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Der Delegiertentag des Dialogs für Österreich in Salzburg
Bewertung aus der Sicht eines Teilnehmers (23.-26. Oktober 1998)

Josef Spindelböck

Als einer der über 260 Delegierten beim „Dialog für Österreich“ in Salzburg, der im Themenkorb „Berufung, Dienst und Leben der Priester“ mitarbeiten durfte, möche ich eine Bewertung dieses für die neuere Kirchengeschichte Österreichs einzigartigen synodalen Vorgangs versuchen. Dabei ist es mein Anliegen, trotz persönlichen Engagements und subjektiver Betroffenheit möglichst sachlich zu bleiben, da ich überzeugt bin, daß nur die Wahrheit frei macht. Die folgenden Gedanken sollen dazu beitragen, „alles Positive von Salzburg“ zu retten, gemäß dem Rat des Apostels Paulus: „Prüfet alles, das Gute behaltet!“ (1 Thess 5,21).

Ich spreche zuerst aus, was ich im ganzen Umfeld des Dialogs als positiv erlebt habe und dann auch, womit ich mich nicht identifizieren konnte und was ich für fragwürdig halte.

1. Eine neue „Kultur des Dialogs“

Spürbar war bei den meisten Teilnehmern eine große persönliche Offenheit, mit der einer auf den anderen zugegangen ist. Viele haben versucht, miteinander ins Gespräch zu kommen. Es war ein ehrliches Interesse an der Person des anderen vorhanden und auch das Bemühen, den Glaubensweg und die Denkweise des sachlichen Gegners zu verstehen. „Konservative“ und „Progressive“ um diese Begriffe vereinfachender schematischer Zuordnung zu gebrauchen „konnten plötzlich miteinander“. Dies war nicht leicht. Manchmal passierte auch ein Fehlgriff im persönlichen Gespräch, in der Diskussion in den Arbeitsgruppen oder bei Stellungnahmen im Plenum: Der rechte Ton wurde nicht immer getroffen. Es wurden auch Signale gesetzt, die andere provozierten und ein objektives Ärgernis darstellten (z.B. das Tragen der „Lila Stola“ durch eine Kommunionspenderin in Gegenwart der Bischöfe!). Aber meist spürten die Teilnehmer des Dialogs die Grenzüberschreitung und korrigierten sich dann selber bzw. wo nötig auch gegenseitig. So kam es im großen und ganzen doch zu einem fruchtbaren gegenseitigen Kennenlernen und Meinungsaustausch. Es war nicht bloß ein unverbindliches „Seid nett zueinander“, wo die eigene theologische Position vergessen wurde und im „diffusen Gefühl der Gemeinschaft“ unterging, sondern meist doch ein ehrlicher, aber fairer Austausch auch gegensätzlicher, ja einander sogar widersprechender Überzeugungen und Standpunkte. Das darf und soll anerkannt und gewürdigt werden, und das sollte auch weiterwirken in die Kirche Österreichs hinein. Wer dies nicht persönlich erlebt hat, wird das natürlich distanzierter sehen und so manche kritische Frage an uns Delegierte richten: Ob wir denn den Dialog als eine sachlich harte Auseinandersetzung wohl ernst genommen hätten und nicht um des lieben Friedens willen um eines unchristlichen Scheinfriedens natürlich (vgl. Mt 10,34)! dem Konflikt und der Auseinandersetzung aus dem Weg gegangen seien?! Ein Bekannter (kein Teilnehmer, sondern ein distanzierter Beobachter) hat es auf den Punkt gebracht, als er gesagt hat, ihm wäre es lieber gewesen, es hätten sich alle zerstritten, als mit diesen Ergebnissen eine scheinbare Einheit vorzutäuschen, die doch keine sei. Ich kann dazu nur sagen: Wie ich den Dialog erlebt habe (möglicherweise ist meine Einschätzung hier zu optimistisch), war er keineswegs ein Ausweichen vor dem, was die Teilnehmer als erkannte Wahrheit vertreten zu müssen glaubten. Gerade indem man einander den Druck nahm, um eines faulen Friedens willen inhaltlich nachgeben zu müssen, wurde es möglich, offen die Standpunkte auszutauschen. Dies geschah in gegenseitigem Respekt und in einer Weise, wie es bei Menschen, die im kirchlichen Bereich zusammenleben und miteinander arbeiten, aus verschiedenen Gründen nicht immer möglich ist. Hier war keine Belastung durch Abhängigkeitsverhältnisse verschiedenster Art gegeben; vielleicht hätte Habermas darin den „herrschaftsfreien Diskurs“ annähernd verwirklicht gefunden. Allerdings war das Ziel in Salzburg nicht ein Konsens um jeden Preis, sondern das gemeinsame Suchen und Finden der objektiven Wahrheit des Glaubens!

Daß das geschehen konnte, darin sehe ich etwas vom Wirken des Heiligen Geistes, der uns lehrt, den Mitmenschen in seiner Suche nach der Wahrheit Gottes ganz ernst zu nehmen und mit ihm in einen Dialog des Heiles einzutreten.

