www. St Josef.at
Die katholische Informationsseite der Gemeinschaft v. hl. Josef
Navigation

Wichtiges Kompendium mit einigen Schwachstellen
Anmerkungen zur 38. Auflage des DENZINGER - Kompendium der Glaubensbekenntnisse und kirchlichen Lehrentscheidungen (20. Mai 1999)

Josef Spindelböck

1. Die 38. Auflage des zweisprachigen „Denzinger“, eines bewährten „Kompendiums der Glaubensbekenntnisse und kirchlichen Lehrentscheidungen“, ist soeben (d.h. Anfang 1999) im Verlag Herder erschienen. Gegenüber der 37. Auflage von 1991 stellt diese Ausgabe „eine erste Ergänzung“ (Vorwort, S.1) dar: Es wurden jetzt auch lehramtliche Dokumente von 1989–1995 aufgenommen (im Klappentext heißt es fälschlich weiterhin „bis zum Jahre 1988“); zudem wurden „einige kleinere Korrekturen“ (ebd.) vorgenommen. Die eigentliche Neubearbeitung des „Denzinger“ ist ja bereits mit der 37. gegenüber der 36. Auflage erfolgt (seit der 37. Auflage zweisprachig, in erheblicher Erweiterung um wichtige kirchliche Dokumente). Verantwortlich dafür zeichnet vor allem der Tübinger Dogmatiker Peter Hünermann mit Mitarbeitern.

Da an den meisten Stellen des zweisprachigen „Denzinger“ das anerkennenswerte Bemühen erkennbar ist, „den deutschen Text dem Originaltext möglichst genau anzumessen“ (Einleitung, S. 6), wird damit ein leichterer Zugang zum Originaltext wichtiger lehramtlicher Dokumente ermöglicht. Das erscheint als nicht unwesentlicher Beitrag zum nötigen Dialog zwischen kirchlichem Lehramt und theologischer Wissenschaft und besitzt auch ökumenische Bedeutung. Zunächst und vor allem sind die 37. und 38. Edition also als ein mutiges und wertvolles Unternehmen zu würdigen, das nach mehrjähriger Vorbereitungszeit (ab 1981) zu einem relativ guten Abschluß gekommen ist.

2. Doch gerade wer den „Denzinger“ schätzt, den schmerzte es, daß die Neuausgabe in der 37. Auflage einige Fehler und Einseitigkeiten aufwies. Erfüllt sich nun die berechtigte Erwartung, daß diese Mängel in der vorliegenden 38. Auflage behoben sind?

Offensichtliche Druckfehler wurden in der 38. Auflage berichtigt (daß unter D 741 weiterhin fälschlich „doctorum Patram“ statt „Patrum“ steht, ist eine Ausnahme). Leider sind neue Fehler dazugekommen: Als Erscheinungsjahr wird auf Seite III das Jahr 1999 und auf Seite II das Jahr MCMXCVIIII (= 1998) angegeben. Auf S.7 wird von der „vorliegenden 37.“ (statt 38.) Auflage gesprochen. Von Seite 1473 bis 1524 ist der Text der Kopfzeile gleichbleibend bedruckt mit: „Johannes Paul II.: Schreiben der Glaubenskongregation, 15. Okt. 1989“ , während dieser Text sachlich nur für S. 1473 f zutrifft. So kann beim ersten flüchtigen Durchblättern des „Denzinger“ der Eindruck entstehen, die 38. Auflage habe gegenüber der 37. gar keine neuen Dokumente aufgenommen!

Weiterhin ist auch in der 38. Auflage auf eine nicht ausreichende wissenschaftliche Transparenz bei Auslassungen sowie auf gewisse Mängel der Übersetzung und auf eine teilweise nicht unproblematisch erscheinende Auswahl neu aufgenommener Dokumente hinzuweisen. Dies ist umso bedauerlicher, als nach der 37. Auflage Verlag und Verfasser bereits darauf hingewiesen wurden. Wenigstens die formal korrekte Interpunktion bei Auslassungen hätte möglich sein müssen, selbst wenn man sich bei Übersetzungen und der Auswahl von Dokumenten um der Kontinuität willen nicht zu einer sofortigen Änderung entschließen wollte.
Für die Zukunft des „Denzinger“ bleibt das Hauptdesiderat die korrekte Wiedergabe theologischer Begriffe in der Übersetzung sowie eine ausgewogene Auswahl lehramtlicher Dokumente. In diesem Sinn seien die folgenden Kritikpunkte aufgezeigt, die sowohl für die 37. als auch für die 38. Auflage zutreffen.

