences, that is the claim is being made that these activities will most probably cause more harm than good. It is also drawn from experience. … A moral tradition aimed at fostering and protecting life cannot accept practices which have been shown by experience to do neither.” (Johnstone, Assassination, 46) Anders akzentuiert dies Clemens Breuer (Tyrannentötung), der zusammenfassend feststellt: “Erstes Ziel des Volkes muß es sein, durch passiven Widerstand den Tyrannen zur Gesinnungsänderung zu bewegen. Führt dies auf Dauer nicht zu einer Linderung der Tyrannenherrschaft, so steht einem Volk das aktive Widerstandsrecht zur Verfügung, das aber auch dann noch prinzipiell die Tyrannentötung ausschließt, da zunächst versucht werden muß, den Tyrannen festzunehmen und unschädlich zu machen (z.B. vor ein unabhängiges Gericht zu stellen). Besteht keine Aussicht auf Erfolg einer ‚Unschädlichmachung’ des Tyrannen auf unblutige Art und Weise, darf als ‚ultima rati’ die Tötung des Tyrannen in Erwägung gezogen werden. Eine weitere Voraussetzung für die sittliche Legitimität der Tyrannentötung unter den bislang genannten Bedingungen ist jedoch die gewissenhafte Prüfung mit Gleichgesinnten, ob die Beendigung der Schreckensherrschaft nicht ohne die Tötung des Tyrannen herbeigeführt werden kann. Das Motiv der Rache als Auslöser für die Tyrannentötung kann in sittlicher Hinsicht in keiner Weise gebilligt werden.“ Vgl. auch Spindelböck, Widerstandsrecht, 215 ff.

[51] Hösle, Moral, 1050.

[52] „Eine multilaterale Politik der Schadensbegrenzung hingegen hat mit Institutionen wie dem Ständigen Internationalen Strafgerichtshof und mit einem corpus iuris mundi Instrumente zur Verfügung, die einzelne Terror-Staaten dem Schutz gewisser Großmächte entziehen und auch in der Wahrnehmung der entsprechenden Staatsführungen das Risiko, für Staatsterrorismus zur Verantwortung gezogen zu werden, signifikant erhöhen. Nur sie macht damit einen wesentlichen Rückgang der Häufigkeit, des Umfangs und der Grausamkeiten des staatlichen Terrors möglich und wahrscheinlich.“ – Scheerer, Zukunft, 140 f.