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Der letzte Papst – ist er wirklich der letzte?
Rezension zu: Malachi Martin, Der letzte Papst. Roman (1999)

Josef Spindelböck

Der unter dem englischen Titel „Windswept House“ bereits zu Bestseller-Ehren gelangte Roman von Malachi Martin, einem 1999 unter mysteriösen Umständen verstorbenen amerikanischen Priester, erobert sich unter dem Titel „Der letzte Papst“ jetzt eine deutschsprachige Leser- und Fangemeinde.

Der „letzte Papst“ des Romans ist – obwohl er nie mit seinem eigentlichen Namen genannt wird – in Wirklichkeit Johannes Paul II. Dabei bleibt offen, wie der Ausdruck zu verstehen ist: ob er tatsächlich der letzte Papst ist, weil das beschriebene Komplott mächtiger Männer gegen Papsttum und Kirche zu gelingen droht, oder weil er einfach der „letzte Papst der katholischen Epoche“ ist, insofern sich gerade unter seinem Pontifikat ein grundlegender globaler Wandel in Gesellschaft und Kirche ereignet, der diese Charakterisierung zuläßt. Es sind dunkle Gestalten aus dem Milieu von Freimaurerei und Satanismus, die sich verschworen haben gegen die katholische Auffassung und Ausübung des Papsttums und die sich Eintritt verschafft haben auch in die Kirche. So ist es die Auffassung des Autors, die er in dem Roman zum Ausdruck bringt. Auch gutgläubige Personen geraten in den Einfluß dieser Kreise und werden von ihnen ohne ihr Wissen mißbraucht, um die Ziele der Umwandlung der Kirche und des Rücktritts des „letzten Papstes“ durchzusetzen.

Eine Schlüsselfigur ist Father Christian Gladstone, der sich den römisch-katholischen Glauben bewahrt hat und dennoch gemeinsam mit seinem Bruder Paul, dem Generalsekretär der EU, als Strohmann eingesetzt wird, um den Feinden der Kirche in ihren Plänen zum Erfolg zu verhelfen. Schließlich kommt der Zeitpunkt, wo Christian das Spiel durchschaut, das man mit ihm treibt. Er beschließt, den Heiligen Vater zu warnen. Wird es ihm gelingen, den Papst abzuhalten, das Rücktrittsprotokoll zu unterzeichnen, das seine Feinde für ihn vorbereitet haben? Das bleibt bis zum Schluß die bange Frage. Denn Christian kann dem „letzten Papst“ zwar das ganze Komplott gegen ihn und die Kirche aufdecken und ihm die Gründe darlegen, die sein Handeln zum Wohl der Kirche bestimmen können; entscheiden muß der Pontifex jedoch selber.

Aufgrund der Offenheit des Schlusses, die den besonderen Reiz des Romans ausmacht, scheint das Werk tatsächlich auch eine Botschaft an den Papst und seine Ratgeber zu sein, nicht nur an die „gewöhnlichen“ Leser. Denn Entscheidendes steht für die Kirche auf dem Spiel. Der Papst ist nach Auffassung Martins gefordert, dem Treiben der zerstörerischen Kräfte in der Kirche Einhalt zu gebieten. Er soll den „Rauch Satans, der in die Kirche eingedrungen ist“ (Paul VI.), wieder vertreiben. Statt dem „Fürsten der Finsternis“, in dessen Dienst die Verschwörer stehen, soll wieder Christus als König herrschen. Dies ist die Aussageabsicht des Buches.

Doch wie ist der Standpunkt des Autors, eines römisch-katholischen Priesters, der ursprünglich dem Jesuitenorden angehörte, Berater und Mitarbeiter mehrer Päpste war und dann von Papst Paul VI. von seinen Gelübden entbunden wurde, aber in seinem Priesteramt verblieben ist, näher zu bestimmen? Er vertritt eine traditionalistische Position, die das Wirken der Konzilspäpste Johannes XXIII. und Pauls VI. negativ wertet und in der nachkonziliaren Erneuerung der Liturgie ihre Zerstörung erblickt. Aufgrund der meisterhaft durchgeführten Dramatik des Romans kann der Leser sich dieser Sichtweise kaum entziehen. Die Botschaft ist klar: Die Kirche Christi ist in höchster Gefahr, und überall lauern die Verschwörer. Sie werden auch benannt, meist mit einem Pseudonym, und manche Leser haben sich bereits einen Sport daraus gemacht, die realen Personen dahinter auszumachen, was durchaus nicht unproblematisch ist ...

Ernüchterung tut gut, denn allein die Fakten zählen. Dies kann davor bewahren, die romanhafte Darstellung mit der Wirklichkeit in eins zu setzen. Theologische und kirchenpolitische Urteile müssen anderswo ihre Grundlage finden, nicht in diesem ohne Frage tendenziösen Roman. Lesenswert ist er dennoch für unabhängige, kritische und nervenstarke Geister, und die Spannung steigt bis zur letzten Seite. Titel wie Inhalt des Romans sind nicht einfach Produkte einer ausufernden Phantasie, sondern der Reiz des Buches liegt gerade darin, daß sich oft schwer festmachen läßt, wo die Grenze zwischen Wirklichkeit und freier Darstellung des Autors liegt.

Wie es mit Papsttum und Kirche in der Geschichte weitergeht, bleibt dem Wirken des Heiligen Geistes in der Realität überlassen, nicht dem Roman! Die Wirklichkeit ist nicht weniger spannend als eine literarische Darstellung ... Wer sich bezüglich des Pontifikats Johannes Pauls II. orientieren will, dem sei die (englischsprachige) Biographie von George Weigel empfohlen: „Witness to Hope. The Biography of Pope John Paul II“ (1999).