a) Beispielhaft für eine ungenaue Übersetzung wird der dogmatische Fachbegriff „definitio“ in seinen verschiedenen Abwandlungsformen in Lumen gentium, Nr. 25 (D 4149) einfach mit „Bestimmung“ wiedergegeben. Das ist zu unbestimmt und mehrdeutig, da es auch kirchenrechtliche oder liturgische „Bestimmungen“ gibt. Mit „definitio“ ist hier eine dogmatische Definition gemeint, also eine endgültige, unfehlbare Entscheidung des Lehramts „de rebus fidei et morum“. Sollte nicht, ähnlich wie jeweils „anathema“ mit „Anathem“ übertragen wird, auch „definitio“ durchgängig mit „Definition“ übersetzt werden?

b) Jede Auswahl bleibt naturgemäß innerhalb eines gewissen Spielraums Ermessenssache und anfechtbar. Begrüßenswerterweise sind die bisher enthaltenen Dokumente der 36. Auflage Adolf Schönmetzers in der 37. und 38. Auflage unverändert übernommen worden. Die Vorgehensweise für künftige Editionen soll nach Hünermanns Vorschlag in internationalen theologischen Konsultationen geklärt werden. Bei diesen wird dann sicher auch die von ihm verantwortete Auswahl neu aufgenommener Dokumente einzubeziehen sein: – Denn mit Lumen gentium, Nr. 55–58 fehlt ein wichtiger mariologischer Text, der die Beziehung der Gottesmutter zum Erlösungswerk im Alten Testament und im Leben Jesu darstellt.

- Der theologisch bedeutsame Artikel über das Judentum (Nostra aetate 4: D 4198) ist nicht vollständig; seine Kürzung kann im interreligiösen Dialog als falsches Signal verstanden werden.

- Das Fehlen des ersten Artikels von Dignitatis humanae (D 4240–4245) überrascht; ist seine Kenntnis doch wesentlich für das Verständnis der ganzen Erklärung über die Religionsfreiheit! In diesem Abschnitt wird betont, daß die „einzige wahre Religion ... verwirklicht [ist] in der katholischen, apostolischen Kirche“ und daß das Konzil mit dieser Erklärung „die überlieferte katholische Lehre von der moralischen Pflicht der Menschen und Gesellschaften gegenüber der wahren Religion und der einzigen Kirche Christi unangetastet“ lassen will. Fallen diese klaren Sätze nicht doch unter „die wichtigen dogmatischen und moraltheologischen Aussagen“ der Dekrete und Erklärungen des letzten Konzils, die Prof. Hünermann in die Denzinger-Sammlung aufnehmen wollte (vgl. Einleitung, S.6)?

- Ist die Nichtberücksichtigung des ganzen zweiten, eher pastoralen Hauptteils von Gaudium et spes (Art. 46–93) gerechtfertigt? Darin werden wichtige Einzelfragen für die „Kirche in der Welt von heute“ (wie Ehe und Familie, kultureller Fortschritt, Wirtschaftsleben, das Leben der politischen Gemeinschaft, die Förderung des Friedens und der Aufbau der Völkergemeinschaft) behandelt.

- Nr. 12 und 13 der Enzyklika Humanae vitae (D 4470–4479) können nicht im neuen „Denzinger“ nachgeschlagen werden. Jedoch gerade diese enthalten eine tiefere Begründung für die von Paul VI. verkündete Lehre der Kirche: In Nr. 12 wird die „von Gott bestimmte unlösbare Verknüpfung der beiden Sinngehalte: liebende Vereinigung und Fortpflanzung“ hervorgehoben und in Nr. 13 die Treue zum Schöpfungsplan Gottes hinsichtlich der Ordnung der menschlichen Sexualität begründet. Sie sind insofern hermeneutische Schlüsselstellen, als sie zu einem tieferen anthropologischen Verständnis der lehramtlichen Weisungen führen wollen.

- In der Instruktion der Glaubenskongregation über die christliche Freiheit und die Befreiung (D 4750–4776) fehlt Art. 79, wo Bedingungen und Grenzen aktiven Widerstands dargelegt werden, was angesichts echter und vermeintlicher politischer „Befreiungsbewegungen“ von bleibender Bedeutung und Aktualität wäre.


3. Unter den mit der 38. Auflage neu aufgenommenen Dokumenten finden sich u.a. Auszüge aus „Donum veritatis“, „Redemptoris missio“, „Centesimus annus“, „Veritatis splendor“, „Ordinatio sacerdotalis“, „Evangelium vitae“ und „Ut unum sint“. Dafür muß man dankbar sein. „Reconciliatio et paenitentia“ z.B. fehlt aber.
Der Diskussionsprozeß über den neuen „Denzinger“ in der 37. und 38. Auflage kann für die Verbesserung dieses wichtigen Werkes einen nicht unerheblichen Beitrag leisten. Insgesamt verbindet sich mit dem „Denzinger“ die Hoffnung, daß er im Sinne eines bleibend gültigen „Sentire cum Ecclesia“ und als Einladung an Glaubende und Nichtglaubende, die Lehre der Kirche vorurteilslos zu würdigen, Frucht bringen möge!