2. Teilweise fragwürdige inhaltliche Ergebnisse

 

Dies ist die eine Seite. Die andere betrifft hauptsächlich die inhaltlichen Positionen. Den Delegierten wurden ja Voten vorgelegt, worüber im Plenum durch Abstimmung Meinungsbilder erhoben wurden. Vieles davon kann ich inhaltlich gutheißen, manches in den Voten konnte ich mittragen. Doch nicht alles: Denn einem faulen Kompromiß wollte ich wie auch viele andere Delegierte nicht zustimmen. Es sind dies jene Punkte, in denen Auffassungen im Gegensatz zum Lehramt oder zur bewährten Tradition der römisch-katholischen Kirche vertreten werden, wie z.B. der Wunsch nach einer Änderung der Sexualmoral oder die Tendenz zur Einführung des Frauenpriestertums. Ich erlebe das Lehramt des Papstes und der Bischöfe nicht als Einschränkung der christlichen Freiheit, sondern als hilfreichen Dienst an der Wahrheit des Evangeliums.

Die Texte der einzelnen dem Plenum vorgelegten Beschlüsse wären jetzt ausführlich zu analysieren im Hinblick auf die Übereinstimmung bzw. Nicht-Übereinstimmung mit dem kirchlichen Lehramt des Papstes und der Bischöfe (dies wird sicher noch von Berufenen – Bischöfen wie Theologen – geschehen, jetzt fehlt zu eingehender Analyse die Möglichkeit). Es kann ja nicht im Interesse der katholischen Wahrheit sein, einfach die Forderung an die Bischöfe zu erheben, ungeprüft „die Ergebnisse“ von Salzburg zu übernehmen und gegenüber dem Papst in Rom zu vertreten. Das wäre eine allzu billige Weise, mit dem Hinweis auf Mehrheiten den Anspruch der Wahrheit des Glaubens auszuheben und einer tieferen inhaltlichen Auseinandersetzung zu entziehen. Manche meinen, „das Beschlossene“ (es handelt sich in Wahrheit nicht um Beschlüsse von Richtigkeiten, sondern lediglich um Meinungsbilder von Wichtigkeiten) würde den Glauben in keiner Weise tangieren. Ich bin nicht dieser Auffassung. Somit trete ich mit anderen für die volle Wahrung der katholischen Identität ein. Wir dürfen nicht etwas preisgeben, was uns als kostbares Gut von Gott anvertraut wurde: die Wahrheit des Heiles, die Ordnung der Sakramente und des sittlichen Lebens. Gern bin ich bereit, mit dieser „Meinung“ auf der Seite von „Minderheitsvoten“ zu stehen. So will ich ganz offen sagen: Inhaltlich sind die Ergebnisse von Salzburg in verschiedenen Punkten nicht mit der katholischen Lehre in Übereinstimmung zu bringen. Man könnte enttäuscht sein, daß es inhaltlich so gelaufen ist. Ich habe mich von Anfang an keinen Illusionen hingegeben. Das Klima auch der kirchlichen öffentlichen Meinung ist zur Zeit derart, daß bestimmte Themen über Gebühr zur Sprache kommen und anderes an den Rand gedrängt wird. Es besteht schon seit längerem ein Dissens zum Lehramt der Kirche in weiten Teilen der kirchlichen Mitarbeiter und wohl auch bei vielen Gläubigen. Das ist so, und das müssen wir zur Kenntnis nehmen, ohne es gutzuheißen. Die Bischöfe haben ein ungeschminktes Meinungsbild erhalten, auf das sie in pastoral verantwortlicher Weise reagieren sollen. Einfach nachgeben wäre aber zu billig! Ich denke, daß gerade auch von manchen „Progressiven“ bei Bischof Krenn geschätzt wird, daß er direkt sagt, wofür er steht. Dann kann man sich darauf einstellen und erwartet nichts Unmögliches von ihm. Bei anderen Bischöfen sind sich manche nicht so sicher, wie sie wirklich denken.

3. Hoffnung für die Kirche

Was mir Hoffnung gibt für die Zukunft der Kirche, ist erstens der „Geist von Salzburg“ (dieser Ausdruck wird auch mißbraucht werden), mit dem ich das gute Klima christlicher Diskussionskultur beschreiben möchte und das ich durch die inhaltlichen Ergebnisse nicht einfach aufgehoben sehe. Zweitens vertraue ich auf unsere Bischöfe und hoffe, daß möglichst alle Christus treu bleiben werden (denn es geht nicht um ein Ausspielen von „Kirchenvolk in Österreich“ und „Kirchenleitung in Rom“). Drittens richtet sich meine Hoffnung auf den gegenwärtigen Papst und auch auf seine Nachfolger. Denn wenn ich den Glauben an den Beistand des Heiligen Geistes wirklich ernst nehme, der der Kirche im Amt des Petrus verheißen ist, dann weiß ich: „Die Mächte der Unterwelt werden sie nicht überwältigen.“ (Mt 16,18). So hat die katholische Kirche auch heute Zukunft, es ist die Kirche des lebendigen Gottes, zu der ich voll Freude gehöre auch und gerade nach Salzburg!